Das Ziel war klar: Bei der Murger Bürgermeisterwahl am 25. Juni sollten die Bürger eine Auswahl unter mehreren Kandidaten bekommen. Eine Gruppe namhafter und kommunalpolitisch erfahrener Bürgerinnen und Bürger um Oberhofs Ortsvorsteher Roland Baumgartner, den früheren Gemeinderat Julius Peter Langer und den ehemaligen Ortschaftsrat Jürgen Stadelberger hatte deshalb im Vorfeld nach einem Gegenkandidaten für Amtsinhaber Adrian Schmidle gesucht. Seit vergangenem Dienstag steht fest: Die Suche war nicht erfolgreich, als einziger Name wird der von Bürgermeister Adrian Schmidle auf dem Stimmzettel stehen.
Gefahr der „Vetterles-Wirtschaft“
Dass zwölf kommunalpolitisch beschlagene Personen offensiv einen Gegenkandidaten für den seit 16 Jahren amtierenden Rathauschef suchen, ist zumindest ungewöhnlich. Zu einem Politikum wird aber die Kritik am Amtsinhaber, die nun auch im Pressegespräch deutlich wurde. Als eines der wichtigsten Kriterien für einen Murger Bürgermeisterkandidaten nennt die Gruppe neben der Verwaltungserfahrung nämlich die Tatsache, dass dieser möglichst nicht aus Murg kommen sollte. „Wir sehen die Gefahr einer ‚Vetterles-Wirtschaft‘“, formuliert Julius Peter Langer und bestätigt auf Nachfrage, dass dies ausdrücklich auch als Kritik an Adrian Schmidle verstanden werden sollte, der nicht nur aus Murg stammt, sondern nach 16 Jahren auch „Seilschaften“ pflege.
„Demokratie lebt vom Wechsel“
„Vieles, was Herr Schmidle macht, wären anderswo nicht denkbar“, so Langer. Auf Nachfrage nennt er als konkretes Beispiel, dass es amtierende Gemeinderäte gebe, die Minijobs bei der Gemeinde haben und deshalb in einer gewissen Abhängigkeit stehen. Rechtlich sei dies zwar überprüft wurden und sei wohl auch nicht zu beanstanden, in Ordnung findet es die Gruppe aber nicht, so Roland Baumgartner. „Außerhalb von Baden-Württemberg oder Bayern wäre so etwas nicht möglich“, behauptet Langer, und weiter: „Schmidle wirbt um Transparenz und Offenheit, hier zeigt er sie nicht.“ Von der Kritik nimmt die Gruppe auch die Murger Gemeinderäte nicht aus, „die alles absegnen“, meint Baumgartner. „Demokratie lebt vom Wechsel, die Amtszeit eines Bürgermeisters sollte deshalb zeitlich begrenzt werden“, so Baumgartner, der selbst 16 Jahre Bürgermeister in Herrischried sowie über zwei Jahre Amtsverweser in Rickenbach war.
Viele Gespräche und ebenso viele Absagen
„Es ist natürlich schade, dass unsere Suche nicht erfolgreich war“, räumt Roland Baumgartner ein. „Wir wollten einen ernstzunehmenden Bewerber, keinen Spaßkandidaten“, beschreiben die drei ihr Motiv. Bis weit über den Landkreis hinaus seien geeignete Personen angesprochen worden, in der Folge sei es auch zu persönlichen Gesprächen gekommen – am Ende gab es aber nur Absagen. „Viele, die sich vorstellen können, für ein Bürgermeisteramt zu kandidieren, wollen nicht gegen einen Amtsinhaber antreten, sondern stellen sich lieber dort zur Wahl, wo eine Nachfolge frei wird“, erklärt Baumgartner. Andere hätten darauf verwiesen, dass man vom Murger Amtsinhaber ja nichts Schlechtes höre, als dritter Grund für eine Absage sei oft genannt worden, dass die Familie nicht mitziehe.
Und wie geht die Gruppe nun mit dem Ergebnis der erfolglosen Suche um? „Ein Ohnmachtsgefühl ist nicht vorhanden“, so Jürgen Stadelberger. Aus der Bevölkerung habe die Gruppe viel Rückmeldung bekommen. „Wir brauchen uns jedenfalls nicht sagen lassen: Hättest Du dich mal früher engagiert!“ Die Gruppe sei für ein Grundprinzip der Demokratie eingetreten, so Langer.
Gruppe hofft auf hohe Wahlbeteiligung
Es sei gut möglich, dass der eine oder die andere aus der Gruppe im kommenden Jahr bei den Kommunalwahlen auf einer Liste wieder auftauche, ergänzt Baumgartner. Für sich selbst kann er das aber ausschließen. Er wolle 2024 auch nicht mehr als Ortsvorsteher kandidieren. Ist sein Verhältnis mit dem Rathauschef nun beschädigt? „Das werden wir sehen“, mein Baumgartner. Er selbst komme persönlich gut mit Schmidle aus und hoffe, dass dies auch Schmidle so sehe. „Andererseits ist es ja kein Geheimnis, dass wir in verschiedenen Punkten unterschiedliche Auffassungen von Kommunalpolitik haben.“ Im Zweifel müsse er es in seiner Funktion als Ortsvorsteher von Oberhof „nur noch ein Jahr aushalten“.
Trotz der erfolglosen Suche nach einem Kandidaten hofft die Gruppe auf eine hohe Wahlbeteiligung bei der Bürgermeisterwahl. Ein Alleinkandidat sei kein Grund, daheim zu blieben. „Wer für Adrian Schmidle ist, soll ihn gerne wählen. Wer ihn nicht wählen will, kann einen anderen Namen drauf schreiben oder einen leeren Stimmzettel abgeben“, so Baumgartner. Auch des könne ein Zeichen sein. „Wichtig ist, dass die Murger zur Wahl gehen.“