Eine Verdi-Oper ohne großes Orchester, ohne Chor, ohne Statisten, stattdessen reduziertes Personal: Nur die drei Hauptpersonen und eine siebenköpfige Band sind bei „La Traviata“ im Gloria-Theater zu erleben. Die Produktion bietet eine Synthese aus Musik und Lesung. Dirigent und Ensembleleiter Franz Garlik, der diese Kammerfassung erstellt hat, wechselt vom Dirigier- zum Lesepult und begleitet Kapitel um Kapitel aus Alexandre Dumas‘ Roman „Die Kameliendame“ den Verlauf des Musikdramas. Nicht schlecht, dass man die Handlung der italienisch gesungenen Oper einmal in der originalen Romanvorlage hört. „La Traviata“ ist auch eine Art musikalischer Roman. Da ist der Erzählrahmen willkommen. In seiner szenischen Dramaturgie konzentriert sich Garlik auf das Gefühlsleben der Hauptfiguren. Die Tragödie ist auf die Frau, die Edelkurtisane Violetta, und ihre Entwicklung von der glamourösen Halbweltdame hin zur leidenden Liebenden ausgerichtet.
Man erlebt, wie aufregend, wie hautnah, wie ehrlich Oper sein kann. Ein lyrisch-elegischer Ton herrscht vor, weil die Außenwelt fehlt: die Hintergrundmusik aus dem Ballsaal, die Gesellschaft, das Karnevalstreiben, Pauken und Trompeten. Dafür fokussiert diese Kammeroper auf die Stimmen und das Schauspiel. Das geht nur bei einer hervorragenden Besetzung wie dieser. Sopranistin Lauren Francis verkörpert als Violetta ein individuelles Frauenschicksal mit ihrem dramatischen Sopran, der üppigen Stimme und ihrem Instinkt für melodramatische Töne. Triumphal ihr koloraturenverziertes „Sempre libera“, ihr Singen berührt. Die Abschiedsarie „Addio del passato“ bewegt und geht zu Herzen. An ihrer Seite der alte Germont, ein Moralprediger, und sein Sohn Alfredo, der junge Verehrer und spätere Liebhaber. Die beiden Rollen waren mit Lemuel Cuento (Sohn) und Daniel Fiolka (Vater) stimmlich respektabel besetzt. Allerdings hätte der Liebhaber etwas jünger sein dürfen, denn man fragte sich: Wer ist hier der Vater, wer der Sohn?
Es war also eine Version, die den Blick auf die Parlando-Passagen und den ariosen Gesang lenkte. Das ätherische Klanggewand der Violinen in den Vorspielen und die Romanauszüge verdichteten noch das verinnerlichte kammermusikalische Psychogramm.