1. Die Alemannen-Apotheke im Klettgauer Ortsteil Grießen muss schließen

Vor 27 Jahren übernahm Martina Engelhaaf-Rupp die Alemannen-Apotheke im Klettgauer Ortsteil Grießen, die ihr Vater vor ihr 33 Jahre geführt hat. Nach einem Jahr Um- und Neubau öffnete sie 1996 die Türen, die seit dem 31. Dezember 2022 geschlossen sind.

Seit Anfang dieses Jahres hat die Alemannen-Apotheke in Grießen geschlossen.
Seit Anfang dieses Jahres hat die Alemannen-Apotheke in Grießen geschlossen. | Bild: Martina Engelhaaf-Rupp

Sie habe sich das sehr lange und gut überlegt, erzählt Engelhaaf-Rupp. Für die Schließung gebe es mehrere Gründe. Im Dezember 2021 habe überraschend eine der zwei Hausarztpraxen in Grießen geschlossen. Als Engelhaaf-Rupp im November von dem geplanten Ende der Doppelpraxis Hera erfuhr, sei ihr klar gewesen, dass ihre Apotheke nur mit einer Übernahme der Praxis überleben könne.

Nach der Schließung der Praxis entschied sich Engelhaaf-Rupp, ein Jahr abzuwarten, ob sich vielleicht etwas entwickelt oder sich eine Übernahme in Aussicht stellt. Dass dies nicht geschehen ist, sei nicht überraschend, erzählt sie heute. Ein weiterer Grund für das Ende der Apotheke sei die fortlaufende Abwärtsspirale des Ortsteils Grießen. Viele Geschäfte im Dorf haben geschlossen, nicht mal einen Bäcker gebe es noch. Somit fehle die Infrastruktur, um noch genügend Kundschaft einzubringen. „Grießen ist auf einem absteigenden Ast“, beschreibt die Apothekerin.

Dass jetzt auch sie das Dorf verlasse, tue ihr leid. Vor allem der Kundschaft wegen. Alle Mitarbeiter seien von der Apotheke ihres Mannes in Erzingen übernommen worden. Hier an der Schweizer Grenze habe es immer schon Personalmangel gegeben, erzählt Martina Engelhaaf-Rupp, aber dieser habe sich in den vergangenen Jahren verstärkt.

2. Marienapotheke in Grafenhausen reduziert Öffnungszeiten

Auch die Marienapotheke in Grafenhausen spürt den akuten Mitarbeitermangel. Die Öffnungszeiten wurden so verändert, dass sie jetzt denen der Arztpraxis angepasst sind, erklärt Apotheker Bernhard Straub. „Wir haben einfach nicht genügend Personal, um die Zeiten abzudecken“, sagt er. Die Entwicklungen und die Rahmenbedingungen der vergangenen Wochen habe die Lage noch mehr verschleppt. Straub blickt in eine ungewisse Zukunft, wie er sagt.

Hinzu komme für alle Apotheken Konkurrenz durch Online-Apotheken und das Problem der Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten. Dabei gehe es nicht nur um Fiebersäfte, sondern auch Blutdrucksenker oder Krebstherapeutika.

Zahlen und Fakten

3. Lange Liste an fehlenden Medikamenten in der Engel Apotheke in Waldshut

Das Problem erleben auch viele Apotheken in der Region. Apothekerin Anna Vogelbacher aus der Engel Apotheke in Waldshut erzählt, dass manche Hersteller Produktionsschwierigkeiten haben, weil Papier für den Beipackzettel fehle oder Glasflaschen für Augentropfen nicht verfügbar seien.

Die Engel-Apotheke in Waldshut kämpft mit der Medikamentenknappheit und schwierigen Rahmenbedingungen.
Die Engel-Apotheke in Waldshut kämpft mit der Medikamentenknappheit und schwierigen Rahmenbedingungen. | Bild: Katharina Vogelbacher

Die Liste der Medikamente, die die Apotheke bestellen möchte, aber die nicht lieferbar sind, sei normalerweise 100 Stellen lang. Derzeit liege die Zahl über 300. Die momentane Lage sei nicht nur zeitraubend durch die zusätzliche Beratung über Ausweichmöglichkeiten, sondern auch die Bestellung nehme viel Zeit in Anspruch. Zeit, die ohnehin schon knapp sei.

Vogelbacher sieht an sich die Entwicklung in der Pandemie positiv und die lokale Apotheke würde gestärkt werden. „Der Eindruck von ‚besseren Verkäufern‘ in der Gesellschaft ändert sich und es zeigt, dass wir Experten sind“, sagt sie.

Viele Kunden seien zwar dankbar, aber der derzeitige Ärger über Lieferungsprobleme ist hoch – auf beiden Seiten. „Der Frust sitzt bei uns genauso tief“, beschreibt Vogelbacher. Denn das Ziel der Apotheke, die Patienten gut zu versorgen, sei erschwert.

Experte warnt: Die Zahl der Apotheken sinkt stetig

Für Frank Eickmann, stellvertretender Geschäftsführer des Landesapothekenverbands, ist das Problem der steigenden Apothekenschließungen nicht neu. In den vergangenen 14 Jahren ist die Zahl der Apotheken stetig gesunken, rund 15 Prozent der Apotheken wurden geschlossen. Diese Schließungen seien auch eine zusätzliche Belastung für die anderen, denn nicht nur die Kunden, sondern auch die Notdienste verteilen sich auf die übrigen Apotheken.

Etwa 80 Prozent des Umsatzes einer Apotheke würden durch verschreibungspflichtige Arzneimittel gestellt. „Apotheken gehen Hand in Hand mit Ärzten“, beschreibt Eickmann. So wie am Beispiel der Alemannen-Apotheke Grießen deutlich wird.

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Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten: Bei der Übernahme von Betrieben gebe es oft Probleme mit der Umsetzung von Regelungen wie der Barrierefreiheit und Neueröffnungen seien wirtschaftlich kaum attraktiv, so Eickmann. Auch, weil die Honorierung der Apotheken seit 2014 nicht mehr angehoben worden sei.

Und eine weitere Belastung kommt hinzu: Das GKV-Stabilisierungsgesetz, das im vergangenen Oktober im Bundestag beschlossen wurde, erhöht den Kassenabschlag der Apotheke von 1,77 Euro auf 2 Euro pro verkaufter Packung eines verschreibungspflichtigen Medikaments. Damit verdienen die Apotheken 13 Cent weniger pro Packung.

Apotheker fühlen sich unverstanden

Viele Apotheker fühlen sich von der Politik nicht verstanden. Die Stimmung der deutschen Apotheken schlägt sich nun in einer Kampagne der Apothekergenossenschaft Noweda nieder. „Lass das Licht an, Karl!“ soll Aufmerksamkeit auf die Probleme und die zunehmenden Schließungen der Apotheken lenken.

Laut Noweda schließt alle 27 Stunden eine Apotheke. Am 31. Dezember 2022 war das die Alemannen-Apotheke in Grießen.

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