Der Fall der seit 10. September 2020 vermissten Wanderin Scarlett S. bleibt möglicherweise für immer ungelöst. Die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen hat am 21. Februar 2023 das Todesermittlungsverfahren eingestellt. Dies heißt allerdings nicht, dass die Akte Scarlett S. damit geschlossen wäre. „Der Vorgang wird nun wieder von der Polizei als Vermisstenfall behandelt bis das Schicksal der Vermissten geklärt ist“, erläutert Rahel Diers, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Die Einstellung des Todesermittlungsverfahrens bedeute im vorliegenden Fall, dass nach Durchführung aller denkbaren Ermittlungsmaßnahmen der Verbleib der Vermissten nicht aufgeklärt werden konnte, so Diers. „Insbesondere ergaben sich keine Anhaltpunkte für einen gewaltsamen Tod der Vermissten Scarlett S.“ Es seien derzeit keine neuen Erkenntnisse oder Hinweise vorhanden, denen noch nachgegangen werden könnte.
Zuletzt war Scarlett S. am Vormittag des 10. September 2020 in einem Lebensmittelgeschäft in Todtmoos durch eine Überwachungskamera erfasst worden. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich alleine auf einer mehrtägigen Streckenwanderung auf dem Schluchtensteig, einem bekannten Wanderweg durch den Südschwarzwald. Dessen sechste und letzte Etappe endet in dem 22 Kilometer südlich von Todtmoos gelegenen Wehr. Dort kam die damals 26-Jährige nie an.

Am 12. September 2020 meldete Scarletts Mutter ihre Tochter bei der Polizei als vermisst. Darauf begann eine groß angelegte Suche nach ihr. Unter anderem eine Rettungshundestaffel, die Bergwacht sowie ein Polizeihubschrauber durchkämmten das zum Teil sehr unwegsame Wehratal, in dem die vermisste Wanderin vermutet wurde. Eingesetzt wurden dabei auch Drohnen und Wärmebildkameras. Dies blieb nicht die einzige Suchaktionen – doch alle miteinander brachten sie keine Gewissheit über das Schicksal der vermissten jungen Frau.
Keine Anhaltspunkte für ein Gewaltverbrechen
Anfang August 2021 leitete die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen ein Todesermittlungsverfahren ein. Dieses wurde nun eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten keine Anhaltspunkte für ein Gewaltverbrechen ergeben, hieß es von Seiten der Behörde am Mittwoch zur Begründung.
Die Hintergründe des Verschwindens seien nach wie vor unklar, so die Staatsanwaltschaft. Auch die Auswertung von mehr als 500 Hinweisen durch die Ermittlungsbehörden hätten keine neuen Erkenntnisse über den Verbleib der Vermissten gebracht.
Dass Scarlett S. Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnte, ist nur eine denkbare Ursache für ihr Verschwinden. Sie könnte in dem unwegsamen Gelände der Wehratalschlucht auch einen Unfall erlitten, zu Tode gekommen und bisher nicht entdeckt worden sein. Aber auch ganz andere Szenarien sind möglich.
Bundesweit und sogar international Aufmerksamkeit erhielt der Fall Scarlett S. spätestens, nachdem er Ende Juni in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ aufgegriffen wurde. Nach Angaben des Senders verfolgten fünf Millionen Zuschauer die Ausstrahlung, nach der auch rund 150 neue Hinweise an die zuständige Staatsanwaltschaft in Waldshut-Tiengen eingingen.

Nicht nur Polizei und andere Hilfskräfte suchten nach Scarlett S., sondern auch Privatleute. Zwei Wochen nach ihrem Verschwinden gründete sich bei Facebook die Gruppe ‚Bitte findet Scarlett‘. Ihr gehören mittlerweile fast 8200 Mitglieder an. Sie machen den Fall über das soziale Netzwerke publik, tauschen Informationen aus und führten mehrere Suchaktionen durch. Auch dies ohne Erfolg. Scarlett S. blieb spurlos verschwunden.
Nach Vermissten wird so lange gefahndet, bis deren Schicksal geklärt ist
Auch nach der Einstellung des Todesermittlungsverfahrens ist der Fall Scarlett S. nicht geschlossen. Grundsätzlich bleiben Fahndungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer vermissten Person so lange weiter bestehen, bis deren Schicksal geklärt ist, erklärte das Polizeipräsidium Freiburg. Für die polizeilichen Maßnahmen hätte nicht einmal Bedeutung, wenn die vermisste Person durch ein Gericht für tot erklärt werden würde.

Die Ausschreibung im polizeilichen Fahndungssystem wird erst gelöscht, wenn die vermisste Person ein Alter von über 100 Jahren erreicht hat, es also äußerst unwahrscheinlich ist, dass sie noch lebend angetroffen werden kann.
Unabhängig von der Fahndungsausschreibung bleiben die Daten zum Vermisstenfall inklusive aller personenbeschreibenden Informationen in einer polizeilichen Datei für Vermisste, unbekannte Tote und unbekannte hilflose Personen gespeichert. Damit ist sichergestellt, dass eine Identifizierung der Person bei einer Totauffindung möglich ist.