In ganz Europa wackelten vor 175 Jahren die Throne. Von Sizilien bis Schleswig, von Paris bis Budapest ging das Volk auf die Barrikaden. Eine der Hochburgen der deutschen Demokraten war Baden, das Nachbarland Frankreichs und der Schweiz, damals Europas einzige Republiken.

In Baden gehörten der Hochrhein und der Südschwarzwald zu den Hauptschauplätzen der Revolution. Im April 1848 machten plötzlich Orte wie Lottstetten, Bernau oder Steinen deutsche Geschichte.

Volksherrschaft schien überall möglich, seit die Franzosen am 22. Februar 1848 ihren König Louis Philippe gestürzt und die zweite Republik ausgerufen hatten. Die Menschen tanzten ausgelassen auf den Straßen und sangen die Marseillaise.

Bild 1: Wie die Badische Revolution im April 1848 an den Hochrhein kam
Bild: Schönlein, Ute

Überall in Deutschland wurden Volks- und Vaterlandsvereine gegründet, Gesangs- und Turnvereine. Viktor von Scheffel berichtet, die Volksversammlungen seien „in Form von einer Art Sonntagsvergnügen“ gewesen, wo auch derjenige, dem die Politik „ungeheuer egal“ war, die Gewissheit gehabt habe, „sich an einem frischen Trunk in frischer Gesellschaft laben zu können“.

Umsturz und „Fürstenjagd“

Doch die Revolution war mehr als politischer Karneval. In vielen Teilen Deutschlands litten Arbeiter und Tagelöhner nicht nur Armut sondern Hunger. Missernten und Abgaben bedrängten die Bauern.

Die Forderung nach Umsturz fand offene Ohren. Lieder wie die „Fürstenjagd“ erklangen: „Hallo zum wilden Jagen auf jedes Kronentier! Seht es beginnet schon zu tagen im ganzen Jagdrevier! Herab du treue Büchse von stiller Hüttenwand! Zum Schuss auf Fürstenfüchse, im großen Vaterland!“

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Die deutschen Könige und Fürsten machten Zugeständnisse. In Frankfurt trat sogar eine provisorische Nationalversammlung zusammen. Doch bei der Frage konstitutionelle Monarchie oder Republik setzten sich die Gemäßigten durch. Dies verbitterte die Demokraten, die in Baden besonders stark waren.

In Offenburg und Freiburg bejubelten Ende März 1848 über 30 000 Menschen die Forderungen der radikalen Demokraten Friedrich Hecker und Gustav Struve. Sie wollten die Fürstenherrschaft in 34 souveränen Staaten durch die Volksherrschaft in einer deutschen Republik ersetzen. Und wenn dieses Ziel nicht über das Parlament erreichbar war, dann eben durch Revolution.

Friedrich Hecker ruft zur Erhebung auf

Der Volksaufstand sollte im Seekreis beginnen, wo die Demokraten besonders viele Anhänger hatten. Am 11. April 1848 traf Hecker in Konstanz ein und rief zur Erhebung auf: „Sieg oder Tod für die deutsche Republik!“ Doch statt der erwarteten Tausende marschierten am 13. April nur 48 Bewaffnete mit Hecker durchs Stadttor. Die badische Hauptstadt Karlsruhe war ihr Ziel.

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Auf Volksversammlungen warben Hecker und Struve für die Revolution. Kurz vor Donaueschingen zählte ihre Streitkraft 1000 mit Jagdflinten und Musketen, oft aber nur mit Sensen bewaffnete Kämpfer. Aus Konstanz rückte am 15. April Franz Sigel, ein ehemaliger Leutnant, mit 250 Mann Bürgerwehr nach.

In Lottstetten brach am 16. April der „Engel“-Wirt Joseph Weißhaar mit einer Truppe Klettgauer Bauern auf. Und bei Straßburg wartete jenseits der Grenze die Demokratische Legion, 700 exilierte Deutsche und andere Europäer mit dem Dichter Georg Herwegh und dessen Frau Emma an der Spitze.

