Irmgard Knef, die fiktive Zwillingsschwester der 2002 verstorbenen Hildegard, macht keinen Hehl aus ihrem Alter. „Ich mach ‚ne Show draus“, konstatiert die rüstige 95-Jährige gleich zu Beginn ihres Programms „Barrierefrei“ in der Alten Fabrik. Im Laufe des Abends wird dem Publikum wohlig bewusst, dass man sich – so man denn eine Lebensweise à la Irmgard Knef praktiziert – vor dem Alter nicht fürchten muss.
Vor 20 Jahren schuf Heissig die fiktive Zwillingsschwester der Knef
Vor über 20 Jahren schuf der Berliner Kabarettist Ulrich Michael Heissig die Kunstfigur Irmgard – eine Hommage an Hildegard Knef, die große deutsche Chansonette und Schauspielerin der Nachkriegszeit. In Mühlhofen klimperte das bislang totgeschwiegene Pendant der großen Hilde mit den Wimpern hinter einer überdimensionalen Sonnenbrille, verbarg – gewollt – nicht das Zittern der geschminkten Lippen, fuhr sich mit fahrigen Bewegungen durch die aschblonde Perücke und setzte sich umständlich mit den steifen Bewegungen einer gebrechlichen alten Frau auf ihren feuerroten Rollator.

Leben im Schatten einer Diva
Heissig, privat eher kahlköpfig und 40 Jahre jünger als die verkannte Schwester, inszenierte mit Irmgard Knef eine Bühnenfigur, die ihr Leben im Schatten der Diva offenbart. Nun will es die Vita, dass die zu kurz gekommene Schwester nach einem Sturz nicht mehr gut zu Fuß ist und ins Heim zieht. Immer noch ganz schön helle im Kopf, plaudert die resolute Greisin aus dem Alltag, erzählt von Altersgebrechen und ihrem Lieblingspfleger Kevin, der zu ihrer Freude aus der Urinflasche eine Wasserpfeife baut.
Hits von Knef mit neuen Texten
Zwischendrin wünscht sich die ewig Zweite – mit einem huldvollen „Kindchen, fahr ab!“ in Richtung Technik gewandt – das passende Playback für ihre Lieder. Auch diese bereitet die Seniorin humoristisch auf. Den großen Hit der Knef „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ hat Irmgard mit neuem Text versehen, bei ihr sind sie schlichtweg ausverkauft. Ulrich Michael Heissig parodiert die Schwester der Knef voller Respekt: mit einer schnoddrigen, aber sanftmütigen Art.
Kabarettist lässt viel Altersmilde walten
Gepaart mit lakonischer Ironie, bringt er in seiner Solo-Inszenierung alle Facetten auf die Bühne, die die in die Jahre gekommene Irmgard zu bieten hat, wobei er viel Altersmilde walten lässt. Man spürt, wie liebevoll Heissig seine Kunstfigur geformt hat. Heissigs Stärke ist die Verwendung und Ausschmückung bekannter Wesenszüge der Knef, wie etwa die Androgynität, eines ihrer wohl bekanntesten Markenzeichen.

Michael Manstein-Spanblöchl und Helmut Spanblöchl aus Meersburg haben Heissig in der Rolle der alternden Irmgard schon oft gesehen. „Die Art, wie Heissig die Lieder der Knef umtextet, ist einfach genial. Auch der Umzug der imaginären Schwester ins Seniorenheim ist ihm bestens gelungen“, sind sich beide einig. „Dem Alterungsprozess etwas so Vergnügliches einzuhauchen, gelingt nur Wenigen. Wir haben schon lange nicht mehr so herzhaft gelacht wie heute Abend.“