Wer Opfer einer Straftat wird, braucht häufig einfach nur Hilfe. Genau hier setzt die Arbeit des Opferhilfevereins Weißen Rings an – bei der Beratung und Unterstützung aller Art für Menschen, die sich wegen eines erlittenen Verbrechens in einem Ausnahmezustand befinden. Und davon gibt es auch im Landkreis Waldshut mehr, als man denkt. Gerade Gewaltdelikte sind seit Jahren auf dem Vormarsch, wie der Leiter der Außenstelle Waldshut-Tiengen, Siegfried Elis, darstellt.
Wie viele Opfer wandten sich an den Weißen Ring?
Mit 55 Vorgängen bekamen es die elf ehrenamtlichen Mitarbeiter des Weißen Rings vergangenes Jahr zu tun, so Elis: „Dabei hatten wir immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen, auch wenn sie keine Opfer im Sinne unserer Satzung waren.“
Damit sei die Zahl der Fälle zwar insgesamt zurück gegangen – 2021 wurden noch 60 Beratungsfälle verzeichnet -, allerdings verzeichnet der Weiße Ring erneut eine Zunahme bei Gewaltdelikten. Insbesondere gelte dies für häusliche und sexuelle Gewalt, so Elis.
Generell sei das Spektrum an Straftaten, mit denen es die Helfer zu tun bekommen, sehr vielfältig. Opferhilfe erstrecke sich laut Elis auf die Bereiche Mord, Raub, sexuelle Nötigung, Missbrauch und körperliche Gewalt, Mobbing, Betrug, Diebstahl wie auch Stalking.
Was sind die Gründe für die Zunahme von Gewaltdelikten?
Hier haben selbst Experten Mühe, das im Einzelnen zu klären. Wurden vor zwei Jahren noch die Pandemie-bedingten Einschränkungen wie Lockdown oder Sperrstunden als wichtigste Faktoren im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt genannt, sehen sowohl Weißer Ring als auch Polizei inzwischen ein breites Feld von Gründen für die steigenden Zahlen.
„Aus dem täglichen Erleben können wir durchaus feststellen, dass passive Aggressivität zugenommen hat“, schildert Polizeisprecher Thomas Batzel auf Nachfrage unserer Zeitung. Eine massive Dünnhäutigkeit mache sich im Alltag an verschiedenen Stellen bemerkbar – zumeist in Form von verbalen Auseinandersetzungen.
Und Streitigkeiten, die aus vergleichsweise nichtigen Gründen Anlässen eskalieren, stehen deutlich häufiger an der Tagesordnung als noch vor einigen Jahren. Die Gründe seien vielschichtig. Auch seien Details erst mit der polizeilichen Kriminalstatistik nachweisbar, die im März veröffentlicht werde, so Batzel weiter. Der Schluss liege aber nahe, das Faktoren wie Stress, Frust oder Verunsicherung zum Tragen kommen.
Im Umkehrschluss könne die Steigerung von Meldungen von gewalttätigen Übergriffen aber auch als Zeichen des Erfolgs präventiver Programme und Maßnahmen im Bereich Opferschutz sein, so Batzel. Es sei also durchaus möglich, dass Opfer sich frühzeitiger trauen, sich Hilfe zu holen als dies früher der Fall war.
Was tut der Weiße Ring genau?
Der Tätigkeitsbereich der Ehrenamtlichen ist sehr vielschichtig, wie Elis darstellt. Egal ob es um die Suche nach einem Rechtsanwalt geht, die Bewältigung der Bürokratie, die sich im Zuge eines Ermittlungsverfahrens plötzlich auftut, oder eine psychiatrische oder medizinische Weiterbehandlung – mit einem Mal ist man mit einem weiten Feld an Herausforderungen konfrontiert, das schon unter normalen Umständen schwer durchschaubar ist.
Allein 17 Mal stellten die Helfer des Weißen Rings Beratungsschecks für ein kostenloses Erstberatungsgespräch bei einem Rechtsanwalt aus. Einmal wurde der Weg zu einer psychiatrischen Behandlung geebnet.
Dreimal wurden Opfer zu Gerichtsverhandlungen begleitet. Mit 4400 Euro wurden Opfer in finanzieller Notlage geholfen, in die sie durch eine Straftat geraten waren. Unterstützung leisteten die Helfer beim Ausfüllen von Formularen nach dem Opferentschädigungsgesetz.
In welchen Bereichen stoßen die Helfer auf Vorbehalte?

„Es gibt Leute, die mit unserem Verein gar nichts anfangen können, oder auch gar nicht wissen, was wir tun“, bedauert Elis. De facto seien die Mitglieder auch vorwiegend entlang der Hochrhein-Schiene tätig.
Die Corona-Zeit habe hier durchaus für Probleme gesorgt, denn Vortragsveranstaltungen konnten nicht wie gewohnt stattfinden. „Wir bemühen uns jedenfalls immer, bei Präventionsangeboten der Polizei dabei zu sein, man kann uns aber auch jederzeit kontaktieren und für Vorträge engagieren“, sagt Elis, selbst pensionierter Kripo-Beamter.
Wie werden Mitarbeiter auf ihre Tätigkeit vorbereitet?
Wer sich beim Weißen Ring engagieren möchte, wird in Form von Wochenendseminaren mit der Tätigkeit vertraut gemacht. Regelmäßige Fortbildungen zählen zum Standard, so Elis.
„Wir machen auch alle vier bis sechs Wochen Mitarbeiterbesprechungen“, denn in Einzelfällen könne die Arbeit in der Opferhilfe sehr belastend sein.
Freilich sei der Weiße Ring auch immer auf der Suche nach Mitstreitern. Das Alter sei dabei nicht wirklich ein Kriterium, betont der Leiter der Waldshut-Tiengener Außenstelle: „Wichtig ist nur der Wunsch, etwas Gutes für die Gesellschaft tun zu wollen.“