Wie ist es wohl um das Image von Landfrauenvereinen bestellt? Offenbar sehr gut, wenn man die Atmosphäre beim Landfrauentag des Bezirkes Hotzenwald, der jüngst im Rotzeler Bürgerhaus abgehalten wurde, zum Maßstab nimmt. Dass von einem aus der Zeit gefallenen Phänomen keineswegs die Rede sein kann, beweist gerade jener Zulauf, den der Landfrauen-Ortsverein Rotzel unter dem Vorsitz von Sandra Gottlieb zu verzeichnen hat.

Obsolet gewordene Traditionen, hoffnungslose Überalterung, mangelnder Zulauf von Seiten jüngerer Generationen, veränderte gesellschaftlich-demographische Bedingungen, mangelnde Attraktivität des ländlichen Raumes sowie ein Wandel im Konsum- und Freizeitverhalten der Menschen – die Gründe für den Niedergang zahlreicher Vereine sind vielfältig. Relativ unbeeindruckt davon zeigen sich die Landfrauenvereine, wie auch am Beispiel in Rotzel festgestellt werden kann. Nach einer deutlichen Abnahme ist der zwischenzeitlich stillgelegte Verein in den vergangenen Jahren wieder auf 45 Mitglieder angewachsen.

Daran, dass die Bedeutung von Landfrauenvereinen in Deutschland ungebrochen groß ist, hat die Vorsitzende des Bezirks Hotzenwald, die in Ibach wohnhafte 58-jährige Doris Mutter, keinen Zweifel. Mit über 400.000 Mitgliedern habe der Deutsche Landfrauenverband mehr Mitglieder als jede politische Partei in Deutschland. Von einer Reduzierung von Landfrauen auf Kuchen backende Seniorinnen, ein reaktionär anmutendes Frauenbild sowie eine rückständige bäuerliche Mentalität will Mutter nichts wissen. „Wir sind sehr politisch – viele wissen das nur nicht“, stellt sie im Gespräch mit der Presse klar. Die stellvertretende Bezirksvorsitzende und Ibacher Gemeinderätin Christina Müller, pflichtet ihr bei. Die Renaissance, die die Landfrauen in Rotzel erleben, sei auch in anderen Ortsvereinen zu beobachten, erklärt sie. Bei vielen neuen Mitgliedern handele es sich um zugezogene Neubürgerinnen. Die Abwanderung aus dem ländlichen Raum, weil Städte und Ballungsräume als sehr viel attraktiver empfunden würden, habe sich deutlich abgeschwächt. Oftmals stelle sie bei diesen modernen, autonomen Frauen und ihren Familien eine „Rückbesinnung auf ein bodenständiges und interessantes Leben auf dem Lande“ fest.

Dem sozialen Moment im dörflich-ländlichen Raum scheinen Präsenz und Engagement der Landfrauen sehr zugute zu kommen. Das Abhalten von Dorf- und Repaircafés, das Basteln von Adventskränzen, Aktivitäten bei Marktständen und die Beteilung an der Dorfputzete erinnern zwar zunächst an althergebrachte Tätigkeiten von Frauen im Dienst patriarchalischer dörflicher Traditionsgemeinschaften. Heute stelle sich dies jedoch ganz anders dar, wie die beiden Damen vom Bezirksvorstand betonen. Als eine der wichtigsten Funktionen der Landfrauen nennt Mutter die „Soziale Vernetzung“. Ziel und Anspruch bestünden darin, „generationsübergreifend alle Menschen einzubeziehen und die dörfliche Gemeinschaft zu beleben“, sagt Müller. Die Sorge um alte Menschen sowie die Bedürfnisse von Familien greifen nach Mutter und Müller vor allem in jenen Bereichen, wo Aspekte struktureller Mängel und Unzulänglichkeiten des ländlichen Raumes stärker ins Gewicht fallen. Um reine Nachbarschaftshilfe handelt es sich dabei jedoch keineswegs, wie von der Bezirksvorsitzenden weiter zu erfahren ist. Der Landfrauenbezirk engagiert sich auch bei Fortbildungsmaßnahmen und politischen Kampagnen. Online-Workshops zum Thema „Gemeinderätin – wäre das etwas für mich?“ sollen kommunalpolitisch interessierte Frauen informieren und zu einem aktiven politischen Engagement ermutigen. Weiterbildungen in den Bereichen Landwirtschaft, Regionalvermarktung und Digitalisierung finden sich im Angebot.

Einen noch tieferen Einblick in die politische Dimension der Landfrauen gibt Kerstin Mock. Die Vizepräsidentin des Landfrauenverbandes Südbaden mit 18.000 Mitgliedern vertritt ein „zeitgemäßes und starkes Netzwerk für alle Frauen im ländlichen Raum“. Grundvoraussetzung dafür sei eine „gleichberechtigte Mitsprache auf allen Ebenen“. Konkret aufgelistet finden sich diese „Forderungen an die Politik“ in einer Broschüre der Arbeitsgemeinschaft der Landfrauen in Baden-Württemberg für die Bereiche Bildung, Familie, Ländlicher Raum, Gesundheit, Umwelt, Ehrenamt und Gleichstellung.

Dem einzigen männlichen Gast beim Landfrauenbezirkstag im Rotzeler Bürgerhaus, dem Laufenburger Bürgermeister Ulrich Krieger, kamen in seinen Grußworten nur lobende Worte über die Lippen. Sehr zu schätzen wusste dieser, dass „im Stadtteil Rotzel das ehrenamtliche Engagement am deutlichsten ausgeprägt ist“. Dieses starke Netzwerk sei zu einem sehr großen Teil den Landfrauen zu verdanken, die damit „als Erfolgsfaktor für den ländlichen Raum“ zu sehen seien.

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