Seit über vier Jahren ist die Albtalstraße zwischen dem Görwihler Ortsteil Tiefenstein und dem Albbrucker Weiler Hohenfels nun schon gesperrt. Seitdem haben Geologen ausführlich die aus brüchigem Tiefensteiner Granit und Murgtal-Gneis bestehenden Felsbänder untersucht. Der Minister, der Landrat und die Abgeordneten haben die herabgestürzten Felsblöcke besichtigt. Bürger haben mehrmals für die baldige Wiedereröffnung des 2,5 Kilometer langen gesperrten Straßenstücks demonstriert. Umweltschützer formulierten Einwände dagegen. Und die Straße? Die ist derweil verschwunden. Auf den digitalen Karten von Openstreetmap (OSM) klafft eine Lücke, wo einst zwischen Tiefenstein und Hohenfels die L 154 eingezeichnet war.

Kartenmaterial von Openstreetmap wird weltweit täglich genutzt und auch von deutschen Behörden verwendet. Wer sich zum Beispiel auf der Homepage des Landkreises Waldshut über den Stand des Breitbandausbaus informieren will, kann dort eine interaktive Karte anklicken. Auf der löst sich das gesperrte Stück der L 154 in Luft auf, wenn der Nutzer das Albtal heranzoomt. Manche halten dies für den Beweis, dass schon längst beschlossene Sache sei, die Albtalstraße nicht mehr für den Verkehr zu öffnen.

Doch nicht das Landesverkehrsministerium ist verantwortlich dafür, dass auf digitalem Kartenmaterial ein Stück der L 154 fehlt. Auch nicht das Landratsamt Waldshut. Schon gar nicht bedeutet die Lücke im Straßennetz auf den OSM-Karten, dass die Albtalstraße jetzt Geschichte sei. Vielmehr hat schlichtweg ein OSM-Benutzer mit dem kryptischen Kürzel „kfrah“ im Juli 2015 entschieden, den seit zwei Monaten aufgrund der Straßensperrung nicht mehr benutzbaren Straßenabschnitt aus den OSM-Karten herauszunehmen und die Landesstraße als Fußweg zu klassifizieren und darzustellen.

Openstreetmap ist so etwas wie das Wikipedia der digitalen Kartendienste. Millionen von Mappern, zwei Drittel davon aus Europa, arbeiten freiwillig und ehrenamtlich an den Karten mit. Sie erfassen und pflegen Daten zu Wegen, Gebäuden und anderen Geländemarken. Jeder kann bei Openstreetmaps mitarbeiten und die Daten auf den Karten abändern oder ergänzen. Die Informationen sind auf Servern gespeichert, die am University College London betrieben werden und einer gemeinnützigen Stiftung, der 2006 gegründeten Openstreetmap-Foundation, gehören.
Einer der über fünf Millionen OSM-Mapper ist seit 2014 Micha. „Man macht Openstreetmap, wenn man es selbst viel nutzt“, sagt der 50-jährige Physiker, der in Weimar lebt und arbeitet. Als Mapper nennt er sich MichaOSM, seinen Nachnamen will Micha für sich behalten. „Ich bearbeite Openstreetmap nur da, wo ich mich auskenne.“ Seine Freundin habe einige Jahre im Schwarzwald gelebt, deshalb kenne er die Gegend und pflege nicht nur Karten für Weimar und Umgebung oder die Sächsische Schweiz, wo er viel wandere, sondern auch für den Schwarzwald und den Hotzenwald. Und so kommt es, dass Micha daheim an seinem Rechner in Weimar für OSM auch mal Buswartehäuschen in den Schwarzwald setzt oder die Öffnungszeiten eines Museums am Hochrhein verlängert.

Mit ihrem Cursor können OSM-Mapper auch Straßen verbreitern, Flüsse verlegen, Staatsgrenzen verschieben. Kommt es dabei nicht auch zu Fehlern oder bewussten Falschangaben? „Das ist bei uns wie bei Wikipedia: Jede vorgenommene Änderung wird protokolliert, lässt sich dadurch nachvollziehen und gegebenenfalls auch wieder korrigieren“, erklärt Micha. Von Mappern bewusst platzierte Fehler habe er in seinen fünf OSM-Jahren noch nie gesehen. Wie bei Wikipedia gibt es auch bei Openstreetmaps regelmäßige Treffen der Mitarbeiter aus bestimmten Regionen. Seit 2007 gibt es eine jährliche Openstreetmap-Konferenz.

Die OSM-Daten können kostenfrei in Druckerzeugnissen, auf Websites oder auch für Anwendungen wie Navigationssoftware genutzt werden. Einer der Nutzer ist auch das in Frankfurt am Main ansässige deutsche Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG). Nebenkostenpflichtigen Angeboten hat das BKG auch kostenfreie im Programm.
Darunter ist auch eine frei nutzbare weltweite Webkarte, die auf amtlichen aber auch auf freien Datenquellen basiert. „Die Datenquellen sind maßstabsabhängig“, erklärt ein BKG-Mitarbeiter. Für die kleinen Kartenmaßstäbe werden die amtlichen Daten der Landesvermessungsanstalten verwendet. Bei den detaillierten großen Maßstäben kommen OSM-Daten zum Einsatz, falls dem BKG für das betreffende Gebiet von der zuständigen Landesvermessungsanstalt keine kostenlosen Daten zur Verfügung gestellt werden. So erklärt sich, weshalb auf der oben erwähnten interaktiven Breitband-Karte des Landkreises Waldshut die L 154 im Albtal beim Heranzoomen plötzlich verschwindet.
Albtalstraße
Wegen Felssturzgefahr ist die Albtalstraße (L 154) seit dem 26. Mai 2015 zwischen dem Gasthaus Hohenfels und Tiefenstein gesperrt. Der Bau der Straße wurde 1854 vom Badischen Landtag beschlossen. Sie wurde 1859 dem Verkehr übergeben und sollte vor allem St. Blasien mit dem Bahnhalt Albbruck verbinden. Für den Autoverkehr wurden 1924 die zahlreichen in den Fels gehauenen Tunnels erhöht. 1984/85 wurde die Strecke zwischen Tiefenstein und Albbruck saniert und blieb dafür ein Jahr lang gesperrt. Die durch ein FFH-Gebiet führende Albtalstraße ist auch ein wichtiges touristisches Ziel.