Nora Bretschneider und Hacko Timm machen das, was sonst eigentlich nur in Filmen und Büchern passiert – sie lassen alles hinter sich und starten in das größte Abenteuer ihres Lebens. Ab Mitte März wollen sie für drei bis vier Jahre durch die Meere der Welt schippern, fremde Länder und Menschen kennenlernen, einfach frei sein. Alles begann vor drei Jahren, als sich das Paar Hals über Kopf verliebte – in Amourai 4.
Amourai 4 ist ein Segelschiff – genauer gesagt eine Ovni 35 der Firma Alubat. Ein Aluschiff also, doch nicht irgendeines. Für seinen vorherigen Besitzer war das Schiff alles. Er verbrachte einen Großteil seines Lebens darauf, fuhr mit seiner Familie durch das Mittelmeer und, als das aus Altersgründen nicht mehr ging, durch den Neuenburgersee in der Schweiz. Dort lag das Schiff, bis sein Besitzer starb und dessen Frau es im Jahr 2014 im Internet zum Verkauf anbot.
Zu diesem Zeitpunkt lebten Bretschneider (38) und Timm (58) in Winterthur, sie ging ihrem Beruf als Augenoptikerin nach, er leitete das Servicecenter eines Kundendienstes. Doch das Abenteuer steckte den beiden schon damals im Blut. Nachdem sie sich 2001 bei einem Tauchkurs in ihrer ehemaligen Heimat Bielefeld kennengelernt hatten, verbrachten sie viele Urlaube im Wohnmobil und bauten gemeinsam einen alten VW-Bus um. Timm besaß zu diesem Zeitpunkt zwar einen Segelschein, war seit der Prüfung aber nicht mehr oft gesegelt. Irgendwann jedoch, das war den beiden klar, wollten sie gemeinsam von der Straße aufs Wasser wechseln. Und wie so oft, kam „irgendwann“ schneller als gedacht. Im Internet entdeckten sie Amourai 4 und verliebten sich in das Boot und seine Geschichte.
Kaum war das elf Meter lange und knapp vier Meter breite Schiff ihr Eigen, machten sich die beiden an die Arbeit. „Eigentlich wollten wir gar nicht so viel machen, schlussendlich haben wir dann doch fast aller erneuert“, erinnert sich Timm. Elektronik, Möbel, Wände und Böden – alles in Weiß – Außenfarbe und Lack. Als gelernter Elektriker hatte er gute Voraussetzungen für diese Arbeiten, und was die beiden nicht konnten, lernten sie einfach. „Hacko hat sich zum Beispiel selbst beigebracht, wie man Aluminium schweißt“, erzählt Bretschneider stolz. Insgesamt investierten die beiden rund 160 000 Euro in Kauf und Umbau des Schiffes – dafür verkauften sie auch ihren Wohnwagen und den VW-Bus.
Vor ein paar Wochen verlegten die beiden das Schiff dann in den Hafen des Yacht-Clubs Hörnle. Die angehenden Weltreisenden hatten von der Gastfreundschaft dort gehört und wurden nicht enttäuscht. „Die Leute hier sind wirklich sehr hilfsbereit und zuvorkommend“, sagt Timm. Eines aber fehlt noch, und das ist den beiden ganz wichtig: Der Name ihres Schiffes. Denn auch, wenn manch’ abergläubischer Seefahrer meint, dass es Unglück bringe, ein Schiff umzubenennen, haben sich Timm und Bretschneider dafür entschieden. „Der vorherige Name passte einfach nicht zu uns, und da wir das Schiff ja so gut wie komplett erneuert haben, soll es nun auch einen neuen Namen erhalten“, sagt Bretschneider. Und der könnte kaum besser passen: Anixi ist griechisch und heißt Frühling. Für die beiden steht dieser Name für den Neuanfang, den sie mit ihrem Schiff wagen: Sie haben ihre Jobs gekündigt, die Schlüssel für ihre Wohnung abgegeben und starten – im Frühling – ihre große Reise. Am heutigen Freitag wird Anixi im Kreis von Familie und Freunden offiziell umbenannt, und auch am Samstag haben die Abenteurer etwas ganz Besonderes vor: Nach 16 Jahren geben sie sich das Ja-Wort.
Der Name passt noch aus einem anderen Grund perfekt zu dem Paar, denn Griechenland ist ihr Lieblingsland. Dort möchten sie überwintern. Davor geht es erst einmal nach Holland, Schottland, England, Spanien, Portugal, dann kommt Griechenland. Weiter geht es über den Atlantik in die Karibik, über die Südsee nach Australien, Neuseeland, Südamerika und wieder nach Europa. So zumindest ist der Plan, doch die Beiden sind offen für alles; auch dafür, dass es nicht klappen könnte. Finanziell dürfte es keine Probleme geben, denn die zwei haben gespart und sollten mit einem Budget von rund 2000 Euro im Monat drei bis vier Jahre durchkommen, so ihre Rechnung. Doch jahrelang auf engstem Raum immer zusammen zu sein – das haben auch sie noch nie erlebt. „Wir sind so ehrlich und offen, dass wir auch wissen, dass es vielleicht nicht klappt“, sagt Bretschneider. Timm ist sich aber sicher, dass das nicht passieren wird.
Verfolgen Sie die Reise der beiden auf ihrem Blog oder auf Facebook; www.refittotravel.de