"Ein Spiel für 20 Pfennig, drei Spiele für 50 Pfennig, sieben Spiele für eine Mark." Was in Zeiten von Streamingdiensten und Smartphones kaum noch jemand zuordnen kann, ist für Kurt Huber aus Lauchringen eine wahre Leidenschaft. Er restauriert und sammelt altgediente Musikboxen. "Es ist ein sehr interessantes Hobby", sagt der 68-Jährige, der hauptberuflich eine Gärtnerei führt. Er besitzt mittlerweile über 40 dieser eindrucksvollen Automaten, die im Volksmund auch "Jukebox" genannt werden.
Einen Großteil hat er selbst restauriert und wieder flottgemacht. Nicht selten war das eine Herausforderung, denn ein bewegtes Kneipen-Leben fordert stets seinen Tribut: "Das schlimmste ist das Nikotin", sagt der Bastler. Zusammen mit Pommesfett drang es jahrzehntelang bis in die letzten Winkel des technischen Innenlebens. Das Äußere der Boxen wurde öfters mal mit Schlägen, Tritten und verschütteten Getränken traktiert. In Kleinstarbeit zerlegt, reinigt, repariert und setzt Kurt Huber die Technik in filigraner Handarbeit wieder zusammen. Kaputte Teile ersetzt er durch die wenigen – und sehr teuren – noch erhältlichen Ersatzteile, oder durch noch funktionierende Gegenstücke aus nicht mehr zu rettenden Spenderboxen. Manches fertigt er selbst an.

Das Händchen fürs Technische liegt Huber im Blut. Schon in den 70er Jahren bastelte er an Autos, mit denen er an Bergrennen, zum Beispiel am Kalten Wangen, teilnahm. Mit ihrem Verschwinden fing er an, sich den musikalischen Boliden zu widmen. "Wann immer eine Box günstig zu haben war, griff ich zu", sagt Huber, in dessen Garagen noch ein gutes Dutzend der musikalischen Roboter auf seine Aufmerksamkeit warten. Mittlerweile ist Huber Experte für Musikboxen und fährt regelmäßig zu Börsen und Ausstellungen in München und Nürnberg. Als gewerblicher Restaurator sieht Huber sich aber nicht. "Es ist schön, diese fast schon verlorenen Schätze der Kulturgeschichte am Leben zu erhalten", sagt er. Sein Herz hinge aber an jeder einzelnen und den wahren Wert einer restaurierten Box würde man heutzutage ohnehin längst nicht mehr bezahlt bekommen.

Besonders angetan haben es ihm Boxen aus deutscher Produktion, wie zum Beispiel jene der ehemaligen Wurlitzer Deutschland GmbH oder von NSM, aber auch anderen, meist amerikanischen Herstellern, wie Rock-Ola oder Seeburg. Die allererste Box des Lauchringer Bastlers – das erste von Wurlitzer in Deutschland produzierte Modell "Lyric" – steht heute in Hubers Wohnzimmer und auch die zweitletzte vor der Insolvenz des Traditionsunternehmens gebaute Box nennt er sein Eigen. Eine andere hat über viele Jahre im ehemaligen Lauchringer Café "Vier Jahreszeiten" gespielt.
"Jede Box hat ihren eigenen, speziellen Klang", sagt Huber, während er eine nach der anderen für eine Hörprobe in Gang setzt. Jede Epoche hat ihren eigenen Stil, abgeleitet zum Beispiel von amerikanischen Straßenkreuzern, von der Ära der Disco oder von anderen kulturellen Einflüssen. Sie blinken und leuchten, Chrom und Glas spiegeln die verschiedenen bunten Effekte zusätzlich ihre großen Tasten rasten beim Betätigen mechanisch ein. Eine ungewohnte Erfahrung in Zeiten von allgegenwärtigen Touchscreens. "Damals waren das die ersten elektromagnetischen Computer und kosteten um die 5000 Mark", erklärt Huber, während das Schallplattenkarussell sich dreht bevor der Greifarm eine der Schallplatten auf den Plattenteller legt.

"Alle Mädchen ab 30 lieben am besten", schallt Gunter Gabriel plötzlich überraschend laut und klar aus den großen Lautsprechern unter der Verkleidung, als hätte er gerade persönlich das Jahr 1986 eingeläutet. "Nicht alles klingt auf jeder Box gut", sagt Huber, nachdem er kurz hinter einer Glasscheibe angebrachte Liederliste inklusive Künstlerporträts studiert und die Tasten für den nächsten Hit betätigt hat. Filigranere Stücke, wie Stings "Every breath you take" (damals The Police) wurde bereits für eine andere Technik aufgenommen und überfordert die alten Röhrenverstärker hörbar. Viel mehr und auch authentischeren Spaß machen da Elvis, die Beatles, vor allem aber auch ihre deutschen Coverbands.
Die Vinylplatten der Letzteren sammelt Huber ebenfalls und gleich in einer Vielzahl an Ausführungen, schließlich will jede der Boxen ordentlich ausgestattet sein. Darunter finden sich zum Teil seltene und wertvolle Exemplare wie ein Vorab-Muster der Crazygirls mit "Wir waren gestern auf dem Mars" und "Lass sie reden" aus den frühen 60ern, aber auch Klassiker wie "Tausend und eine Nacht – Sie nennen es Flowerpower" des bekannten Produzenten Ralph Siegel aus den 70ern.
Auch wenn das Ende der mechanischen Ungetüme spätestens mit dem Einzug moderner digitaler und vollständig vernetzter Hosentaschen-Geräten längst eingeläutet war, Kurt Huber beweist mit seiner Sammlung, dass das Erleben von Musik mehr ist, als die bloße Wahrnehmung ihrer Schallwellen.