Großherzog fordert militärische Hilfe aus dem Ausland

Gegen die revolutionäre Gefahr forderte der Großherzog von Baden beim Deutschen Bund militärische Unterstützung aus den Nachbarländern an. Badische und hessische Einheiten wurden auf der 1840 begonnenen und damals von Mannheim bis Schliengen fertiggestellten Bahnstrecke nach Süden verlegt. Von Osten überquerten bei Villingen württembergische Truppen die Grenze und waren Richtung Donaueschingen im Anmarsch.

Der bei Pfohren stehende Hecker-Zug wich dem überlegenen Militär südwärts über den Randen ins Wutachtal aus. „Schnee bedeckte Sonntag den 16. April Berge und die Thäler“, erinnerte sich Hecker, „die Stimmung war gedrückt, viele bekamen Durchfall und wurden auf Wagen nachgeführt.“ Von Stühlingen wollten die Demokraten zunächst über Bonndorf und Lenzirch Freiburg erreichen.

Doch weil ein feindliches Truppenaufgebot das Höllental blockierte, schwenkten sie über Schluchsee, Aha und Menzenschwand nach Bernau. Hier erhielten sie nicht nur Nachtquartier und Essen, sondern auch 17 Gewehre, die die Bernauer aus der Waffenfabrik St. Blasien entwendet hatten. Verstärkt durch 200 Mann Bernauer Bürgerwehr zogen sie weiter über Präg nach Schönau und dem Fluss Wiese entlang südwärts.

Rückzug auf den Bergpass Scheideck

Hecker wollte sich mit den anderen Kolonnen zusammenschließen. Doch statt Weißhaar und Sigel erwarteten ihn bei Kandern 2200 hessische und badische Soldaten. Die 1200 Freischärler zogen sich am 20. April auf den Bergpass Scheideck zurück. Das Militär rückte unter dem Kommando des Generals Friedrich von Gagern nach.

Die Republikaner versuchten die Soldaten zum Überlaufen zu bewegen: „Kein Bürgerblut vergießen, ihr seid unsere Brüder, es lebe die Freiheit, tretet ein in unsere Reihen!“ Doch Gagern ließ schießen. Beim anschließenden Gefecht fielen er, 50 Soldaten und elf Freischärler. Doch die militärisch kaum geübten Revolutionäre hielten dem Angriff nicht stand, flüchteten oder wurden versprengt.

Nur wenige Kilometer vom Kampfort entfernt standen 800 Freischärler unter Führung von Josef Weißhaar und Gustav Struve. Sie waren drei Tage zuvor von Lottstetten über Jestetten, Dettighofen, Grießen, Lauchringen und Waldshut gezogen. „Am 19. rückte die Colonne über Kleinlaufenburg und Säckingen, an welchen Orten Gustav Struve Anreden an das Volk hielt und die öffentlichen Kassen mit Beschlag belegten, nach Nollingen“, berichtete Struve.

Die Schar erfuhr bei Steinen von Heckers Niederlage. Als von der Scheideck Soldaten anrückten, zogen die Freischärler sich nach einer kurzen Unterhandlung nach Rheinfelden in die Schweiz zurück. Dort wurden ihnen die Waffen abgenommen.

Marsch auf Freiburg

Am selben Tag brach in St. Blasien die Kolonne Sigels nach Todtnau auf und marschierte entlang der Wiese südwärts. Bei Schopfheim traf der Zug auf Reste von Heckers Truppe. Verstärkt durch diese Versprengten und andere Zuzügler machte Sigel kehrt und marschierte mit 4000 Mann auf das von Militär bedrohte aufständische Freiburg.

Am 23. April erreichten sie den Gießhübel bei Horben. Eine Richtung Freiburg entsandte Freischärlerabteilung unterlag bei Günterstal den Regierungstruppen. Sigel versuchte am 24. April nochmals mit rund 400 Mann Freiburg zu erreichen. Doch auch er wurde geschlagen. Die Stadt fiel.

