Heidrun Glaser

Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mannheim können sechs Familien in Klettgau erst mal aufatmen: ihre Kinder dürfen laut des aktuellem Urteil weiterhin die fünfte Klasse an der Alemannenschule in Wutöschingen besuchen. Doch das Kultusministerium behält sich eine erneute richterliche Klärung des Sachverhaltes vor.

Die Ausgangssituation liegt fast ein Jahr zurück. Sieben Grundschüler aus der Gemeinde Klettgau entscheiden sich zusammen mit ihren Eltern, nach der vierten Klasse die Gemeinschaftsschule zu besuchen. Sie wollen aber nicht in der örtlichen Gemeinschaftsschule in Erzingen aufgenommen werden, sondern melden sich in der benachbarten Gemeinschaftsschule in Wutöschingen an. Bedingt durch den großen Lehrermangel im Land Baden-Württemberg, wollte das Schulamt eine bewusste Schülerlenkung vornehmen und ordnete den Eltern aus Klettgau an, ihre Kinder in der Klettgauer Gemeinschaftsschule anzumelden.

Damit waren die sechs Familien aber nicht einverstanden, sie hatten gute Gründe für ihre Schulwahl und beriefen sich mit Hilfe eines Anwalts auf das Recht der freien Schulwahl. „Ein sehr wichtiger Grund ist der musische Zug der Alemannenschule, hier können die Schüler ab der Klassenstufe acht das Profilfach Musik belegen, in Klettgau ist dies nicht möglich“, erklärt Katrin Stumpp aus Grießen die Entscheidung. „Nachdem wir während den Sommerferien einen Brief von der Erzinger Schulleitung bekamen, in dem zu lesen war, dass unsere Kinder dort angemeldet seien, beschlossen wir gemeinsam vor Gericht zu gehen“, erzählt Angela Karasac aus Geißlingen.

Das Verwaltungsgericht in Freiburg gab den Eltern Recht, das Schulamt wollte diese Entscheidung jedoch nicht hinnehmen, denn durch die Schülerlenkung wäre es möglich gewesen, eine Schulklasse komplett einzusparen. In Erzingen hätte die einzige fünfte Klasse dann nämlich 23 Kinder gehabt und in Wutöschingen gäbe es folglich nur drei Klassen mit je 28 Kindern. Das Kultusministerium mit Susanne Eisenmann an der Spitze klagte gegen die Entscheidung aus Freiburg beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim und unterlag. Das Mannheimer Gericht bestätigte das Recht und den Wunsch der Eltern sowie der Kinder nach freier Schulwahl.

Einen musischen Zug gibt es an der Gemeinschaftsschule Klettgau nicht und nur weil die Gründe des Kultusministeriums darin liegen, die dahindarbende benachbarte Gemeinschaftsschule in Erzingen zu füllen – daher sehen die Richter in Mannheim keinen Grund, die Kinder dahin umzulenken. In Wutöschingen sei auch nicht von Überfüllung zu sprechen, zumal dort die Schüler nicht in Klassen, sondern in kleinen Lerngruppen nach einem neuen pädagogischem Konzept unterrichtet würden, so das Gericht in seiner Begründung weiter.

"Uns steht die frei Schulwahl zu"

Stefanie Risch aus Grießen ist eine der Klägerinnen, welche die Entsendung ihrer Kinder auf die Alemannenschule vor Gerichten in Freiburg und Mannheim erstritten haben. Im Gespräch äußert sie sich zu den Hintergründen.

Frau Risch, beide Schulen in Wutöschingen und Klettgau unterrichten nach dem Gemeinschaftsschulkonzept und erklären, miteinander zu kooperieren. Warum wollen Sie dennoch unbedingt, dass ihr Sohn in der Alemannenschule unterrichtet wird?

Schon allein bei der Vorstellung der Schulen bei der Info-Vier-Veranstaltung konnte uns die GMS Klettgau nicht begeistern. Außerdem gibt es dort das Sportprofil und nicht das musische Profil wie in Wutöschingen, das auch ab Klasse fünf eine Bläserklasse bietet. Unser Sohn hat sich die beiden Schulen angeschaut und wollte zur Alemannenschule; er hat sich dort angenommen und absolut wohl gefühlt. Der allgemeine Umgangston der beiden Schulen kann nicht miteinander verglichen werden. Die Art und Weise, wie unsere Kinder in Wutöschingen behandelt werden, wie sich die Lehrer kümmern und bemühen, ist absolut vorbildlich. Dort steht das Wohl der Kinder an erster Stelle.

Nun haben die Eltern bereits bei zwei Gerichtsurteilen Recht bekommen, das Land gibt aber immer noch nicht nach und behält sich eine weitere Klärung vor. Welche psychischen Belastungen sind das für sie und die Kinder?

Als wir den Brief bekamen, dass unser Sohn nach Erzingen soll, waren wir total geschockt. Wir haben uns aber nicht einschüchtern lassen und uns mit den anderen Eltern solidarisiert. Nun haben wir zweimal Recht bekommen, weil uns die freie Schulwahl auch zusteht, zumal die Schulen unterschiedliche Profilfächer anbieten und uns keiner zwingen kann, das Kind in ein Profil zu zwingen, das ihm auch aus gesundheitlichen Gründen gar nicht zugemutet werden kann. Wir sind weiterhin guter Dinge, dass auch das Kultusministerium einsieht, dass die Kinder in Wutöschingen einfach viel besser aufgehoben sind, denn an dieser Schule wird mit Herz und Verstand unterrichtet und es geht nicht nur darum, die Schule irgendwie mit Schülern zu füllen, es geht um das Wohl der Kinder.

Fragen: Heidrun Glaser

  • Klassengrößen: Zum Schuljahresbeginn wurden in Wutöschingen 91 Schüler für die fünfte Klassenstufe angemeldet, was bedeutete, dass vier fünfte Klassen (eine mit 22 Schülern und drei mit 23 Schülern) gebildet wurden. Für die fünfte Klasse in der Klettgauer Gemeinschaftsschule wurden hingegen nur 16 Schüler angemeldet. Dies ist nach Ansicht des Kultusministeriums zur stabilen Zukunftssicherung der Schule nicht ausreichend.
  • Lernkonzepte: Die Alemannenschule Wutöschingen und die Gemeinschaftsschule Klettgau unterrichten nach dem gleichen pädagogischen Konzept. Um dieses Konzept jedoch in gemischten Lerngruppen zu praktizieren, ist eine Mehrzügigkeit in allen Jahrgangsstufen notwendig. Die Alemannenschule bietet ab der achten Klassenstufe das Profilfach Musik und bereits ab der fünften Klassenstufe die Teilnahme in der Bläserklasse an; die Gemeinschaftsschule Klettgau hat sich für die Profilausrichtung Sport und Natur entschieden. Dort gibt es die Weinbau-AG.
  • Schülerlenkung: Die Schülerlenkung ist laut Susanne Eisenmann vom Kultusministerium in Stuttgart eine zentrale Säule der Bedarfsplanung innerhalb einer Region. Das Verwaltungsgericht sieht die Alemannenschule nicht überfüllt und erkennt die unterschiedliche Profilfachausrichtung als Entscheidungsgrundlage der Eltern an.