Roswitha Frey

Einen Weltstar konnte Kantor Rainer Marbach zum Auftakt der neuen Konzertreihe um den Blüthner-Flügel in der Christuskirche begrüßen: Die renommierte Sopranistin Sibylla Rubens sorgte am Sonntag zusammen mit dem Pianisten Carl-Martin Buttgereit für eine wahre Sternstunde der Liedkunst. Bei diesem Abend mit seltenen Perlen der Liedliteratur wurde auch sehr schön hörbar, dass der historische Blüthner-Flügel mit seinem edlen Klang wie geschaffen für Liedbegleitung ist.

Die Sängerin hatte zusammen mit ihrem Klavierpartner Raritäten aus der Romantik und Spätromanik aufgespürt. Eröffnet wurde das Programm mit „Rosenliedern“ aus op. 5 von Anton Urspruch, eines Liszt-Schülers, für dessen Wiederentdeckung sich Sibylla Rubens und Carl-Martin Buttgereit stark machen. Mit wunderbar heller, klarer, lyrischer Stimme sang Rubens diese bezaubernden Preziosen. In ihrem graziösen, anmutigen Gesang entfaltet die Sopranistin den duftigen poetischen Zauber dieser Lieder, die von Rosen und Schmetterlingen erzählen und neben dem Überschwang der Gefühle auch einen leisen melancholischen Hauch verspüren lassen. Wenn Sibylla Rubens das Lied „Mein Herz ist ein Blumengärtchen“ singt, blüht ihr Sopran in makelloser Schönheit der melodischen Linie auf. Mit seinem feinsinnigen, sensiblen Spiel war Buttgereit ein aufmerksamer und empfindsamer Klavierbegleiter in diesen reizenden Rosenliedern.

Von dem lange vergessenen und wenig bekannten Liedkomponisten Urspruch waren noch weitere kleine Kostbarkeiten zu hören, etwa das „Abendständchen“ und „An den Mond“. In zartesten Schattierungen beschwor Sibylla Rubens die geheimnisvolle Abend- und Nachtstimmung in diesen Liedern, hüllte sie in sanften Glanz und einen entrückten Zauber. In der „Ariette“ traf sie entzückend den graziösen Tonfall dieses Liedes. Es war ein ganz großer Hörgenuss, wie die Sängerin mit ihrer berückenden Stimme und ihrer beseelten Vortragsart diese Liedperlen zum Leuchten und Schimmern bringt.

Ein weiterer entdeckenswerter Liedkomponist, an den die beiden Künstler erinnerten, ist Joachim Raff. „Das verlassene Mädchen“ von Raff sang Sibylla Rubens mit packender Gestaltungskraft, Intensität und Gefühlsdramatik. Auch in „Keine Sorg’ um den Weg“ leuchtete die Sängerin den Stimmungsgehalt und die Ausdrucksnuancen empfindungsvoll aus.

Es war dem Duo sehr zu danken, dass es sich mit so viel Hingabe solchen selten gehörten Liedschöpfungen widmen. Dazu gehörten auch Kompositionen von Gustav Jenner, einem Brahms-Schüler. In Jenners „Der Wald ist kahl“ drückte Sibylla Rubens sehr nuanciert das Sehnsuchtsvolle, die Verlassenheit und leise Traurigkeit aus. In „O Sonne“ ließ sie ihren Sopran wunderbar lichtvoll glänzen. Auch in ausgewählten Liedern berühmter Komponisten der Romantik wie Liszt, Schumann und Brahms beeindruckte die Sängerin mit ihrer lupenreinen Intonation, ihrer makellos geführten Stimme, ihrer bestechend klaren Textverständlichkeit und der lyrischen Anmut ihres Gesangs. In Liszts „Die Loreley“ faszinierte die enorme gestalterische Dramatik und Intensität, mit der Sibylla Rubens diese balladeske Gesangsszene in bildhafter Tonmalerei beschwor, sehr bewegt und klangmalerisch mitgestaltet von ihrem Klavierpartner Buttgereit.

In Liedern von Schumann wie „Herzeleid“, „Im Wald“ und „Abendlied“ berührte die Grazie, Ausdruckswärme und lyrische Empfindungstiefe, mit der die Sängerin diese Lieder ganz aus dem Geiste der Romantik gestaltete. Auch in einigen Liedern von Brahms wie „Geheimnis“ und dem „Mädchenlied“ beglückte die Subtilität, Natürlichkeit, Leichtigkeit und Schönheit dieser Sopranstimme.

Da Carl-Martin Buttgereit diese Reise durch die zarte Liedlyrik und die Gefühlswelten so leichthändig, einfühlsam und klangsensibel mittrug, kam auch der noble, silbrige Klang des Blüthner-Flügels aufs Schönste zur Geltung.