Tanja Oldenburg

Sie sind zu dritt zu diesem Interview erschienen – warum?

Grimmecke: Weil es uns wichtig ist, die unzähligen Facetten einer Autismus Spektrums Störung darzulegen. Jedes Kind mit dieser Diagnose zeigt andere Entwicklungsansätze, andere Verhaltensmuster.

Wie zeigt sich das bei Ihrem Kind?

Grimmecke: Mein Sohn war von Anfang an verhaltensauffällig. Schon im Kindergarten saß er meistens für sich und hat nur zugeschaut. Die Überlegungen, welche Grundschule mein Sohn besuchen soll, wurden vom Schulamt begleitet. Die Entscheidung fiel auch aufgrund seiner Entwicklungsverzögerung und Störungen seiner Wahrnehmung wie auch seines Gleichgewichts auf eine Schule für Körperbehinderte.

Eine Entscheidung, die Sie voll und ganz teilten?

Grimmecke: Damals nicht. Aber aus heutiger Sicht, mein Sohn ist mittlerweile 19 Jahre alt, war es die richtige Entscheidung. In der Schule wurde in kleinen Gruppen unterrichtet, die Abläufe waren viel klarer strukturiert. Damit kam er zurecht.

Die Diagnose ist gestellt – wie geht es weiter?

Weber: Ich fand es nach der Verdachtsdiagnose sehr schwierig, mich zu orientieren. Nächtelang habe ich im Internet recherchiert, so bin ich auf die Elterninitiative gestoßen. Bis zur endgültigen Diagnose ist es ein weiter und schwerer Weg. Der Diagnose folgten unzählige Gänge zum Jugendamt und zum Schulamt, um eine Lernbegleitung und einen Therapieplatz für das Kind zu bekommen. Der Weg dahin war eine ordentliche Leidensgeschichte – für das Kind und für uns.

Korocencev: Das ist er für alle! Der Druck ist enorm hoch. Unsere Kinder denken und fühlen einfach anders. Meinem Sohn wurde in der Grundschulzeit von den Lehrern ständig das Gefühl gegeben, er mache etwas falsch. Die Grundschulzeit war ein Alptraum. Wir haben damals einen Schulwechsel beantragt – ohne Erfolg. Er musste dort bleiben.

Grimmecke: Autisten haben eine ganz andere Wahrnehmung. So können sie beispielsweise keine Nebengeräusche ausblenden. Es kommt alles ungefiltert bei ihnen an. Das stresst die Kinder ungemein. Auch haben Autisten ein unglaublich ausgeprägtes Rechtsbedürfnis. Ungerechtigkeiten bringen sie an ihre Grenzen. Damit ecken sie auch an.

Wie präsent ist das Thema in der Öffentlichkeit? Ich kann mich da nur an den Film „Rain Man“ erinnern…

Korocencev: ...ein Film, der mehr geschadet hat. Forrest Gump eignet sich da schon viel besser. In der Therapie wird oft die Serie „The Big Bang Theory“ gezeigt. Einer der Darsteller zeigt ganz klar autistische Verhaltensmuster. Die Szenen werden dann analysiert. Was hätte er anders regeln können, wo erkennt man sich selbst wieder.

Weber: Das Thema könnte gerne noch mehr publik gemacht werden. Für uns wäre es wichtig, dass auch die positiven Seiten, beziehungsweise Stärken der Kinder mehr Beachtung finden würden. Der Alltag ist nicht immer einfach, aber wir wissen: Wir haben tolle Kinder und wir haben mit ihnen viel geleistet.

Grimmecke: Unsere Kinder sind ein Abenteuer. Sie sind spannend. Ich entdecke an meinem Kind immer wieder neue Facetten und habe gelernt, den Blickwinkel auch mal zu ändern. Dinge mit seinen Augen zu sehen.

Wie wichtig ist Schule?

Korocencev: Sehr wichtig. Lehrer, die sich informieren, Interesse zeigen, sind wertvoll. Mein Sohn besucht mittlerweile die 11. Klasse des Hochrheingymnasiums und ich möchte diese Schule an dieser Stelle ausdrücklich loben, wie sie mit dieser Thematik von der 5. Klasse an umgegangen ist. Er hat ständig seine Lernbegleiterin an seiner Seite. Auch die Familienhilfe, die sich um die Lernbegleitung kümmert, leistet hier wertvolle Arbeit.

Welches Thema hat die Infoveranstaltung am 14. Oktober?

Grimmecke: Hier geht es um das Erwachsensein, um Beziehungen. Irgendwann endet die Schulzeit – und dann? Schaffen Autisten den Berufsweg, den Weg in ein Leben als Paar?

Ist hier hoher Informationsbedarf?

Korocencev: Auf jeden Fall. Für erwachsene Autisten gibt es kein Betreuungsangebot, keine Therapiegruppe. Da ist eine große Lücke. Die Elterninitiative hat sehr gekämpft dafür, dass 2011 eine Außenstelle des Autismus-Therapie-Zentrums Südbaden in Bad Säckingen eingerichtet wurde. Wir würden uns wünschen, dass uns dies auch für erwachsene Autisten gelingt.

Die Elterninitiative

Die Elterninitiative Autismus Hochrhein gründete sich 2009 auf Anregung der Bad Säckinger Kinderärztin Barbara Zissel. Seither trifft sich die 30 Mitglieder starke Gruppe einmal im Monat im Gasthaus Engel in Luttingen. Am Samstag, 14. Oktober, veranstaltet die Elterninitiative mit Unterstützung der AOK einen Infotag in der Caritas Werkstätte in Wallbach zu den Themen Autismus und Erwachsensein, Autismus und Sexualität. Referentin ist Diplompädagogin Brita Schirmer. Beginn ist um 9.30 Uhr, Ende gegen 16 Uhr.Weitere Infos im Internet:www.autismus-hochrhein.de