Der orangeweiße Fallschirm liegt schon auf der Wiese. Die Kinder bilden einen Kreis und machen daraus eine Art Trampolin für einen Spielball. Die Gaudi ist riesig. Nachher gehen sie auf Spurensuche in den Wald. Und dann gibt es selbstgebackene Waffeln. Jacqueline, eine der Mütter, hat Teig vorbeigebracht.

Immer wieder freitags um 15 Uhr treffen sich die Powerkids. Sie kommen für zwei Stunden zumeist in die Herrischrieder Rotmoos-Sporthalle. Darunter Kim aus Rickenbach, Marie aus Schwarzenbach und Malin aus der Nachbarschaft. Einige der Kinder sind keine drei Jahre alt, andere schon sieben und älter.
Sie lernen beim Konditor Teilchen backen, fahren mit dem Bus zum Kletterbaum, proben für den Gesangsauftritt im Altersheim und übernachten auch schon mal in Holzfässern. Sie lernen frei reden, gemeinsam performen und die Schüchternheit wie einen Luftballon wegschweben lassen. Und das Beste am Tanzen, Forschen und Basteln: Es ist ganz egal, ob sie noch im Kindergarten sind oder schon in der Schule. Denn keiner hat das Handy dabei.
Die Idee entstand nach einem Reitunfall
Hinter dem Projekt steht Holger Speidel (47), ein medizinischer Fachfußpfleger mit eigener Praxis in Herrischried und einem Job in der Kurklinik in Rickenbach. Eigentlich hätte er genug zu tun.
Doch 2018 startete er die Happy Power Kids, ein bundesweit einzigartiges Projekt. Für das, was er da de facto ehrenamtlich macht, gibt es nicht einmal eine Berufsbezeichnung. Er verdient kaum einen Cent daran und zahlt sogar die Versicherung für die Kids in der Sporthalle. Die Kinder sind begeistert, die Eltern voll des Lobs, und zum Glück spenden sie auch schon mal Geld. Sonst hätte Speidel den Ausflugsbus niemals bezahlen können.

Warum macht der Mann das? Weil er früher als Zivildienstleistender am Bodensee krebskranke Kinder betreute? Weil der einstige Pferdetransporteur Vater von zwei Töchtern ist? Weil er 2017 nach einem schweren Reitunfall innerhalb von drei Jahren 20 mal am Bein operiert wurde?
„Da hatte ich genug Zeit, über mein Leben nachzudenken. Über meine Ehe. Und über den Sinn des Lebens.“
Eine 13-Jährige in leitender Funktion
Den Sinn sieht er darin, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken, jenseits von Schulaufgaben, Musiknoten und Computerspielen. 2018, ein Jahr nach dem Unfall, setzte er seine Idee um. Auf Krücken.
Daran erinnert sich auch noch Malin (13), die sagt: „Der Holger kann einfach mit Kindern. Weißt Du, da war mal die Elina, mega schüchtern, und plötzlich stand die immer in der ersten Reihe.“ Auch Marie (10) liebt das ungewöhnliche Freizeitangebot und strahlt: „Der Holger, der rockt voll ab.“

Seit kurzem haben Malin und ihre gleichaltrigen Freundinnen eine neue Aufgabe. Speidel lässt sie Ausflüge und Bastelspiele für die kleineren Powerkids organisieren und gestalten, er hält sich dezent im Hintergrund. Malin zeigt Verantwortung im Umgang mit den Jüngeren. Sie wirkt dabei super seriös. Und sie weiß auch schon, was sie einmal wird: Erzieherin.

Die zwei Stunden sind im Flug vergangen. Und zum Schluss ruft Holger noch Jacqueline an, die den Teig gebracht hat.
Er wählt die Nummer, wartet kurz und sagt mit ruhiger Stimme in die Runde: „Haben Euch die Waffeln geschmeckt?“ Die Powerkids springen auf, reißen die Arme in die Luft und brüllen: „Jaaaaa!“