Ein ganz besonderes Maitreffen fand vor kurzem auf dem Behringer Hof statt und hätte es in dieser Form ohne Corona nicht gegeben: Im April kamen Handwerker auf der Walz aus allen Himmelsrichtungen nach Hänner. Unter ihnen Zimmerleute, Schreiner, Stukkateur, Bäcker und Confiseur, Geigenbauerin, Goldschmiedin und Schneiderin, allesamt Wandergesellen des „Freien Begegnungsschachts“ (FBS). Möglich war das in Zeiten von Corona nur, weil das Beherbergungsverbot für Handwerker auf der Walz nicht gilt, und der Behringer Hof geräumig genug ist, um alle Hygienemaßnahmen umsetzen zu können.

„20 Personen waren da, zum Maifest dann zusammen mit den Heimkehrern sogar etwas mehr“, erzählt Heidi Behringer. Heimkehrer, das sind jene, die nach mindestens drei Jahren und einem Tag ihre Wanderschaft bereits beendet haben. Zu den Heimkehrern gehörten auch Bea Zobisch und Moritz Geck aus Hänner. Beide waren vor Jahren selbst auf der Walz, sie als Stukkateurin, er als Zimmermann. Durch diesen Kontakt fand der FBS nach Hänner.
Die ersten reisenden Handwerker trafen zur Vorbereitung des Festes schon im April ein. Nach und nach dann die anderen. Zwei Wochen sollte das Maitreffen dauern, am Ende waren es fünf Wochen. „Es war ein Kommen und Gehen“, so Behringer zu dem Maitreffen, das auch für sie ein Erlebnis war und das sie nicht missen will: „Es war sehr lehrreich für mich. Und sehr eindrücklich, die persönlichen Geschichten zu erfahren.“ Da ist zum Beispiel die Geigenbauerin, die normalerweise in Museen oder im Theater gut Arbeit findet. Aber eben nicht in Zeiten von Corona. Stattdessen macht sie sozusagen den Handlanger bei der Arbeit anderer Gesellen.
Wissenswertes rund um die Walz
Corona ist auch der Grund, dass die Wandergesellen weniger unterwegs sind als in anderen Jahren und damit auch weniger Begegnungen haben. Trotzdem gibt es kein zuhause, denn aufgrund der Bannmeile ist es nicht erlaubt, sich seinem Heimatort näher als 50 Kilometer zu nähern. Alle drei Monate heißt es außerdem sein Bündel packen und weiterziehen. Länger an einem Ort zu verbleiben, ist gegen die Regel. Die Treffen der Wandergesellen leiden ebenfalls unter Corona. Umso wichtiger war das Maitreffen. Die Wandergesellen, nur in dieser Zeit in Kontakt mit Handy und Laptop, konnten sich bei dieser Gelegenheit austauschen und nächste Treffen vereinbaren.

Voraussetzung für das Maitreffen der FBS war ein umfangreicher Hygieneplan: „Wir konnten alles, was das Landratsamt gefordert hat, einhalten“, sagt Behringer. Dazu gehörten Schnelltests für die Anreisenden, für die Abreisenden und während des Aufenthalts sowie Namenslisten. Ausschlaggebend war letztlich aber, dass der Behringer Hof sehr geräumig ist: „Alles spielte sich im hinteren Bereich des Hofs ab“, erklärt Behringer. Dort konnte Abstand eingehalten werden, auch zu den anderen Hofbewohnern. Es gab eigene Bereiche zum Kochen, Abspülen, Essen, Schlafen und einen Aufenthaltsraum. Sogar eine Quarantänestation wäre im Notfall vorhanden gewesen. „Es brauchte eine unheimliche Flexibilität. Das größte Problem war die Dusche im Freien. Erst in der dritten Woche gab es Warmwasser“, sagt Behringer und lacht.
Lediglich ein festes Einsatzteam verließ diesen Bereich, um Einkäufe zu machen oder Botengänge zu erledigen. „Ihnen war wichtig, dass alles regional ist. Und alle Geschäfte waren sehr entgegenkommend“, betont Behringer. Besonders beeindruckt sie auch: „Nichts wurde weggeschmissen. Das was übrig blieb, ging an die Obdachlosenhilfe in Hänner.“
Während ihres Aufenthalts auf dem Behringer Hof packten die Wandergesellen, alle zwischen 21 und 27 Jahre alt, tatkräftig zu, und unterstützen die beiden Projekte „Lernort Bauernhof“ und „Tiergestütztes Lernen“ am Behringer Hof. Nun gibt es rollstuhlgerechte Hochbeete, einen Hühnerstall im Bauwagen, ein Gehege für die Schildkröte und eine rollstuhlgerechte Rampe für das Aufsteigen auf ein Pferd. „Wir hatten viel Spaß, wir haben viel gelacht“, so Behringer, die aber auch lernen musste, dass Wandergesellen einen anderen Begriff von Zeit haben. „Wir sind durchgetaktet, sie nicht“, sagt Behringer. In Erinnerung bleibt ihr vor allem: „Sie haben eine ganz andere Wertschätzung und sie wahren Traditionen.“ Ein Wort hat unter Wandergesellen Gewicht.
Bea Zobisch, die 3 Jahre unterwegs war, betont: „Zu seinem Wort zu stehen, das ist uns wichtig.“ Was bleibt nach Jahren der Wanderschaft? „Wir können mit dem Leben anders umgehen“, sagt Bea Zobisch und spricht von der Erfahrung eines zusätzlichen Lebens, das wie in einen Zeitraffer komprimiert wird: „Es ist wie bei einem Kind. Alles ist neu, man lernt mit einem Mentor, der einen drei Monate begleitet, dann ist man auf sich selbst gestellt.“