Eine Welle der Solidarität hat das schwere Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet Anfang Februar ausgelöst. Groß war die Betroffenheit und Hilfsbereitschaft auch am Hochrhein, wo sich etliche spontane Gruppierungen formierten, um Hilfsgüter und Spenden zu sammeln.
Aber was ist daraus geworden – und wie sieht es im Katastrophengebiet im Südosten der Türkei und in Nordsyrien heute aus?
Im Rahmen einer Delegationsreise der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner kürzlich Gelegenheit, sich in der mit am stärksten betroffenen türkischen Provinz Hatay selbst einen Eindruck zu verschaffen.
Sein Fazit im Gespräch mit unserer Zeitung: „Niemals hätte ich mir dieses Ausmaß an Zerstörung, Not und Leid vorstellen können.“ Und doch gebe es auch Anlass zu Zuversicht.
Reise unter anderen Voraussetzungen als geplant
Schreiners Reise in den Süden der Türkei gemeinsam mit der früheren Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der Abgeordneten-Kollegin Serap Güler war ursprünglich als Vortragsreise im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung konzipiert gewesen. Doch das schwere Erdbeben Anfang Februar hatte das Vorhaben verhindert.
Erst zwei Monate nach der Naturkatastrophe gab es Gelegenheit, die Reise in Form einer Delegationsreise nachzuholen. Vieles habe sich in der Zwischenzeit getan, so Schreiners Eindruck. Die akute Nothilfe sei zumindest auf türkischer Seite in eine Form von Trümmerbeseitigung und Bestrebungen zum Wiederaufbau übergegangen.
Noch immer „unvorstellbare Zustände“
Beides seien aber langfristige Ziele, denn noch immer herrschen gerade im Südosten der Türkei „unvorstellbare Zustände“, so Schreiners Eindruck nach der zweitägigen Delegationsreise: „In der Provinz Hatay sind bestimmt 80 Prozent der Gebäude zerstört. Es gibt keine Läden mehr, die hygienischen Bedingungen, unter denen die Menschen leben müssen, sind schlecht.“
Städte glichen Trümmerwüsten, die Infrastruktur sei zusammengebrochen, tausende Menschen hätten noch unter den psychologischen aber auch physischen Folgen des Erdbebens zu leiden. Die Not sei allgegenwärtig.
Hilfe erreicht Notleidende

Umso erfreulicher sei, dass die Hilfe aus aller Welt ankomme. Auch vom Hochrhein waren viele Hilfstransporte ins Katastrophengebiet organisiert worden. Hinzu kommen zehntausende Euro Geldspenden. Häufig gaben in Deutschland lebende Angehörige von Betroffenen den Anstoß. Die Spendenbereitschaft und Anteilnahme der Bevölkerung erwies sich aber unabhängig von Herkunft oder Nationalität als riesig.
Nach anfänglichen Zugangsschwierigkeiten ins Krisengebiet laufe die Unterstützung inzwischen dank der vielen vor Ort tätigen Organisationen sehr reibungslos, so Schreiners Eindruck.
Insbesondere die Malteser und der Rote Halbmond hätten für die Einrichtung verlässliche Strukturen gesorgt. Die Waren würden auf den Märkten in streng limitierten Mengen an die Menschen verteilt. Die Malteser betrieben Suppenküchen, die bis zu 900.000 Menschen allein in der Provinz Hatay versorgten, sagt Schreiner.
Ganz abgesehen davon habe der deutsche Staat massiv finanzielle Hilfe im Erdbebengebiet geleistet, die Schreiner auf etwa 200 Millionen Euro beziffert. Auch die Bundeswehr und das THW sind mit Einsatzkräften vor Ort. Erstere hätten binnen 72 Stunden ein großes Feldlazarett in der Stadt Altınözü, aufgebaut – derzeit die einzige medizinische Anlaufstelle für eine Region mit über 290.000 Einwohnern: „Die 140 Soldaten haben hier eine herausragende Arbeit geleistet und schwerwiegendste medizinische Eingriffe vorgenommen“, erklärt Schreiner. Es sei ihm daher auch persönlich ein Anliegen gewesen, dort vorstellig zu werden und seinen Respekt und Anerkennung zum Ausdruck zu bringen.
Begegnungen mit Einheimischen bewegen

Besonders bewegend seien aber freilich auch die Begegnungen mit den Menschen im Katastrophengebiet gewesen. Dabei habe ihn der Pragmatismus, mit dem gearbeitet werde, sehr beeindruckt, sagt Schreiner.
Es werde ungeachtet von politischen Zuständigkeiten oder Landesgrenzen zwischen Türkei und Syrien sehr direkt an der Behebung der Probleme gearbeitet. Oberste Priorität der Entscheidungsträger vor Ort habe die Beseitigung der Schuttberge, was noch Monate in Anspruch nehmen werde.
Auch der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, vor allem der Wasserversorgung, sei Kernziel der Bemühungen. Vor allem spiele der Seuchenschutz eine groß Rolle.
Und nach der Reise?
„Mir war es wichtig, einen ungefilterten Eindruck von den Zuständen zu erhalten“, sagt Schreiner. Wenn die Reise auch kurz und strapaziös gewesen sei, sei ihm dies gelungen. Seine Eindrücke werde er auch dem Bundestag mitteilen.
Bei der notwendigen Planung und Umsetzung sei wiederum Hilfe aus Deutschland vonnöten. Allein in der Provinz Hatay müssen 180.000 neue, erdbebensichere Häuser gebaut werden.
Zunächst gehe es aber darum, die Zelte, in denen die Menschen in der betroffenen Gegend seit der Katastrophe leben, durch Container zu ersetzen.
Dass er nach wie vor deutschlandweit eine große Hilfsbereitschaft wahrnehme – bei Privatleuten ebenso wie bei Firmen -, sei in diesem Zusammenhang sicherlich von Vorteil.