Der Anschlag auf ein Flüchtlingsheim in Villingen ruft überall Entsetzen hervor. Politiker und Flüchtlingshelfer äußerten gegenüber dem SÜDKURIER gestern in aller Deutlichkeit ihre Abscheu vor dieser Tat. Sie waren sich einig, dass sich alle Demokraten jetzt klar positionieren müssen.
Am frühen Morgen des gestrigen Freitags hatten Unbekannte eine Handgranate auf das Gelände eines mit 170 Menschen besetzten Flüchtlingsheimes in Villingen-Schwenningen geworfen. Der Splint, mit dem solche Sprengkörper gesichert werden, war gezogen, die Granate explodierte aus bisher noch ungeklärten Gründen jedoch nicht. Sicherheitskräfte entdeckten die Granate, Sprengstoffexperten der Polizei brachten sie kontrolliert zur Explosion. Nach dieser Tat haben nicht nur Flüchtlinge Angst. Auch Helfer sowie Securitiy-Personal stellen Fragen nach der eigenen Gefährdung durch solche Verbrechen.
Alexander Guhl, Bürgermeister der Stadt mit den meisten Flüchtlingen im Landkreis Waldshut, sprach von einem „feigen Mordanschlag“. „Wenn jemand eine entsicherte Handgranate wirft, kann ich darin nichts anderes erkennen als einen Mordversuch“, sagte er. Nachdem vielfach von einer politisch motivierten Tat ausgegangen wird, hofft Guhl, dass der Staatsschutz diesem „unglaublichen Verbrechen“ energisch nachgeht und schnell aufklärt. Für „diese Barbaren und miesen Verbrecher“ erhofft sich Guhl drakonische Strafen. In Bad Säckingen sei die Situation ruhig, sagte Guhl.
Er oder die Stadtverwaltung hätten bislang keinerlei Drohungen erhalten.
Frank van Veen, Vorsitzender des Bad Säckinger Helferkreises Refugees Integrated, reagiert auf die Vorfälle energisch: „Der Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Villingen mit einer Handgranate kann nur als abscheulich bezeichnet werden.“ Nach seinem Dafürhalten komme ein solches Attentat auf eine Einrichtung für Flüchtlinge jedoch nicht aus dem luftleeren Raum: „Es ist das Ergebnis der Hetze der geistigen Brandstifter vom rechten Rand des politischen Spektrums, wobei dieses Rechts bald nach der Mitte beginnt.“ Gegen die Verantwortlichen gelte es, konsequent vorzugehen: „Wehret den Anfängen!“
Michael Thater, Bürgermeister der Stadt Wehr, sieht durch den Vorfall in Villingen-Schwenningen eine rote Linie überschritten: „Hier geht es um die Grundfesten unseres staatlichen Gemeinwesens. Das kann gesellschaftlich nur geächtet werden.“ An dem Grundgedanken, dass verfolgte Menschen, die aus lebensbedrohlichen Situationen geflohen sind, in Deutschland Schutz erhalten, dürfe keinesfalls gerüttelt werden. Wie in den anderen Flüchtlingsunterkünften des Kreises gebe es in Wehr eine Security, die einen sehr engen Draht zur Polizei habe. Er selbst habe noch keinerlei Drohungen erhalten. „In Wehr sagt man seine Meinung, aber man sagt sie mit offenem Visier“, so Thater.
Ulrich Krieger, Bürgermeister der Stadt Laufenburg, zeigt sich entsetzt: „Solch eine Tat ist durch nichts zu rechtfertigen!“ In Laufenburg, wo derzeit 45 Flüchtlinge in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind, sieht er keine Anzeichen für mögliche fremdenfeindliche Aktionen. „In unserer Stadt nehme ich keine Ressentiments wahr. Ich habe das Gefühl, dass auch durch den Asylhelferkreis die Flüchtlinge hier gut aufgehoben sind.“
Antje Maurer, Koordinatorin des Helferkreises in Laufenburg: „Es ist schrecklich, was in Villingen geschehen ist, aber ich habe keine Ängste, dass bei uns so etwas passiert. Bisher gab es keine Anzeichen für Fremdenfeindlichkeit bei uns, auch wenn man natürlich nie ganz sicher sein kann. Auch die Flüchtlinge haben uns gegenüber keine Ängste vor Anschlägen geäußert. In Gesprächen mit ihnen wurde deutlich, dass sie sich in Laufenburg sicher fühlen. Nach dem Vorfall in Köln wurden wir von ihnen auch darauf angesprochen. Sie haben ihr Bedauern geäußert und sich dafür geschämt.“
Adrian Schmidle, Bürgermeister der Gemeinde Murg, in dessen Gemeinde eine Mehrzweckhalle als Notunterkunft mit mehr als 70 Flüchtlingen belegt ist, zeigt sich erschüttert über die Tat im Landkreis Schwarzwald-Baar: „Unvorstellbar so etwas, wirklich unvorstellbar! Wie verbohrt muss jemand sein, dass er eine Handgranate auf Menschen wirft.“ Der Bürgermeister ist beunruhigt über die Verrohung des Tons, in dem vor allem im Internet über die Flüchtlinge gesprochen wird.
Dietmar Zäpernick, Bürgermeister von Rickenbach, verurteilt den Anschlag mit deutlichen Worten: „Das ist versuchter Mord, ein großes Verbrechen. Die Kaltblütigkeit, die hinter solch einem Vorhaben steckt, ist erschreckend.“ Selbst wenn die Handgranate nicht explodiert ist, sei offenkundig, dass der oder die Täter mit viel krimineller Energie am Werk gewesen seien: „Die Verantwortlichen mussten ja immerhin zuerst eine Handgranate besorgen, was an sich schon ein Verbrechen ist.“ Die Lehre müsse sein, besonders auf Sicherheit zu achten. Für Rickenbach könne er sich eine solche Tat nur schwer vorstellen: „Es gibt zwar kritische Stimmen, aber keine aggressive Fremdenfeindlichkeit.“ Das sei insbesondere dem großen ehrenamtlichen Engagement in Rickenbach zu verdanken.
Martin Kistler, Landrat Waldshut: „Ich bin entsetzt und sprachlos.“ Grundsätzlich dürfe keinem Klima Vorschub geleistet werden, das solche Taten begünstigt. Dies unterstreiche die Notwendigkeit für die Politik im Handeln und in der öffentlichen Diskussion, sehr verantwortungsvoll mit der Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung umzugehen.
Paul Wißler, Pressesprecher der Polizei in Tiengen: Die Polizei im Kreis Waldshut setze Präventivmaßnahmen um. Allerdings werde sie die Öffentlichkeit nicht über die genauen Maßnahmen informieren.