Die Anklageschrift liest sich wie ein Krimi: In einem Fricktaler Dorf klingelt ein älterer Herr nach Mitternacht an der Türe eines Freundes. Dieser öffnet, lässt seinen Besuch herein und bietet Kaffee an. Was der Besuchte nicht weiß: Sein Gast trägt Hammer, Messer und Storenband (das Zugband einer Jalousie) bei sich – und hat die Hecktüren zur Ladefläche seines Lieferwagens, der vor der Wohnung parkt, offen gelassen. Denn er will seinen Freund entführen, um ihn „im Auftrag eines 1000 Jahre alten Gerichts zu einem Richtbaum zu bringen, um ihn dort zu richten“.
Dies äußert der Mann am Küchentisch sitzend gegenüber seinem späteren Opfer. Zuvor will er ihm Betäubungsgas ins Gesicht spritzen, ihn niederschlagen und mit dem Storenband fesseln. Das geht aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zum Fall des 67-jährigen Entführers hervor, der nun verurteilt wurde.
Entführer bedroht sein Opfer und zwingt es, in einen Lieferwagen zu steigen
Damit sein Opfer mitkommt, bedroht er es mehrfach. Wie es in der Anklage heißt, soll er dem Opfer ein Messer vorgehalten und zu ihm gesagt haben, er werde ihm die Sehnen am Bein durchschneiden. Weiter soll er zweimal mit dem Hammer auf den Tisch geschlagen und dem Opfer mit den Worten „I schloh di z Tod“ gedroht haben – er werde ihn totschlagen. Schließlich steigt das Opfer in den Laderaum des Lieferwagens – und kann während der Fahrt auf der Autobahn in Richtung Basel mittels Mobiltelefon den Notruf wählen. Kurze Zeit später fangen Beamte des Zolls den Lieferwagen auf Höhe Rheinfelden ab und bringen den Entführten in Sicherheit.
Bei der Verhandlung vor dem Bezirksgericht forderte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten sowie eine ambulante vollzugsbegleitende Behandlung. Die Verteidigung beantragte eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die aber unter Anordnung einer ambulanten Therapie mit stationärem Beginn aufzuschieben sei.
Angeklagter hat bipolare Störung
Dass der Angeklagte eine Therapie benötigt, stand für die Gutachterin fest. Vor Gericht sagte sie, dass bei diesem eine bipolare Störung vorliege. „Seine Fähigkeit zur Einsicht war da, aber seine Steuerungsfähigkeit war schwer eingeschränkt.“ Der Angeklagte sagte, er habe seinen damaligen Freund aufgesucht, weil dieser ihm sein Handy „CIA-abhörsicher“ machen wollte, dieses aber gehackt und einen Virus darauf geladen habe: „Diese Telefongeschichte wollte ich klären.“ Mit dem Tod bedroht habe er sein Opfer nicht. Ein Messer habe er dabeigehabt, um sich zu verteidigen. Bei der Verhaftung hatten Beamte im Lieferwagen weitere Hämmer und ein Buschmesser gefunden.
Das Urteil
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten unter Aufschub einer ambulanten Therapie mit stationärem Beginn. Strafmildernd rechnete das Gericht die schwere Einschränkung der Steuerungsfähigkeit an.
Der Artikel über die Entführung erschien zuerst in der ‚Aargauer Zeitung‘.