Der Landkreis Waldshut kann sich eines traurigen Titels rühmen: Er ist laut Erhebungen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die Gegend mit dem geringsten Versorgungsgrad bei Frauenärzten. Während alle Landkreise einen Versorgungsgrad von 100 Prozent erreichen – einige sogar deutlich darüber liegen – liegt die Quote im Kreis Waldshut bei nur 95,7 Prozent. Zwei Niederlassungsmöglichkeiten seien demnach vakant, führt die KVBW näher aus.
Das hat gravierende Auswirkungen: Frauen warten häufig bis zu zwölf Monate und länger auf einen Untersuchungstermin. In ihrer Not strömen daher viele Frauen in die gynäkologische Ambulanz des Klinikums Hochrhein, wo eigentlich nur Notfälle behandelt werden dürfen. Jetzt schlagen die Verantwortlichen Alarm.
Was genau ist das Problem?
„Seit Monaten wird die gynäkologische Ambulanz des Klinikums überrannt – Tendenz steigend“, teilt das Klinikum Hochrhein mit. Für viele Frauen sei der Gang in eine gynäkologische Ambulanz eines Krankenhauses häufig die letzte Hoffnung, gerade wenn Beschwerden vorliegen, stellt das Klinikum fest.
Allerdings: „Unsere gynäkologische Ambulanz darf ausschließlich Notfälle behandeln, das ist von den Krankenkassen so vorgegeben und hierfür gibt es sehr strenge Richtlinien, die zwischen Praxis- und stationären Behandlungen unterscheiden“, erklärt Eleonore Gisy, Chefärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Hochrhein.
Chronische Beschwerden bei sonst gutem Allgemeinbefinden und Belastbarkeit seien kein Notfall, gleiches gelte für Hitzewallungen, Schlafstörungen, vergessene Pille oder ähnliche Erscheinungen, die weder akut auftreten noch gravierende Auswirkungen haben. Natürlich seien die Beweggründe dieser Patientinnen nachvollziehbar und die Folgen meist unangenehm.
Solche Patientinnen würden konsequent abgewiesen, schildert Gisy: „Auch wenn wir das in jedem Einzelfall bedauern, sind uns die Hände gebunden, denn unsere Aufgabe im Gesundheitssystem ist und bleibt die stationäre Versorgung der Schwangeren und Gebärenden und der operationspflichtigen, gynäkologischen Erkrankungen.“ Verständliche Weise reagierten die meisten Betroffenen auf ihre Abweisung mit Unverständnis und Kritik.
Wie beurteilt die KVBW die Lage?
Fachärztemangel sei kein spezifisches Problem des Landkreises Waldshut oder auch nur um ein Problem des ländlichen Raums, wie Gabriele Kiunke-Schwarz, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt: „Wir haben im ganzen Land eine angespannte Situation in der ärztlichen Versorgung. Dies betrifft nicht nur das Land, sondern auch vielfach die Stadt.“
Die Zahl der aus Altersgründen ausscheidenden Mediziner sei generell deutlich größer als die des ärztlichen Nachwuchses. Dennoch sei der ländliche Raum von Nachwuchsproblemen deutlich stärker betroffen: „Viele junge Ärzte wollen als Angestellte sowie in Teilzeit arbeiten und benötigen damit Praxisstrukturen, die sie in den Städten und Ballungsgebieten häufiger finden“, so Kiunke-Schwarz.
Die Erfahrung zeige aber auch: Um Abgänge von Medizinern zu kompensieren, braucht es heute mehr Ärzte als früher. Um zwei niedergelassene Ärzte zu ersetzen, sind drei nachrückende angestellte Ärzte notwendig.
Welche Lösungsansätze sieht das Klinikum für die Problematik?
Eine Verbesserung oder Anpassung der Rahmenbedingungen an den Bedarf könnte nach Ansicht von Klinikum-Geschäftsführer Hans-Peter Schlaudt echte Entlastung bringen. Hier sehe er aber die Politik in der Pflicht: „Ein Lösungsweg könnte sein, dass den Fachabteilungen erlaubt werden würde, die ambulante Versorgung wie in einer Praxis zu übernehmen. Dazu müsste dem Klinikum in den jeweiligen Fachgebieten eine sogenannte Institutsermächtigung erteilt werden.“
Das löse zwar nicht die Engpässe für die Patienten und die fachärztliche Personalnot, aber wenigstens könnten einige dringliche Patienten ambulant betreut und versorgt werden“, erklärt Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer des Klinikum Hochrhein.
Wie versucht die KVBW dem Mangel zu begegnen?
Einerseits versuche es die KVBW Anreize zu schaffen – und das nicht erst seit gestern, wie Kiunke-Schwarz darstellt. Bereits im Jahr 2015 wurde mit dem Förderprogramm Ziel und Zukunft auf den Ärztemangel reagiert. Haus- und Fachärzte, die eine Praxis gründen oder eine bestehende Praxis in Fördergebieten übernehmen, können eine Förderung von bis zu 120.000 Euro beantragen. Weitere Fördermittel gibt es für die Anstellung von Ärzten für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren.
Gemeinsam mit den kommunalen Verantwortlichen und den Niederlassungs-Experten der KVBW werden außerdem Strategien erarbeitet, um junge Ärzte für eine bestimmte Region zu gewinnen.
Weitere Maßnahmen zielen in Richtung telemedizinische Versorgung. Für unterversorgte Bereiche sollen demnach auch telemedizinische Callcenter eingerichtet werden.
Was sollen betroffene Patientinnen tun, wenn sie bei Beschwerden keinen Frauenarzttermin bekommen?
Besteht kein akuter Notfall können sich Patientinnen an die Terminservicestelle der KVBW, bundesweit einheitliche Telefonnummer 116 117, wenden. Diese vermittelt Termine bei Haus- und Fachärzten. „Vermittelt werden Termine in zumutbarer Entfernung zum Wohnort“, betont Kiunke-Schwarz. Das könne im Einzelfall aber auch eine weitere Anfahrt für einen Patienten bedeuten.
Außerdem gibt es ein telemedizinisches Angebot der KVBW. Dafür kann man sich entweder telefonisch über die Nummer 116 117 (Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr) oder auf der Homepage www.docdirekt.de anmelden. Die MFA vermittelt dann einen Termin für den Rückruf des Tele-Arztes.