Sylvia Furmaniak ist eine sympathische Frau, die Lebensfreude ausstrahlt. Wenn es ihr möglich ist, wenige Stunden am Tag aufzustehen, ist sie glücklich. Dann kann sie einen kleinen Spaziergang machen oder mit ihrem Mann Franz im Tandem liegend eine Radtour in der Umgebung unternehmen.

Seit Jahren ist sie die meiste Zeit liegend ans Bett oder Sofa gebunden, weil jede Anstrengung Schmerzen verstärkt, die sie permanent quälen. Zeitweise führen diese sogar zu völliger Lähmung und machen sie zum Pflegefall. Die studierte Pädagogin und Heilpraktikerin leidet seit über 20 Jahren an einer postviralen Erkrankung, die sich im Laufe der Jahre verschlimmerte und sie an ihre Grenzen führte.

Krankheit stellt Medizin vor Rätsel

Die Krankheit ist weitgehend unerforscht und stellt die Medizin vor Rätsel. Eine Diagnose gab es jahrelang nicht und daher auch keine Schublade, in die man die Krankheit stecken konnte.

Erst durch die Erforschung von Long Covid wurden Ärzte darauf aufmerksam, dass die Symptome von Long-Covid-Patienten Ähnlichkeiten aufweisen. Die Diagnose heißt ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis mit Chronischem Fatigue-Syndrom). Allgemeinmedizinerin Paulina Hauk, die Sylvia Furmaniak ärztlich betreut, bedauert, dass diese Krankheit in der Medizin bisher zu wenig Beachtung findet.

Und weil diese kaum erforscht ist, passe sie in keine „Schublade“ von Medizin und Behörden. Das erschwert die ohnehin schwierige Situation der Betroffenen. Anträge wie etwa auf eine Pflegegradeinstufung, Erwerbsunfähigkeit, Behindertenparkplatz und viele Dinge sehen dafür keine Raster vor. Behördengänge zermürben.

Das könnte Sie auch interessieren

Sylvia Furmaniak kann nur kurze Wege gehen und muss liegend zu Ärzten und ins Krankenhaus gefahren werden. Man sieht ihr nicht an, wie krank sie ist. Sie hat ja beide Beine und daher gibt es keinen Anspruch auf einen Behindertenparkplatz. Solche Patienten fallen wohl durch jedes Raster, das Behörden zur Verfügung steht.

Sie richtet den Fokus auf das, was sie glücklich macht

Nachdem Sylvia Furmaniak gelähmt vor Schmerzen aufgeben wollte, brachte eine Hyperthermie-Behandlung Linderung. Trotzig beschloss sie: „Jetzt erst recht!“ Sie will ihren Fokus auf das richten, was noch geht und was sie glücklich macht. Da ist ihr Ehemann Franz, mit dem sie glücklich verheiratet ist, ihre Familie, Freunde und Menschen, die ihr helfen. Wenn es ihr besonders schlecht gehe, seien alle für sie da.

Sie sei auch ihrer Ärztin Paulina Hauk dankbar, die sich in kritischen Situationen Zeit für sie nehme. Sie liebt die Natur und freut sich, wenn sie raus kann und das Gemüse in den Hochbeeten wachsen sieht, die ihr Mann für sie gerichtet hat. Trotz Krankheit bleibt sie offen und nehme Licht und Dunkel an.

Über ihren schmerzvollen Weg hat sie ein Buch mit dem Titel „Warum ein Roter R4 nicht in eine hellgrüne Schublade passt“ oder „Wie ein Virus meine Welt veränderte“ geschrieben. Es erschien Anfang 2023 im Tredition Verlag.

Sylvia Furmaniak will mit ihrem Buch Betroffenen Mut machen. Trotz Schmerzen richtet sie ihren Fokus auf das, was geht.
Sylvia Furmaniak will mit ihrem Buch Betroffenen Mut machen. Trotz Schmerzen richtet sie ihren Fokus auf das, was geht. | Bild: Ursula Ortlieb

Anfang April hatte die Autorin zu einer privaten Lesung in die Lauffenmühle in Lauchringen eingeladen. Rund 100 Zuhörern las sie auf einem Sofa liegend Passagen aus dem Werk vor. Ehemann und Freundin übernahmen einzelne Abschnitte, wenn sie sich ausruhen musste.

