Ein Familienvater muss nach dem Besuch seiner Tochter in Deutschland am Schweizer Grenzübergang ein Bußgeld bezahlen. Dieser bis vor der Corona-Krise nicht vorstellbare Fall ereignete sich vor wenigen Tagen am Hochrhein. Wir haben mit der Familie über die Hintergründe und das Ziel ihrer nun gestarteten Online-Petition gesprochen.
Eine Familie in zwei Ländern
Maik Riedl (38) lebt mit seiner Frau Sabrina und der gemeinsamen acht Monate alten Tochter in Bad Zurzach in der Schweiz, direkt an der Grenze zu Deutschland. Auf deutscher Seite des Hochrheins, und für ihn mit dem Fahrrad in rund 30 Minuten zu erreichen, lebt Maik Riedls zehnjährige Tochter bei seiner Ex-Partnerin in Lauchringen.
„Wir haben ein sehr enges Verhältnis und meinem Mann und mir sind beide Töchter sehr wichtig“, betont Sabrina Riedl im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Die Tochter meines Mannes war vor Corona jede Woche an mehreren Tagen bei uns, wenn ihre Mutter gearbeitet hat“, sagt Sabrina Riedl. Das Paar nehme sich bewusst Zeit für die Kinder, beide arbeiten nur in Teilzeit um es zu ermöglichen, dass immer jemand zu Hause sei: „Das ist meinem Mann und mir sehr wichtig“, sagt Sabrina Riedl.
Nach der Grenzschließung
Mit der Schließung der Grenzen aufgrund der Corona-Pandemie Mitte März war der Kontakt der Familie von einem Tag auf den anderen stark eingeschränkt. Die beiden Halbschwestern, die große mit deutschem, die kleine und Sabrina Riedl selbst mit Schweizer Pass, durften sich nicht mehr sehen. Jeder muss in seinem Heimatland bleiben. „Die Mädchen sind traurig und auch ich selbst leide sehr darunter“, sagt Sabrina Riedl.
Vater Maik – selbst deutscher Staatsbürger mit Schweizer Ausländerbewilligung – besuchte seine große Tochter in Lauchringen aber weiterhin. Zunächst ohne Probleme am Grenzübergang.
Das Bußgeld
Doch am 10. April wurde er dann auf dem Rückweg mit dem Fahrrad in die Schweiz am Zollamt Koblenz zur Kasse gebeten: 100 Franken Bußgeld musste er für den Besuch seiner Tochter in Deutschland bezahlen.
Die Mitarbeiter der EZV hatten den Grund für Maik Riedls Wiedereinreise in die Schweiz als einen der untersagten Besuche im Ausland gewertet.
„Aber das ist doch ganz falsch. Es ist kein gewöhnlicher Besuch, wenn man mit seinem Kind Zeit verbringt.“Sabrina Riedl
Um ein Kind kümmere man sich, man betreue es, man erfülle seine Rolle als Bezugsperson, sagt die Mutter.
Die Petition
Was Maik Riedl beim Grenzübertritt in die Schweiz passierte ist kein Einzelfall, wie neben Zuschriften an die Redaktion auch weitere in verschiedenen Schweizer Medien thematisierte Fälle zeigen. Sabrina Riedl hat darum eine Online-Petition gestartet, die sich direkt an die Schweizer Bundesrätin Karin Keller-Sutter wendet: „Grenzübertritt: Aufhebung des Besuchsverbots von leiblichen und angenommenen Kindern“ lautet der Titel.
Dabei geht es um eine Anpassung der Schweizer Covid-19-Verordnung 2, so dass „Eltern ihrer Betreuungspflicht von im Ausland lebenden leiblichen und angenommenen Kindern nachkommen können.“
Mehr als 800 Menschen haben bereits unterzeichnet und erste Erfolge seien bereits zu erkennen, sagt Sabrina Riedl. So wären bereits Politiker in der Schweiz darauf aufmerksam geworden und der Fall würde nun geprüft werden.
Die Hoffnung
Sabrina Riedl ist ein grundlegender Aspekt der Petition besonders wichtig:
„Wir wollen das Gesetz nicht brechen, aber wir wollen prüfen lassen, ob diese Regelung, bei der Eltern und ihre Kinder getrennt werden, sinnvoll ist.“Sabrina Riedl
Es sei schließlich nicht einfach ein Besuch beim eigenen Kind: „Natürlich halten Eltern keinen Mindestabstand zu ihren Kindern, aber es geht ja darum, dass es sich um essentielle Familienkontakte handelt.“
Über die Gefahren von Covid-19 sind sich Riedls bewusst: „Wir arbeiten beide als Rettungssanitäter, haben täglich damit zu tun und wir wissen, wie ernst die Krankheit ist, wie wichtig es ist, dass die Ausbreitung des Virus eingedämmt wird“, hebt Sabrina Riedl hervor.
Um so wichtiger sei es, dass Gesetze und Regelungen – deren längerfristigen Bestand Riedls nicht bezweifeln – die psychische Gesundheit von Eltern und Kindern nicht gefährden würden. Dies vor allem in einer Region, in der Menschen in zwei Ländern zusammen und miteinander leben und in der Eltern und Kinder plötzlich durch eine geschlossene Landesgrenze voneinander getrennt werden. Für Sabrina Riedl eine belastende Situation: „Ich hoffe so sehr, dass wir die Große bald wieder regelmäßig sehen dürfen – wie in der Zeit vor Covid-19.“