Pia ist neun Jahre alt, sie liebt Tiere, mag Mathe, Kunst und Sport in der Schule am meisten. Natürlich hat sie mehrere Hobbys. Und noch etwas hat das Mädchen aus Mühlhofen: Neurofibromatose. Sichtbar wird die Krankheit durch den Tumor an ihrer rechten Wange. Der hält die Schülerin allerdings von nichts ab. Zuletzt war sie beim Anbaden der DLRG am Salemer Schlosssee dabei. Zum Treffen mit dem SÜDKURIER hat sie ihre Mutter Heidi Thiel und ein Hobby-Horse mitgebracht – ein Steckenpferd, mit dem Pia umherreitet und kleine Kunststücke vollführt.

Pias Tumor schlängelt sich von der Wirbelsäule durch den Rachen und das Gehirn bis ins Gesicht. „Sie hat ihn von Geburt an. Damals hat es geheißen, sie wird kein Jahr alt. Dann haben wir die Klinik gewechselt“, sagt Heidi Thiel. Betreut wird die Familie in der Kinderonkologie in Ulm. „Die Ärzte und Schwestern sind ganz toll und stehen uns immer zur Seite.“

Medikament lässt Tumor leicht schrumpfen

Pia erhält seit einem Jahr ein Medikament, durch das ein Tumorrückgang von sieben Prozent Volumen erzielt werden konnte, erzählt die Mutter. „Wir hoffen, dass das weiter so anschlägt“, erklärt Heidi Thiel. Neurofibrome sind in der Regel nicht bösartig. Etwas Überredungskunst ist ab und zu gefordert, um die Neunjährige zu den Kontrolluntersuchungen zu motivieren. „Ich muss manchmal Blut abnehmen, Herzecho, Ultraschall, Ohrenarzt, Augenarzt“, zählt Pia auf. Auch ins MRT muss sie gelegentlich. „Nur beim Blut abnehmen, da bin ich zappelig. Ich mag überhaupt keine Nadeln. Wenn ich die sehe, weine ich schon“, verrät die Schülerin.

Das MRT schafft Pia inzwischen ohne Narkose. Nicht nur Heidi Thiel ist froh darum, sondern auch Pia. „Die Narkose hat nach verfaulter Socke geschmeckt“, witzelt sie. In der Klinik hat die kleine Mühlhofenerin eine Lieblingsschwester. „Sie ist unser guter Engel der Station“, sagt Mama Heidi Thiel. Bei Fragen ist die Pflegerin immer zur Stelle.

Facebookseite bringt Kontakt zu Trikern und Bikern

Über die Facebookseite „Hallo ich bin Pia“ klärt die Familie über Neurofibromatose auf. Denn Pia muss viele Blicke aushalten. „Meist sind es die Großen, die da blöd sind. Es tut oft weh“, sagt Heidi Thiel. Die Community ist der Weg nach vorn auf die Menschen zu. Über die Seite haben Thiels schon viele Freunde gefunden. Besonderen Beistand erhält Pia von Trike- und Motorradfahrern. Vergangenes Jahr wurde auf dem Bio-Obsthof Moll im Deggenhausertal groß Geburtstag gefeiert. Pia hat ihre eigene Lederkutte, Timo von den Motorradfahrern in Aachen hat die Aufgabe des großen Bruders übernommen. Diesmal will die Familie am Geburtstag Spenden sammeln – für die Kindertagesklinik in Ulm oder den ambulanten Kinderhospizdienst Amalie.

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Die Neunjährige hat durch ihre Kontakte an Selbstbewusstsein dazu gewonnen. „Was mich am meisten ärgert, ist, wenn Kinder mich beleidigen. Aber ich gehe dann einfach weiter“, sagt Pia Thiel. Nur kleinen Kindern erklärt sie, was es mit ihrer Wange auf sich hat. Mit ihren Klassenkameraden in der Schule am See in Fischbach versteht sie sich gut. Ihre Mutter sagt: „Sie macht keine Unterschiede, ob Mädchen oder Junge, ob türkisch oder deutsch.“

Immer freitags erhält sie Besuch von einer Betreuerin des ambulanten Kinderhospizdienstes Amalie. „Mit ihr habe ich ein Hobby-Horse genäht“, erzählt Pia. Dazu gehört auch Ausrüstung, wie zum Beispiel Halfter. „Rennen und ganz selten Dressur“ übt Pia mit den Pferden. Reiten auf einem lebendigen Pferd gehört ebenfalls zu ihren Hobbys. Auch in der Jugendfeuerwehr und bei den Ministranten engagiert sie sich, zudem turnt sie gerne.

An der Fastnacht will Pia sich als Reiterin verkleiden. „Welches Pferd ich mitnehme, weiß ich aber noch nicht“, sagt die Neunjährige. Durch den verstorbenen Opa sind Thiels in der Markdorfer Fasnet verwurzelt. „Karbatschen schnellen hast du doch auch schon ausprobiert“, ruft Heidi Thiel ihrer Tochter zu, die während des Gesprächs immer wieder mit ihrem Hobby-Horse Kitty-Cat davon trabt.

„Kranke Kinder gehören nicht an den Rand der Gesellschaft“

„Wir versuchen, trotz ihrer Krankheit bei vielem dabei zu sein. Anderen Eltern mit kranken Kindern wollen wir mit der Facebookseite Mut machen, sie nicht zu verstecken“, sagt die Mutter von fünf Kindern. „Kranke Kinder gehören nicht an den Rand der Gesellschaft, sondern mittenrein“, findet Heidi Thiel. Pia hat zwei Schwestern und zwei Brüder. Mama Heidi und zwei der Geschwister sind ebenfalls betroffen, aber nicht so schwer wie Pia. „Unser Leben spielt sich viel in Krankenhäusern ab.“

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Die Seite auf Facebook ist dabei nicht immer ein Segen. Die Familie ist auch Angriffen ausgesetzt. Doch das Gute überwiegt. „Es ist wichtig, dass die Pia sieht, da sind Menschen, die sie so lieben, wie sie ist“, erklärt Heidi Thiel. Schmerzen hat die Neunjährige nach eigenen Angaben nicht. Doch manchmal deprimieren eben die Blicke. Da tut Unterstützung, egal ob offline oder online, gut.

Pia Thiel hat vor, Feuerwehrfrau zu werden, wenn sie groß ist. Und: „Wenn Tiere verletzt sind, möchte ich eingreifen“, erklärt die Viertklässlerin. Ein Tiernotdienst innerhalb der Feuerwehr und ein eigenes Tierheim. Das wär‘s, findet sie. Denn: „Ich habe voll die feste Verbindung mit Tieren. Die lassen sich sofort streicheln.“ Zwei Tauben hat sie bereits das Leben gerettet und mit dem Familienhund schleicht sie sich manchmal zum Schlafen aufs Sofa.