Wie bei einem Auto, bei dem die Schaltung nicht immer funktioniert

Ihren Körper vergleicht die 54-Jährige mit einem roten R4, dessen Schaltung nicht immer funktioniert, der manchmal liegen bleibt, den es aber immer noch gibt. Im Buch erzählt sie, wie sich ihr früheres gesundes und aktives Leben durch das Virus bis zur Berufsunfähigkeit radikal veränderte.

Sylvia Furmaniak (im Bild mit Ehemann Franz) richtet trotz Krankheit ihren Fokus auf das, was sie glücklich macht. Dazu gehören Familie ...
Sylvia Furmaniak (im Bild mit Ehemann Franz) richtet trotz Krankheit ihren Fokus auf das, was sie glücklich macht. Dazu gehören Familie und Freunde. Zur Autorenlesung in der Lauffenmühle überraschte Schwager Dietmar Rebmann die Autorin passend zum Titel des Buches mit einem roten R4 vor dem Eingang. | Bild: Rudi Franck

Die Geschichte des Buches spannt den Bogen über das Leben ihrer Ahnen bis in die Gegenwart des eigenen Alltags. Bei den Recherchen zu ihrer Familiengeschichte entdeckte sie erstaunliche Parallelen. Leidensgenossen und Betroffenen Mut zu machen oder zu helfen, macht die Autorin glücklich.

Es entstand mit einem ihrer Leser, Johannes Schulte, der selbst erkrankt ist, die Idee, unter FasyNation einen Podcast mit dem Thema ME CSF ins Leben zu rufen. Der Podcast ging am 10. Mai erstmals online und positive Resonanz ließ nicht lange auf sich warten. Viele Leser und Betroffene dankten ihr für ihre Offenheit.

Betroffenen mit Buch und Podcast Stimme geben

Sylvia Furmaniak will sich mit anderen dafür einsetzen, dass mehr Geld an die Forschung zu ME/CFS zur Verfügung gestellt wird. Und sie möchte mit ihrem Buch und Podcast den Menschen eine Stimme verleihen, die gerade still und leise sind und keine Kraft zum Kämpfen haben.

Am 12. Mai gab es um 15.30 Uhr in Berlin vor dem Deutschen Bundestag für Betroffene mit ME/CFS eine Liegend-Demo, an der Sylvia Furmaniak per Zoom online teilnahm. In der Tagesschau wurde darüber berichtet.

Ärztin Paulina Hauk vergleicht die Symptome von ME/CFS mit einem Chamäleon, das in der Medizin bisher zu wenig beachtet werde. Die Krankheit ist weitgehend unerforscht und stellt die Medizin vor Rätsel.

Ärztin Paulina Hauk aus Lauchringen bedauert, dass die Krankheit ME/CFS in der Medizin bisher wenig Beachtung fand. Betroffene sind ...
Ärztin Paulina Hauk aus Lauchringen bedauert, dass die Krankheit ME/CFS in der Medizin bisher wenig Beachtung fand. Betroffene sind schwer krank und man sieht es ihnen nicht an. Die Krankheit erscheint mir mit ihrem Symptomenkomplex wie ein Chamäleon, das man nicht fassen kann. | Bild: privat, Hauk

Hauk schätzt, dass sich die Krankheit von derzeit rund 400.000 in naher Zukunft verdoppeln werde und weiß, dass es für den ganzen Symptomkomplex auch von Post Covid bisher keine verlässliche Behandlung und Diagnostik gibt.

Sylvia Furmaniak gewährt in ihrem Buch und im Podcast mit Johannes Schulte Einblicke in ihr Leben mit ME/CFS. Viele dankbare Zuschriften von Lesern und Zuhörern gaben ihr Bestätigung in ihrem Engagement.

Das könnte Sie auch interessieren