Die menschliche Dimension des versuchten Banküberfalls in Eggingen stand im Mittelpunkt des zweiten Prozesstags gegen einen 28-Jährigen am Landgericht Waldshut-Tiengen. Dieser muss sich wegen zweier Taten verantworten: Eben jenem Überfall auf die Sparkassen-Filiale und einer versuchten räuberischen Erpressung eines körperlich beeinträchtigten Mannes im Klettgau.
Während der Angeklagte am ersten Verhandlungstag bezüglich des Bankraubes ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, dreht sich nun aus juristischer Sicht alles um das Strafmaß – wobei von der Einstufung der Tat als unvollendet oder freiwillig abgebrochen für den mutmaßlichen Täter eine Menge abhängt.
Für die Bankmitarbeiterin, die an jenem Mittwoch im Juli buchstäblich in die Mündung der Waffe blickte, die der Bankräuber auf sie richtete, sind solche Details derweil vollkommen unerheblich. Sie leidet bis heute unter den Erlebnissen.
Seit dem Überfall ist nichts mehr wie zuvor
Im Verfahren gegen Aleksandar B. tritt die betroffene Mitarbeiterin der Bank auch als Nebenklägerin auf. In einem zivilrechtlichen Antrag fordert sie von dem 28-Jährigen zudem Schmerzensgeld und Schadensersatz für alle weiteren zu erwartenden Kosten aufgrund von ärztlicher Behandlung.
Denn alle Versuche, nach den Erlebnissen vom 27. Juli 2022 wieder weiterzumachen als wäre nichts geschehen, seien gescheitert, wie die 50-Jährige bei ihrer Aussage vor Gericht darstellte. Bis heute befinde sie sich aufgrund der psychischen Folgen der Erlebnisse in Behandlung. Auch beruflich habe sich einiges verändert. Sie absolviere eine interne Fortbildung bei ihrer Bank. Denn: „Ich muss vom Schalterdienst weg“, so ihr Ziel.
Bankmitarbeiterin: Tat hat vieles verändert und Ängste hervorgerufen
Sie habe sich in den Wochen nach dem Überfall redlich bemüht, ihre bisherige Arbeit als Bankkassiererin regulär fortzusetzen, wie sie darstellt. Bedingung an ihren Arbeitgeber sei gewesen, dass sie abgelöst würde, wenn es ihr nicht gut gehe. Das sei gewährt worden.
Doch nach drei Wochen scheiterte dieser Versuch: „Es ging gar nichts mehr. Ich war am Ende.“ Die Erlebnisse hätten sie um den Schlaf gebracht. Das permanente Gefühl der Ausgelaugtheit habe letztlich seinen Tribut gefordert. Angstattacken und Weinkrämpfe hätten sie immer wieder heimgesucht.
Der versuchte Überfall, der laut Überwachungsanlage kaum 30 Sekunden gedauert hat, ehe der Täter unverrichteter Dinge die Bank verließ, hat das Leben der Frau grundlegend verändert. Habe sie früher nie Probleme mit Ängsten gehabt, so seien diese nun quasi ihr konstanter Begleiter in allen Lebenslagen. Sie sei übervorsichtig geworden – egal ob bei der Arbeit oder auf dem Spaziergang.
Vieles habe sich zwar verbessert, da sie einen Therapeuten gefunden habe, der ihr wirklich sehr geholfen habe. Aber noch stehen ihr viele Anstrengungen bevor. Denn die Erinnerungen an den Überfall suchten sie noch immer heim: „In den Tagen vor meiner heutigen Aussage war es wieder ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr schlafen“, berichtet sie.
Bankmitarbeiterin: „Hatte gleich ein komisches Gefühl“
Wenn die 50-Jährige heute an die Tat zurückdenkt, erinnert sie sich vor allem an eines: „Ich hatte sofort ein komisches Gefühl, als ich den Mann gesehen habe.“ Ein Aspekt sei der Umstand gewesen, dass er eine medizinische Maske getragen habe, obwohl das gar nicht mehr notwendig war.
Stutzig gemacht habe sie auch die Frage des Mannes, ob er 30.000 Euro abheben könne. Unter dem Vorwand, seinen Ausweis holen zu wollen, um sich als Kunde der Bank autorisieren zu können, hatte der Mann die Bank verlassen, sei aber wenige Minuten später zurückgekehrt.
Dann habe sich die Situation schlagartig geändert, denn der Mann zog unvermittelt eine Pistole aus dem Hosenbund und richtete die Waffe auf die Bankangestellte: „Er hat durchgeladen und direkt in mein Gesicht gezielt“, schildert die Frau. Für sie habe es keinen Zweifel daran, dass es eine echte Waffe sein müsse.
Widerstand schlägt Räuber in die Flucht
Und dennoch: Nach wenigen Sekunden der Bedrohung verließ der Bankräuber die Filiale ohne Beute. „Meine Kollegin und ich haben ihn mehrfach zum Gehen aufgefordert.“
Woher sie den Mut zum Widerstand geschöpft habe, könne sie heute nicht mehr sagen: „Ich war einfach nur geschockt“, so die Bankangestellte. Trotzdem hätten ihre Kollegin und sie vor allem technische Sicherheitsmaßnahmen vorgebracht, die sie an der Geldherausgabe hinderten hingewiesen.
Ob sie dabei die Wahrheit sprachen? Die Antwort auf Fragen zu technischen Hintergründe oder auch dazu, wie viel Geld überhaupt verfügbar gewesen wäre und wie dieses gesichert war, erhielten der Vorsitzende Richter Martin Hauser hinter verschlossenen Türen. Mit der Begründung des Schutzes von Betriebsgeheimnissen der Bank, wurde die Öffentlichkeit für diesen Fragenkomplex ausgeschlossen.

Das ungewöhnliche Auto bringt Ermittler auf die Spur des Angeklagten
Der damals für die Ermittlungen zuständige Beamte des Kriminalkommissariats Waldshut, schilderte derweil, dass die Polizei relativ schnell nicht nur einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten erkannt habe, die Aleksandar B. zur Last gelegt werden. Zeugenaussagen und Sachbeweise hätten die Ermittler auch bereits nach wenigen Tagen auf die Spur des Angeklagten gebracht.
Ausschlaggebend war nicht zuletzt Auto, das der Täter gefahren haben soll, und das sowohl nahe der Bank in Eggingen als auch am zweiten mutmaßlichen Tatort im Klettgau gesehen worden war. Es handle sich um einen mintgrünen Mazda mit besonderer Verzierung: „Es ist das einzige Auto dieser Art, das im Landkreis zugelassen ist“, so der Polizeibeamte. Zugelassen sei es auf die Lebensgefährtin des Angeklagten.
Wie geht es weiter?
Es zeichnet sich auf jeden Fall ab, dass das Verfahren länger dauern dürfte als zunächst geplant. Dabei wird das Augenmerk vor allem auf der zweiten zur Last gelegten Tat liegen.
Nachdem die Chatprotokolle der Lebensgefährtin von Aleksandar B. mit dem angeblich geschädigten Mann nun polizeilich ausgewertet wurden, sollen die Ergebnisse präsentiert und die Lebensgefährtin erneut befragt werden.
Eher zweifelhafte Erwartungen hat das Gericht derweil mit Blick auf die Aussage des körperlich beeinträchtigten Mannes, den Aleksandar B. geschlagen haben soll. Dieser sei bereits in mindestens zwei Fällen wegen Betrugs verurteilt, schilderte Richter Hauser.