„Leg mal dein Handy weg!“ – diesen Satz kennt wohl jeder. Kinder hören ihn von ihren Eltern, aber immer öfter auch Eltern von ihren Kindern. Denn oft stört das Gerät bei der direkten Kommunikation. Wie kann ein friedliches Zusammenleben in der Familie gelingen trotz Handykonsum?

„Viele Familien kommen zu uns zur Beratung und das Erste, was auf den Tisch gelegt wird, ist das Handy“, sagt Angelika Eschbach. Oft sei es die Anfrage der Eltern, wie sie mit dem Handykonsum ihrer Kinder umgehen sollen. Das Kind sei zu lang dran. Wie viel sei erlaubt, so die Frage der Eltern. Aber Eschbach macht klar: Die Eltern sind es, die hier eine Vorbildfunktion haben.

Muss ich immer erreichbar sein?

Die typische Szene am Familien-Esstisch: Alle sitzen an ihren Handys und keiner redet mit dem anderen. „Die Beziehung zwischen Eltern und Kind, wenn man sich unmittelbar dem Handy zuwendet, sobald es klingelt, wird gestört“, sagt sie. Es sei hilfreich, wenn die Familie hier klare Signale setze und sich auch die Eltern fragen würden, ob sie denn immer erreichbar sein müssen.

Wie verstärkt die aktuelle Situation die Handynutzung?

Gerade in diesen Zeiten des Lockdowns, in denen man mit Freunden nicht mehr persönlich kommunizieren könne, werde der Handykonsum noch präsenter, so Diplom-Psychologin Angelika Eschbach. Doch nicht nur bei den Kindern und Jugendlichen sei dies so. Denn auch das Homeoffice verstärke die Problematik. Denn wenn Mama oder Papa zuhause arbeiten, könnten die anderen Familienmitglieder das Gefühl bekommen, dass man ständig am Handy und PC sitzt, auch wenn dies nur in der Arbeitszeit der Fall sei. „Da sollte in der Familie klar formuliert werden, in welcher Rolle man gerade unterwegs ist“, sagt Eschbach.

Eine Mutter telefoniert vor ihrem Arbeitsbeginn, während ihre dreijährige Tochter an ihrer Hand zieht. (gestellte Szene)
Eine Mutter telefoniert vor ihrem Arbeitsbeginn, während ihre dreijährige Tochter an ihrer Hand zieht. (gestellte Szene) | Bild: Patrick Pleul/dpa

Wie verändert sich durch Handykonsum die Eltern-Kind-Beziehung?

„Es ist wichtig, dass man als Eltern als Vorbild fungiert, denn die Handy-Nutzung der Eltern hat auch Einfluss auf die Eltern-Kind-Beziehung“, beschreibt Eschbach. Und wie verändert sich die Beziehung? Wenn Eltern ihr Handy viel nutzen, würde dies den Kontakt zum Kind immer mehr minimieren. Die Kinder fühlen sich in zweiter Reihe, brauchen Aufmerksamkeit der Eltern, die sie wahrscheinlich nicht bekommen.

Viele Eltern kennen die Situation, wenn die Kinder von ihnen fordern, das Handy wegzulegen. Dann und auch im umgekehrten Fall, soll es laut Eschbach immer zu einer emotionalen Rückmeldung kommen. So soll dabei gesagt werden, was man sich wünscht. Zum Beispiel: „Kannst du bitte das Handy weglegen, ich würde gerne ein Spiel mit dir spielen.“ Man soll wieder in Beziehung zueinander kommen.

Sind klare Handy-Regeln eine Lösung?

Und wenn Eltern selbst das Handy viel nutzen, sei es umso schwieriger, dem Kind den Konsum zu verbieten. Gemeinsam mit den Kindern sollten deshalb Handyregeln aufgestellt werden, die für alle Familienmitglieder gelten, so der Rat der Psychologin. Ein Beispiel: Kein Handy am Esstisch. Und wenn Mama oder Papa dann doch mal – zum Beispiel beruflich – länger als vereinbart das Handy nutzen, sollten sie dies den Kindern erklären. Auch sollten die Eltern erklären, warum etwa der 16-Jährige mehr Freiheiten bekommt als der 9-Jährige, rät Angelika Eschbach.

Angelika Eschbach leitet die psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Waldshut.
Angelika Eschbach leitet die psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Waldshut. | Bild: Verena Wehrle

Wie mit dem ersten Handy der Kinder umgehen?

Kinder werden immer jünger, wenn sie ihr erstes Handy bekommen. „Wir empfehlen Handys erst dann, wenn das Kind in die weiterführende Schule kommt“, so Eschbach. Beim Handy sei es das gleiche Prinzip wie beim Fernsehen oder beim Computer: „Dem Kind das Gerät einfach nur zur Verfügung zu stellen, ist ein Fehler“, erklärt sie. Man sollte Regeln für die Nutzung haben, auch klar stellen, für was es genutzt werden darf. Und: Eltern sollten den Kindern zeigen, wie das Gerät funktioniert. Das werde gerade heute in Zeiten von Homeschooling immer wichtiger.

Wie weit darf die Kontrolle der Eltern gehen?

Sobald das Kind sein erstes Handy hat, sollten laut Angelika Eschbach die Eltern immer mit dem Kind im Gespräch bleiben und sich mit ihm auch über die negativen Auswirkungen austauschen. Die Kontrolle der Eltern sei ein Spagat: Eltern sollten einerseits dem Kind vertrauen, andererseits einen Blick auf das Gerät haben und sich zeigen lassen, was sich Kinder mit ihren Freunden schreiben. Der Tipp dazu von der Psychologin: „Es ist wichtig, dem Kind im Vorfeld offen zu sagen, dass man als Eltern einen Blick darauf hat, und zwar aus Interesse heraus und nicht aus Kontrolle.“

Internetseiten, die die Eltern nicht gut fänden, könnten sie sich gemeinsam mit dem Kind anschauen, offen darüber reden, woher das Kind die Seite kenne, was es daran interessiert. „Aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger“, so Eschbach. Die Eltern sollten dann auch erklären, warum sie die Seite nicht gut finden und welche Gefahren diese haben kann.

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Warum ist das offene Gespräch so wichtig?

Gerade jüngere Kinder könnten die Gefahren des Internets und der sozialen Netzwerke nicht abschätzten, sagt Eschbach. Kinder hätten etwa Ängste, weil sie Bilder erschrecken würden oder weil über sie selbst etwas verbreitet würde. „Hoffentlich bekommt es niemand mit“, sei dann oft ihr Wunsch. Auch in der psychologischen Beratungsstelle des Landkreises sei Handykonsum immer wieder Thema, vor allem aber dann, wenn es in Richtung Mobbing gehe, weil schlimme Dinge in Gruppen verschickt würden, erklärt Eschbach.

„Was früher der Kettenbrief war, ist heute die digitale Nachricht. Dabei ist nun die Geschwindigkeit der Verbreitung enorm.“
Angelika Eschbach, Leiterin der psychologischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien im Landkreis Waldshut

Oft würden solche Handlungen bagatellisiert, da es ja alle machen würden, erklärt die Diplom-Psychologin. Wenn also all diese Dinge heimlich und ohne das Wissen der Eltern passieren, sei dies das Schlimmste, sagt sie. Also heiße die Devise: Über alles offen sprechen. Interesse zeigen. Einen Einblick zu haben, ohne Kontrolle.

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