Erneut hat ein früherer Mitarbeiter der inzwischen geschlossenen Papierfabrik Albbruck im Ringen um korrekt angepasste Betriebsrenten vor Gericht einen Erfolg gegen die RWV GmbH erzielt. Nachdem der Mann bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Freiburg Recht bekommen hatte, wurde auch die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu dessen Gunsten entschieden. Das teilt die IG Stellwerk, in der sich die Papierfabrik-Rentner organisiert haben, mit. Konkret muss RWV nun nicht weiter gegebene Rentenerhöhungen nachbezahlen.

Es ist ein weiterer Meilenstein in einer Auseinandersetzung, die seit über zehn Jahren andauert und deren Ende noch lange nicht in Sicht ist, ist sich Hermann Reichert, früherer Personalchef der Papierfabrik und heute Geschäftsführer der IG Stellwerk, sicher. Denn der Umgang des Unternehmens mit den Rentenansprüchen bleibe unsauber und zweifelhaft. Die RWV GmbH selbst verweigert eine Stellungnahme zu der Angelegenheit.

Wer ist die RWV und worum geht es bei der Auseinandersetzung?

Die RWV (Rhein-Wärme-Kraftverbund), ein Tochterunternehmen der Karl-Gruppe, wurde ursprünglich als Gemeinschaftsunternehmen zur Energieproduktion gegründet, hatte aber nach der Schließung der Papierfabrik Albbruck im Jahr 2012 die Rentenverpflichtungen für die damals 200 Rentenbezieher und 450 Anwärter auf Betriebsrenten übernommen. Um allen bestehenden wie künftigen Verpflichtungen nachzukommen, dazu auch Rentenanpassungen zu bewerkstelligen, war RWV vom früheren Papierfabrik-Besitzer UPM mit einer Summe von 22 Millionen Euro ausgestattet worden.

Dieser Verpflichtung ist die RWV aber nach Einschätzung der IG Stellwerk nicht nachgekommen – und arbeitsgerichtliche Entscheidungen decken diese Ansicht.

Im aktuellen Fall kam zunächst das Arbeitsgericht Freiburg wie auch in zweiter Instanz das Landesarbeitsgerichts Freiburg zu dem Schluss, dass ein Rentner benachteiligt worden ist. Beide Instanzen gaben dem Mann Recht, der gegen ausbleibende Rentenerhöhungen seit 2015 geklagt hatte. Aufgrund Corona-bedingter Beschränkungen und Verzögerungen hatte sich das Verfahren über insgesamt drei Jahre erstreckt. Die Entscheidung fiel erst Ende April. Nun muss RWV rückwirkend ab November 2020 die Rentenerhöhungen nachzahlen.

„Tricksereien“ bei Rentenzahlungen

Es ist nicht der erste Fall dieser Art, den Arbeitsgerichte zugunsten der klagenden Rentner entschieden haben – und nach Einschätzung von IG Stellwerk werde es auch nicht der letzte bleiben. Denn RWV lege seit Übernahme der Verantwortung für die Rentenzahlungen ein „dubioses Gebahren“ an den Tag, sagt Hermann Reichert, der zwischen 1985 und 1993 Personalchef der Papierfabrik war. Alles lasse sich auf die Formel bringen: „RWV spart von Beginn an auf Kosten der Rentner, und das von Anfang an und mit Erfolg“, so Reichert.

Schon seit Anfang 2013 habe das Verhalten auch Drohungen in Form von hohen Rückzahlungsforderungen und Kürzungen von Rentenanwartschaften beinhaltet, so Reichert. Auch seien entgegen geltender Vereinbarungen und Gesetzeslage Rentenerhöhungen nicht ordentlich weitergegeben worden.

Das habe immer wieder für öffentliches Aufsehen gesorgt, sich für das Unternehmen aber offenbar gelohnt. Gemäß der Unternehmensbilanz, die während der Gerichtsverhandlung offengelegt werden musste, habe RWV zuletzt fünf Millionen Euro Überschüsse erzielt, so Reichert.

Seit zehn Jahren immer wieder rechtliche Auseinandersetzungen

Das Vorgehen von RWV habe bereits vor zehn Jahren für Aufsehen gesorgt – und beschäftigt bis heute immer wieder die Gerichte. Prominent war unter anderem der Fall einer Witwe, die gegen RWV vor vier Jahren einen juristischen Sieg errungen hat.

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„Die Begründung für die Kürzungen seitens RWV lautete, dass die Renten in der Vergangenheit falsch berechnet wurden. Das ist aber nicht richtig.“ Denn tatsächlich hätten wirtschaftlicher Erfolg und Grenznähe nicht nur dafür gesorgt, dass die frühere Papierfabrik Albbruck höhere Löhne gezahlt habe als in der Branche üblich, sondern auch die Betriebsrentner hätten davon sehr profitiert. Basis der Regelung sei eine Betriebsvereinbarung von 1991, an der Reichert selbst mitgewirkt habe.

RWV lässt Vorwürfe unwidersprochen

Konfrontiert mit der Gerichtsentscheidung und den geäußerten Vorwürfen reagiert die Muttergesellschaft der RWV GmbH, die Karl-Gruppe mit Sitz im bayerischen Deggendorf, sehr zurückhaltend: „Von einer Stellungnahme diesbezüglich möchten wir jedoch leider absehen“, heißt es seitens der Pressestelle.

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Mehr Betroffene könnten klagen

Dass die Gerichte bei allen Auseinandersetzung zugunsten der klagenden Rentner oder deren Hinterbliebenen entschieden hätten, sieht Reichert als klaren Hinweis dafür, dass RWV auch objektiv betrachtet durchaus problematische Geschäftspraktiken anwende.

Und das könnte die Karl-Tochter noch deutlich teurer zu stehen kommen, würden mehr Rentner den Klageweg beschreiten. Denn sämtliche bisherigen Entscheidungen beschränkten sich auf den jeweiligen Einzelfall. „Alle anderen werden leider weiterhin systematisch benachteiligt.“

Er werde daher nicht müde, die Leute zu informieren und zu animieren, sich auf den möglicherweise beschwerlichen Weg vor Gericht zu begeben. Denn: „Wenn man gewinnt, lohnt es sich auf jeden Fall.“

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IG Stellwerk lässt nicht locker

Das tue er im Übrigen aus alter Verbundenheit gegenüber den früheren Mitarbeitern, die nie geendet habe, auch wenn er selbst vor 30 Jahren das Unternehmen verlassen habe, wie Reichert erklärt: „Ich gehöre als früherer Direktor zwar nicht zu den Betroffenen, war aber Ansprechpartner für viele Rentner, die unter den Vorstößen von RWV zu leiden haben.“

Sichtbares Ergebnis sei die Gründung der IG Stellwerk gewesen, die in Waldshut aus der Taufe gehoben wurde, und der sich auf Anhieb 30 Betroffene angeschlossen hätten, so Reichert. Er wurde zu deren Geschäftsführer und somit zu einer Art „Robin Hood der Papierfabrik-Rentner“, wie er sagt.

Es sei eine Aufgabe, die er gerne übernommen habe und die er auch gerne weiterhin mit Leidenschaft ausübt, so lange es nötig sei. Und das könnte noch eine ganze Weile der Fall sein.

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