Die Gemeinde Murg besitzt eine Reihe bedeutender Kunstwerke. Allerdings sind sie weitgehend unbekannt, und ihr Schöpfer Karl Friedrich Zähringer (1886 bis 1923) ist in Vergessenheit geraten. Eine Ausstellung im Foyer des Rathauses, ergänzt durch Leihgaben aus Privatbesitz, würdigt nun den Expressionisten, der vor 100 Jahren in Murg verstarb.

Günter Hoffmann, der Wiederentdecker des Künstlers
Bürgermeister Adrian Schmidle begrüßte am Freitagabend die Gäste zur ersten Vernissage im umgebauten Rathaus und dankte Günter Hoffmann, dem Vorsitzenden des Geschichtsvereins Hochrhein, sowie Hauptamtsleiter Werner Vökt, die die Ausstellung organisiert hatten. Bei den Recherchen hatten sie sogar eine Druckplatte aus Kupfer gefunden, die eine Dame in Rückenansicht zeigt. Ebenfalls ausgestellt ist das einzige bekannte Selbstbildnis, das den etwa 30-jährigen Künstler mit ernster Miene zeigt. Günter Hoffmann gebührt das Verdienst, Karl Friedrich Zähringer wiederentdeckt und eine Monographie über ihn verfasst zu haben. Die Recherchen waren recht aufwendig, denn nur wenige Werke sind überliefert; sie befinden sich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, im Museum für Neue Kunst in Freiburg und in Privatbesitz.

Nazis brandmarkten seine Kunst als „entartet“
Nach der Machtergreifung der Nazis wurde der Künstler posthum als „entartet“ gebrandmarkt, und seine Werke wurden aus öffentlichen Sammlungen entfernt. Erhalten sind vorwiegend Holzschnitte, Radierungen und Kupferstiche neben einigen Aquarellen und Zeichnungen. „Wir konnten kein einziges Ölgemälde finden, obwohl er am Anfang seiner Künstlerlaufbahn wohl auch in Öl gemalt hatte“, erklärte Günter Hoffmann.

Zähringer wurde 1886 in Fützen im Schwarzwald geboren. Bereits 1903 machten sich Anzeichen einer Lungenkrankheit bemerkbar. Er machte an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe eine Ausbildung zum Möbeldesigner und zog 1912 in den berühmten Luftkurort Davos. Zähringer begeisterte sich für die Natur und das ländliche Umfeld und lernte in Davos seine Ehefrau kennen. Der ihm geistesverwandte Ernst Ludwig Kirchner suchte ab 1917 ebenfalls in Davos Heilung, aber das Schicksal wollte es, dass sich die Künstler nie begegneten. Weil Zähringer als Deutscher die Schweiz nach dem Ersten Weltkrieg verlassen musste, zog er zu seinen Eltern nach Murg, wo er am 26. Oktober 1923 starb.

Zähringer – ein bedeutender Expressionist
Einige frühe Werke dokumentieren die Suche nach einer eigenen Handschrift, die er schließlich im Expressionismus fand. Sein Holzschnitt „Die Badenden“ erinnert an die frühe Zeit der Brücke-Maler, als sie idyllische Ansichten vom Moritzburger See schufen und ihre Handschriften noch sehr ähnlich waren. Auch Zähringer Stil wurde zunehmend expressiver, die Parallelen zu Ernst Ludwig Kirchner sind unverkennbar. Man sieht expressive Naturdarstellungen, die die innige Verbindung von Mensch und Natur zum Ausdruck bringen und „das Tor zu den Kräften hinter den Erscheinungen öffnen“, so Hoffmann. Verzerrte Perspektiven, ausdrucksvolle Schwarz-Weiß-Gegensätze, der Hang zum Monumentalen, auch im kleinen Format, sind typische Stilmittel.
Ungemein suggestiv ist die Darstellung einer Gebirgslandschaft, in der die Sonnenstrahlen gleichsam als Lichtgebirge die Szene überfluten. Eine Interaktion zwischen Menschen findet in Zähringers Werk kaum statt. Selbst in der „Anbetung der Hirten“ sehen die Personen am Jesuskind vorbei. Seine lyrischere Seite zeigte er in dem Zyklus „Marienleben“, den er für Rainer Maria Rilke geschaffen hatte. Der Dichter bevorzugte letztlich den Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler, aber nicht, weil er Zähringers Werk für schlecht, sondern für „zu schwer und zu erdrückend“ für seine Zwecke hielt. Günter Hoffmann lässt keinen Zweifel daran, dass Zähringer ein bedeutender Expressionist war. Der monetäre Wert der Murger Sammlung ist übrigens nicht einzuschätzen, da es für Zähringer-Werke keinen Markt gibt.