Davon wusste Herwegh nichts, der mit 700 Männern am 24. April bei Kleinkems auf die badische Rheinseite übersetzte. „Die erste Nachricht, die wir nach dem Übergange erhielten, war die von dem tags zuvor bei Kandern vorgefallenen unglücklichen Gefecht“, so einer der Kämpfer. Nun wollte die Legion zu Sigel stoßen. Als die Freischärler am 25.April in Wieden von dessen Niederlage erfuhren, beschlossen sie den Rückzug nach Süden in die Schweiz.

Am Morgen des 27. April begegneten sie nach durchmarschierter Nacht bei Dossenbach kurz vor der rettenden Grenze einer Abteilung von 300 Württembergern. Das Gefecht wurde zum Gemetzel. 30 Aufständische starben. Die Revolution am Hochrhein war zu Ende. Vorerst.

Lebenswege nach der Revolution

  • Friedrich Hecker (1811 – 1881) rettete sich nach dem verlorenen Gefecht auf der Scheideck in die Schweiz. Im Juni wählten die Wahlmänner von Tiengen den in Muttenz bei Basel lebenden Exilanten ins Paulskirchen-Parlament. Die großherzogliche Regierung erklärte die Wahl des wegen Hochverrats Angeklagten für ungültig. Die Tiengener wählten Hecker im Oktober nochmals, da war er bereits in die USA emigriert. Im Mai 1849 rief ihn die badische Revolutionsregierung zurück, doch Hecker traf zu spät in Europa ein. Ab 1850 lebte er als Farmer im US-Staat Illinois. Im amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte er für die Union.
Friedrich Hecker (1811 – 1881).
Friedrich Hecker (1811 – 1881). | Bild: Georgios Kollidas/stock.adobe.com
  • Gustav Struve (1805 – 1870) wurde nach der Niederlage auf der Scheideck in Säckingen beim Übertritt in die Schweiz gefasst. Gesinnungsgenossen pressten ihn frei. Von der Schweiz aus schlug sich Struve zur Kolonne Sigels nach Horben durch. Nach Sigels Niederlage flüchtete er über Murg erneut in die Schweiz. Mit 50 Freischärlern fiel er schon im September von Basel aus in Lörrach ein und proklamierte die Deutsche Republik. Nach Niederschlagung des Aufstands wurde Struve auf der Flucht in Wehr gefasst und wegen Hochverrats verurteilt.
Gustav Struve (1805 – 1870).
Gustav Struve (1805 – 1870). | Bild: Dreiländermuseum Lörrach

Bei der Revolution im Mai 1849 kam er frei. Nach deren endgültiger Niederlage emigrierte Struve in die Schweiz, nach England und 1851 in die USA. Im amerikanischen Bürgerkrieg war er Offizier der Union. Nach seiner Amnestierung zog er 1863 nach Coburg und 1869 nach Wien. Struve engagierte sich bei der Demokratischen Volkspartei und für den Vegetarismus.

  • Emma Herwegh (1817 – 1904) und Georg Herwegh (1817 – 1875) entgingen bei Dossenbach dem Tod durch Hilfe eines Gastwirts aus Karsau. Er schickte die beiden zur Tarnung in Arbeitskleidern aufs Feld und transportierte sie abends auf einem Mistwagen nach Rheinfelden in die Schweiz.
Emma Herwegh (1817 – 1904).
Emma Herwegh (1817 – 1904). | Bild: FEZE

1851 bis 1866 lebten die Herweghs in Zürich. 1863 war Georg Herwegh für den Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins aktiv. Nach einer Amnestie zogen beide 1866 nach Baden-Baden.

Georg Herwegh (1817 – 1875).
Georg Herwegh (1817 – 1875). | Bild: wikipedia gemeinfrei

1869 trat Georg Herwegh der Sozialdemokratischen Partei bei.