Herr Uhl, viele kennen Folgendes noch von Prüfungen aus der Schulzeit, Berufsschule oder Uni: Plötzlich hat man einen Blackout. Ist das Gelernte tatsächlich weg?
Nein, das Gelernte ist bei einem Blackout nicht „einfach weg“. Es ist noch im Gedächtnis gespeichert, allerdings kann man das Wissen im Moment des Blackouts nicht mehr abrufen. Der Zugriff wird sozusagen verweigert.
Den Beweis dafür, dass das Wissen noch da ist, haben sicher viele schon selbst erlebt: Die Erfahrung, dass einem nach der Prüfung wenn die Anspannung nicht mehr da ist, plötzlich wieder das einfällt, was scheinbar weg war, machen fast alle während ihrer Schulzeit.
In der Prüfung ist ein Blackout, der längere Zeit anhält dann natürlich trotzdem so, als hätte man alles vergessen. Denn es geht ja gerade darum, in einem bestimmten Moment das Wissen gezielt abzurufen, wenn es in einer Aufgabe abgefragt wird.
Da hilft es einem natürlich leider wenig, wenn man weiß, dass die Information ja noch irgendwo im Gedächtnis gespeichert ist und man sie nur im Moment nicht abrufen kann.

Wie kommt es zu so einem Blackout?
Ein Blackout ist die Folge einer sogenannten Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Diese Reaktion hat sich im Laufe der menschlichen Evolution herausgebildet und machte sehr viel Sinn. Denn sie sicherte den Menschen schon in der Steinzeit das Überleben.
Diese Reaktion diente unseren Vorfahren dazu, auf gefährliche Ereignisse schnell und angemessen zu reagieren. Bei einer Gefahr (beispielsweise dem Angriff eines Bären) konnten sie entweder flüchten oder dagegen kämpfen, um sich zu retten.
Um das zu schaffen, wird bei einer Gefahr blitzschnell das meiste Blut in die Muskulatur von Armen und Beinen gepumpt. Da hier nicht lange nachgedacht werden sollte, sondern bei Gefahr ein schnelles Handeln notwendig ist, wird das Gehirn währenddessen mit weniger Blut versorgt.
Diese Kampf-oder-Flucht-Reaktion haben auch wir als heutige Menschen von unseren Vorfahren geerbt.
Das Problem: Für einige Herausforderungen des modernen Lebens – wie etwa eine Prüfung – ist diese Reaktion nicht mehr geeignet. Denn vor einer Prüfung kann man weder weglaufen noch gegen sie kämpfen.
Wenn die Prüfung allerdings als Gefahr wahrgenommen wird, läuft trotzdem die normale Kamp-oder-Flucht-Reaktion ab. Das Ergebnis: Das Gehirn wird weniger stark durchblutet und der Blackout ist da!
Und wie kann man einen Blackout in einer Prüfung verhindern?
Die Gefahr eines Blackouts kann man zum Glück entschärfen. Das funktioniert auf mehreren Wegen.
Sehr wichtig ist eine gezielte und strukturierte Prüfungsvorbereitung mit genügend Zeit zum Lernen. Lernen „auf den letzten Drücker“ führt nämlich schon vor der eigentlichen Prüfung dazu, dass das Gehirn den Lernstoff mit Stress verknüpft. So wird das negative Gefühl der Zeitnot mit dem verbunden, was später auch in der Prüfung abgefragt wird. Das unschöne Ergebnis: Sobald man die Prüfungsaufgaben vor sich sieht, wird man nervös und die Gefahr eines Blackouts steigt.
Hier sollte man zusätzlich einen Lernplan benutzen, auf dem man alles, was man in der Prüfungsvorbereitung macht, aufschreibt und abhakt. Diesen Lernplan nimmt man dann am Prüfungstag mit. Wenn einen dann vor der Prüfung das Gefühl beschleicht, dass man nicht genug weiß oder zu wenig gelernt hat, wirft man einfach einen Blick auf den Lernplan. Hier steht dann Schwarz auf Weiß, was man alles gelernt hat. Das kann in den letzten Minuten vor der Prüfung eine sehr wichtige Stütze sein um sich selbst zu beruhigen.
Das dritte Mittel gegen Blackouts mag zunächst verwundern: Die Lösung hier ist nämlich zu akzeptieren, dass ein Blackout durchaus vorkommen kann und sich gedanklich schon im Voraus damit zu beschäftigen. Indem wir über den Blackout nachdenken, nehmen wir ihm nämlich schon einen Großteil des Schreckens.
Bei genauerer Betrachtung fällt nämlich auf: Ein Blackout ist nicht so schlimm, wie man zunächst denkt. Denn wenn man kurz innehält, wenn einem nichts einfällt, die Augen schließt oder etwas trinkt, kommt das Wissen meistens wieder zurück. Der Blackout wird erst dann gefährlich für den Prüfungserfolg, wenn man in Panik gerät, sobald man eine Aufgabe nicht lösen kann. Denn nur dadurch kommt es dann zu einer Gedächtnisblockade und man kann auch den Rest der Prüfung nicht mehr lösen.
Wenn man allerdings ruhig bleibt und sich nicht hineinsteigert, kommt man bei einem kurzen Blackout meist mit einem blauen Auge davon.
Zur Person
Tobias Uhl ist 33 Jahre alt und wohnt in Rickenbach. Nach dem Abitur am Klettgau-Gymnasium Tiengen studierte er Psycholigie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau. 2013 gründete er seine eigene Firma "Silva Nigra", in der er psychologische Beratung, Coaching und Training anbietet. Schwerpunkte sind die Themen Lernen, Prüfungen und Selbstvertrauen.