Susanne Eschbachsaeckingen.redaktion@suedkurier.de

Die Neugeborenen auch im Wochenbett immer bei der Mutter, die Väter im Kreißsaal und die Einbeziehung der Väter in das Geschehen von Schwangerschaft, Geburt und Entwicklung der Kinder – „Wir wollten die Geburtshilfe verändern“. Mit diesem Vorsatz kamen 1981 die beiden Privatdozenten Dietmar Richter und Heiko Steiner von der Freiburger Uniklinik nach Bad Säckingen und arbeiteten im Team als Chefärzte der Gynäkologie mit großem Erfolg.

Während in anderen Kliniken rund 400 Kinder pro Jahr geboren worden sind, waren es im damaligen Kreiskrankenhaus Bad Säckingen bald mehr als 700 Kinder. Am Sonntag, 5. Februar, feiert der Professor für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dietmar Richter seinen 80. Geburtstag und blickt zufrieden auf eines seiner Lebenswerke zurück.

Verdienste um die Sexualmedizin

Für sein zweites Lebenswerk ist der renommierte Professor immer noch in seiner Freiburger Praxis als Therapeut für Sexual-, sowie Paar- und Familientherapie tätig. Erst vor drei Monaten ist er im Rahmen des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft in Dresden für seine Verdienste um die Sexualmedizin zum Senior Professional ernannt worden.

„Die 15 gemeinsamen Jahre mit Professor Heiko Steiner in Bad Säckingen waren meine beruflich glücklichsten Jahre“, erinnert sich Richter gerne. Die Professoren waren menschlich und fachlich auf einer Linie und haben in der Geburtshilfe viel bewegt.

Statt die Neugeborenen in gesonderten Zimmern unterzubringen und sie jeden Tag für 20 Minuten an die Mütter zu verteilen, hatten die Mütter ihre Kinder den ganzen Tag im Zimmer.

Dort durften sie ihre Kinder nicht nur füttern und wickeln, sondern die Kinderschwestern lernten sie auch beim Baden ein und standen mit Rat an ihrer Seite. „Anfangs sind wir mit dieser Methode auf heftige Widerstände bei einem Teil der Kinderschwestern gestoßen“, so Richter. Aus den „Wickelschwestern“ wurden Pädagoginnen für die Mutter-Kind-Beziehung.

„Früher sind die Väter in der Kneipe gesessen und haben auf den Anruf von der Hebamme gewartet“, sagt Richter. Ziel war es, dass die Väter in die Schwangerschaft eingebunden sind und die Frau in den Kreißsaal begleiten. Dazu organisierten die Professoren Geburtsvorbereitungskurse. An acht Abenden wurden Themen zu Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillen und zur gesunden Entwicklung des Menschen bis zur Pubertät behandelt.

„Die ersten drei Jahre sind immens wichtig für die Bindung der Eltern zum Kind und prägen es ein Leben lang“, so Richter. An einem Kursabend wurde der Kreißsaal besucht und die werdenden Eltern durften Fragen stellen.

Auch im Kreißsaal gab es Veränderungen

Statt ausschließlich im Kreißbett zu liegen, durften sich die Frauen bewegen und im Stehen, Sitzen, Hocken oder im Vierfüßlerstand gebären, die Möglichkeit zur Geburt im Wasser kam später. „Die reine Liegendposition bei der Geburt ist etwa so wenig sinnvoll wie ein Kopfstand“, waren sich die Professoren einig. Ein Einschnitt erhielt das Lebenswerk, als Heiko Steiner 1996 starb. Kurz darauf verließ Dietmar Richter das Bad Säckinger Kreiskrankenhaus und arbeitete als Geburtshelfer und Operateur in Rheinfelden und am Diakoniekrankenhaus in Freiburg, behielt aber seine Arbeit in der Praxis in der Oberen Flüh bis 2021 bei.

1982 bis 1985 absolvierte er eine Ausbildung im Institut für Paar- und Familientherapie sowie Sexualtherapie in Zürich. Er betreibt eine Praxis in Freiburg und ist von der Ärztekammer beauftragt, in Baden-Württemberg die Ausbildung in der Sexualmedizin in Inhalt und Didaktik zu organisieren. Zahlreiche Fachbücher zu Gynäkologie, Geburtshilfe, Psychosomatischer Medizin und Sexualmedizin hat er veröffentlicht. Er ist Gründungsmitglied und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe.