Qualmend und hupend donnert die 76 Tonnen schwere Dampflok aus dem Jahre 1919 in den Bahnhof Seebrugg. Mechanische Räder drehen sich, wo man hinsieht zischt heißer Wasserdampf aus den Fugen, eine Rußwolke steigt aus dem riesigen Schornstein empor. Es ist Sonntagnachmittag. Um 16 Uhr fährt die Dreiseenbahn für dieses Wochenende zum letzten Mal. Auch ich und mein Partner wollen uns heute das historische Erlebnis nicht entgehen lassen.

Familien und weitere Paare stehen auf der Bahnsteigkante, machen große Augen, zücken ihre Smartphones und Fotoapparate, posieren vor der imposanten Lok. Bis einer der Schaffner, Dirk Oehmichen (50), zu seiner Trillerpfeife greift und damit das Signal zur Abfahrt gibt.
Wir steigen ein, suchen uns ein Plätzchen in der Holzklasse, der sogenannten "Donnerbüchse". Die Bahn rattert los. Auf der linken Seite funkelt der Schluchsee, die Strecke ist gesäumt von blühenden Lupinen und Wildkräutern.

Schaffner Uwe Lipp (59) gesellt sich zu uns, kramt Pappfahrkarten aus seiner mit Patina besetzten Leder-Umhängetasche und locht sie mit einer schweren metallenen Schaffnerzange. Pro Person kosten Hin- und Rückfahrt 14 Euro. Betreiber der Dreiseenbahn ist der Verein IG Dreiseenbahn.

Jeden Samstag und Sonntag werden die rund 35 aktiven Vereinsmitglieder zu Schaffnern, Zug- und Lokomotivführern, schlüpfen in Kostüme der 1950er Jahre. "Das macht großen Spaß", sagt Uwe Lipp, der eigentlich Rektor einer Realschule in Endingen am Kaiserstuhl ist. "Mit Schaffnermütze, Uniform und Schaffnerzange lasse ich den Alltag hinter mir und fröne meiner Zug- und Technik-Leidenschaft."

Beim nächsten Halt muss Lipp aussteigen. "Hier läuft nichts automatisch", ruft er uns zu und öffnet mit einem Handgriff die schweren Metallgatter, damit neue Passagiere einsteigen können. Ein lauter Pfiff ertönt, und schon rattern wir weiter – an prächtigen Schwarzwaldtannen, grünen Wiesen und dem idyllischen Windgfällweiher entlang.
Zwei Servier-Herren schieben sich mit einem keinen Speisewagen an uns vorbei, wollen kühle Getränke, Snacks und Dreiseehnbahn-Souvenirs verkaufen. Grinsend setzt sich der junge Schaffner Jonathan Wölfle zu uns. Der 18-Jährige aus Mainz verbringt seit drei Jahren jedes Sommerwochenende im Schwarzwald. Seine Augen leuchten, wenn er über historische Eisenbahnen spricht.

"Hier kann man in eine ganz andere Ära eintauchen, eine andere Zeit hautnah erleben", sagt er. Schon als kleiner Bub war sein Kinderzimmer voller Modelleisenbahnen. Seit er alt genug ist, ist er Mitglied bei der IG Dreiseenbahn. "Wir warten die Züge, restaurieren sie originalgetreu und werden an den Wochenenden zu einem Teil dieser faszinierenden Welt", sagt der Abiturient, "diese historische Eisenbahn ist etwas besonderes, weil die Authentizität an erster Stelle steht".

Alle Wagen stammen aus der Zeit zwischen 1928 und 1936, spezielle Details fallen erst im Gespräch mit den Schaffnern auf. "Diese blaue Lampe über uns zum Beispiel", sagt Wölfle und zeigt an die Decke, "das war das Notlicht im Krieg, weil diese Beleuchtung von Fliegern nicht gesehen werden konnte". Bald wird er ein freiwilliges Jahr bei einer historischen Eisenbahn im Hartz antreten. "Danach studiere ich vielleicht Geschichte", sagt er. "Man soll ja machen, was einem Spaß macht und ich bin ein totaler Nostalgiker."

