Jürgen Scharf

Panzer, Patriotismus, Putin: Das ist Moskau. Zumindest so, wie es die Berliner Fotografin Sandra Ratkovic bei ihrer zweiwöchigen Fotoreise in die russische Hauptstadt gesehen und fotografiert hat. Den Militarismus im Alltag der Russen hat sie in ihrer Fotoserie „Mockba“ (Moskau), die auch ein Bildband geworden ist, festgehalten. Ihre freie dokumentarische Fotografie ist seit Sonntag in einer Ausstellung im Kunstverein Hochrhein in der Villa Berberich zu sehen.

Denkmal vor orthodoxer Kirche, gesehen mit der Kamera von Sandra Ratkovoc.
Denkmal vor orthodoxer Kirche, gesehen mit der Kamera von Sandra Ratkovoc. | Bild: Jürgen Scharf

Schon zuvor in Berlin hat die Fotografin ein Faible für die russischen Hinterlassenschaften, Militärflughäfen und Kasernen gezeigt. Bei der Fotoexkursion nach Moskau ging sie dann den Spuren militärischer Vergangenheit nach. Beeindruckt hat sie die Waffenpräsenz und wie selbst in großen Vergnügungsparks mit nachgebautem Kreml die ehemalige Militärstärke Russlands demonstriert wird: mit Raketen, Flugzeugen und Panzern – aber alles ist Staffage hinter Zäunen. Das Titelbild des Fotobuchs mit einer Frau, die sich am Bauzaun vor einem Museum in Pose stellt, im Hintergrund Raketenteile als Reliquien der Sowjetmacht, ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Putin-Kult: T-Shirts mit dem Konterfei des russischen Präsidenten gibt es als Souvenirs. Ein Foto aus der Ausstellung von Sandra ...
Putin-Kult: T-Shirts mit dem Konterfei des russischen Präsidenten gibt es als Souvenirs. Ein Foto aus der Ausstellung von Sandra Ratkovic in Bad Säckingen. | Bild: Jürgen Scharf

Wichtig ist Sandra Ratkovic aber, nicht nur das Militaristische in ihren Bildern zu dokumentieren, sondern auch das Skurrile, Unwirkliche, so etwa den Melonen-Laden vor einer Plattenbauten-Kulisse. Ob es nun die lange Zeit längste Rolltreppe der Welt ist, die prächtigen Metrostationen, der Irrgarten im Gorki Park oder Mütterchen Russland: Die Berliner Fotografin inszeniert nichts, sondern sucht sich aus der Realität Ausschnitte heraus. Besonders ironisch-witzig gelingt ihr das bei den Fotos vom Personenkult um Putin, der auf T-Shirts mit seinem Porträt und einem Bären oder Bernhardinerhund prangt und wie ein Popstar inszeniert wird – typische Propagandamotive –, oder bei den folkloristischen Matrjoschkas, den Püppchen mit den Konterfeis von Lenin bis Putin.

Die Berliner Fotografin Sandra Ratkovic neben den Matrjoschkas.
Die Berliner Fotografin Sandra Ratkovic neben den Matrjoschkas. | Bild: Jürgen Scharf

An der aktuellen Lage in Moskau hat Ratkovic besonders die militaristische Normalität, der Soldatenkult und der Pop-Patriotismus interessiert, denn die Globalisierung ist auch in Moskau eingebrochen. Spannend sind ihre Aufnahmen vom Museum des Großen Vaterländischen Krieges: Hier ist jede Schlacht des Zweiten Weltkriegs in realistischen Szenen auf Wänden nachgemalt. „Ein seltsamer Ort“, befindet die Fotografin darüber.

Moskau heute: Diese Parkszene hat die Fotografin Sandra Ratkovic festgehalten.
Moskau heute: Diese Parkszene hat die Fotografin Sandra Ratkovic festgehalten. | Bild: Jürgen Scharf

Die schon in zahlreichen Medien veröffentlichten und in Ausstellungen gezeigten Momentaufnahmen nehmen zwar politisch nicht direkt Stellung, treffen aber die Stadt Moskau mit ihren Eigenheiten auf den Punkt, was sich sogar in Komplimenten von Russen äußert. Ratkovics Hauptinteresse gilt dabei den Menschen in bestimmten Situationen, besonders in ehemaligen kommunistischen Ländern.

Ein Kassenhäuschen beim Vergnügungspark, fotogarfiert von Sandra Ratkovic.
Ein Kassenhäuschen beim Vergnügungspark, fotogarfiert von Sandra Ratkovic. | Bild: Jürgen Scharf

In den Fotografieprojekten und Dokumentationen geht es Sandra Ratkovic um gesellschaftliche Fragestellungen, die sie mittels künstlerischer Fotografie in absurde, bunte, irritierende Bilder umsetzt. Städteporträts sind ihre Spezialität; das jüngste Projekt hat sie über den bevorstehenden Brexit gemacht. Aber das wäre ein Thema für eine andere Fotoausstellung.