Als die Vernissage der neuen städtischen Ausstellung in der Villa Berberich begann, hörte der Regen auf, die Sonne kam zum Vorschein, und ein Regenbogen zeigte sich, so ungemein intensiv und schön, wie man ihn selten sieht. „Das hat mich sehr berührt“, sagte Nurhan Sidal. Und dieser Regenbogen war auch irgendwie symbolisch für die Ausstellung, in der es um Philosophisches, Politisches, Lyrisches und den Farbenkreis geht.

Die Künstlerin mit türkischen Wurzeln beschäftigt sich mit den Kernthemen Unterdrückung, Krieg, Flucht und Freiheit. Ob es sich um ein Bild handelt wie „Sie wollten nach Europa, ihr letztes Hemd war das Meer“, die „Angstgesellschaft“, die „Kinder im Krieg“ oder die „Letzten Bilder zur Heimat“ – stets ist die Sidals Malerei ein Symbol der Gedankenfreiheit.

Es sind Menschenlandschaften, die man in den Räumen des Kulturhauses sieht, aber auch spannende Objektcollagen und eine auffallende Lichtinstallation. Die in dem kleinen Ausstellungsraum stehende eindrucksvolle Bleistiftskulptur, deren Spitzen beleuchtet sind, nimmt Bezug auf das Attentat auf die Pariser Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. „Ich bin ein Freigeist“, sagt Nurhan Sidal von sich. Und dieser Freiheitswille schlägt sich in ihrer ersten Bad Säckinger Einzelausstellung nieder.

Bezeichnenderweise heißt die umfangreiche Werkschau „Auf der Suche nach Freiheit“. In einer aufrüttelnden Installation liegen Handys in einem Aquarium auf dem Boden: ein Symbol für das Schicksal der Bootsflüchtlinge. Die Bilder sind durchwegs politisch, sprechen von Widerstand gegen die Gewalt, setzen sich für Meinungs- und Pressefreiheit ein, sind aber auch spirituell und teils sehr persönlich.

Eine ganze Bilderreihe ist inspiriert von Gedichten des türkischen Dichters Nazim Hikmet, dessen Wortbilder Sidal in visuelle Bilder übersetzt. Überhaupt erzählt sie lauter Geschichten in ihren Arbeiten. Auch Geschichten aus ihrem eigenen Leben, worauf die gemalten Blutbilder hinweisen, die auf eigene Körperlichkeit und Verletzlichkeit hindeuten.

Auf großformatigen, neoexpressionistischen Bildwelten hinterlässt die Malerin ihre DNA als Blutspuren aus Eigenblut, kombiniert mit Transfusionsbeuteln. Das macht den Betrachter zuerst mal sprachlos, aber es ist diese Sprachlosigkeit, die Sidal in ihren Werken thematisiert – auch als Kunst als Befreiung.

Eine Verbindung von Orient und Okzident (Kulturreferentin Christine Stanzel) findet sich in einem Wahrheitsobjekt nach einer Erzählung des persischen Dichters Rumi. Das riesige Triptychon „Leben ist Sterben – Sterben ist Leben“ handelt von der Freiheit anhand der Allegorie eines Papageis im Käfig. Man kann, wie Stanzel, von dieser Schau „gerührt sein“, von diesem Spiegelbild des Lebens, den zeitlosen Bildern, oder wie Tonio Paßlick in seiner ausführlichen Einführung, davon reden, dass die Malerin vom Freiheitswillen getrieben wird, deutlich in ihrer politischen Aussage ist und unterschiedliche Kulturen in ihrem Denken und Fühlen trägt. Der Betrachter ist aufgefordert, selber eine Inhaltsdeutung zu machen bei diesen Werken der, wie sie schon genannt wurde, „Frida Kahlo des Bosporus“.

Die Begleitmusik führten mit teils orientalischen Klängen von Frank Mehlin und Nigel Crowson an Obertonflöte, keltischer Harfe, Gitarren, Ocean Drum und experimentellen Eigenkompositionen in diese andere Welt. Musik und Bilder hatten hier gleichermaßen einen starken Sog.

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