Wir rollen in der Endstation ein. Schaulustige erwarten die dampfende Lok bereits. "Eigentlich ist die Strecke 19,2 Kilometer lang und verbindet Schluchsee, Windgfällweiher und Titisee", sagt Uwe Lipp. "Doch in dieser Saison endet die Fahrt bereits in Feldberg-Bärental." Die Dreiseenbahn wird durch die Bauarbeiten an der Höllentalbahn notgedrungen zur Zweiseenbahn. Erst zur Wintersaison, ab 28. Dezember, fährt die Bahn wieder bis hinab zum Titisee.

"Das ist natürlich besonders im zehnten Geburtstagsjahr ärgerlich", so Uwe Lipp. Feiern will die IG 3-Seenbahn trotzdem, und zwar am Wochenende 18. und 19. August, mit einem historischen Bahnhofsfest am Museumsbahnhof Seebrugg. "Dann kann man das Führerhaus von innen sehen, alle neugierigen Fragen zu Technik, Geschichte und Mechanik stellen", sagt Lipp, "unseren Besuchern den Alltag an einem ländlichen Bahnhof in der guten alten Zeit erlebbar machen". An beiden Tagen wird es von 10 bis 17 Uhr Verlade-, Wartungs- sowie Filmvorführungen, Fahrten und eine Modellbahn- sowie historische Nutzfahrzeugausstellung geben.
Die Serie
Unterwegs sein, die Seele baumeln lassen, etwas erleben: Hochrhein und Südschwarzwald bieten jede Menge Ausflugsziele für die ganze Familie. Der SÜDKURIER hat die Schönsten getestet und war dabei in verschiedenen Elementen und mit unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln unterwegs. Lassen Sie sich inspirieren, für einen Sommerausflug in der Region.
- In der Luft
- Auf Schienen
- Tierische Begleiter
- Unter der Erde
- Auf dem Wasser
- Mit Geschwindigkeit
Historische Eisenbahn-Erlebnisse
- Dreiseenbahn: Zwischen Seebrugg, Windgfällweiher und Feldberg-Bärental an Samstagen und Sonntagen um 10, 13 und 16 Uhr ab Seebrugg, um 11.30, 14.30 und 17 Uhr ab Bärental. Der Sommerfahrplan gilt noch bis 9. September. Im Winter, ab 28.Dezember, fährt die Dreiseenbahn auch wieder Titisee an. Dampfzugpreise: Erwachsene Hin- und Rückfahrt 14 Euro, Kinder ab 5 Euro, Familien 32 Euro. Weitere Infos und Sonderfahrten im Internet (www.3seenbahn.de).
- Sauschwänzlebahn: Museums-Dampfzüge und -Dieselzüge zwischen Blumberg-Zollhaus, Fützen und Weizen, mit Kreiskehrtunnel, täglich außer montags und dienstags, 14.10 Uhr ab Blumberg, 15.40 Uhr ab Weizen, donnerstags bis sonntags zusätzlich um 10.10 Uhr ab Blumberg und ab 11.40 Uhr ab Weizen. Preise: Erwachsene Hin- und Rückfahrt 24 Euro, Kinder 11 Euro, Familien 52 Euro. Weitere Infos und Sonderfahrten im Internet (https://sauschwaenzle-bahn.de).
- Kandertalbahn: Historischer Nebenbahnzug mit Dampflok zwischen Kandern und Haltingen (Landkreis Lörrach), sonntags um 9.10, 13 und 16 Uhr ab Kandern, um 10.15, 14.15 und 17 Uhr ab Haltingen. Der Sommerfahrplan gilt noch bis 21. Oktober. Preise: Erwachsene Hin- und Rückfahrt 12 Euro, Kinder 6 Euro, Familien 27 Euro. Weitere Infos und Sonderfahrten im Internet (www.kandertalbahn.de).
- Schinznacher Baumschulbahn: 60 Zentimeter-Spur-Dampflok-Rundfahrten ab Schinznach-Dorf (Aargau). Samstags halbstündlich zwischen 13 und 17 Uhr, sonntags halbstündlich zwischen 13.30 und 17 Uhr. Dieselzug mittwochs halbstündlich zwischen 13.30 und 16.30 Uhr. Der Fahrplan gilt bis 14. Oktober. Preise: Erwachsene einfach 6 Franken, Tageskarte 12 Franken; Kinder einfach 3 Franken, Tageskarte 6 Franken; Familientageskarte 30 Franken. Infos im Internet (www.schbb.ch).