„Wo geht denn unser Abwasser hin?“ Diese Frage hatte Emil, knapp fünf Jahre alt, unlängst seinem Vater gestellt. „Wir wohnen zwar in Bermatingen und unser Abwasser landet nicht hier“, sagt Karl Glatz bei der Besichtigung des Klärwerks Seefelden mit dem Verein Wasserkarawane. „Aber als ich von der Veranstaltung gelesen habe, dachte ich, das ist eine gute Gelegenheit, um die Frage meines Sohnes zu beantworten.“

Wo die rund 10.000 bis 12.000 Kubikmeter Abwasser in den zahlreichen Becken in Seenähe an einem normalen, relativ trockenen Tag herkommen, das erläuterte Klärwerkschef Reinhold Dillmann den rund 40 Teilnehmern. Neugierig war auch Reinhard Ebersbach, der 1971 als Überlinger Bürgermeister erster Vorsitzender des neuen Abwasserzweckverbands Überlinger See gewesen war.

In der biologischen Klärstufe des Klärwerks Seefelden leisten Bakterien wichtige Arbeit und bauen vor allem Stickstoffverbindungen ab. ...
In der biologischen Klärstufe des Klärwerks Seefelden leisten Bakterien wichtige Arbeit und bauen vor allem Stickstoffverbindungen ab. Doch viele moderne Chemikalien und Medikamentenrückstände schmecken ihnen einfach nicht. Daher kommt nun die vierte Klärstufe mit Ozonierung und Aktivkohlefilter. | Bild: Hanspeter Walter

Bei Starkregen steigt Wassermenge um 200 Prozent

Angeschlossen sind hier inzwischen Owingen, Überlingen, Uhldingen-Mühlhofen, Daisendorf, Meersburg und Stetten. An Starkregentagen können auch mal bis zu 30.000 Kubikmeter Abwasser anfallen. Denn erst wenige Gemeinden haben bislang ein Trennsystem für Abwasser und relativ sauberes Oberflächenwasser, wie Dillmann betonte.

Auf eine mechanische Stufe, die über eine Lochzentrifuge alles zurückhält, was größer als acht Millimeter ist, und ein Vorklärbecken folgt die wichtige biologische Reinigung des Abwassers. In diesem mit Luftsauerstoff angereicherten Belebtbecken tun Bakterien ihre Arbeit und bauen unter anderem schädliche Stickstoffverbindungen weitgehend ab.

Überlingens Ex-OB Reinhard Ebersbach (rechts) war Anfang der 1970er Jahre Gründungsvorsitzender des Abwasserzweckverbands. Schon seit ...
Überlingens Ex-OB Reinhard Ebersbach (rechts) war Anfang der 1970er Jahre Gründungsvorsitzender des Abwasserzweckverbands. Schon seit Jahrzehnten befasst sich Claus Kittsteiner mit der Wasserthematik. | Bild: Hanspeter Walter

Bakterien kennen neue Stoffe nicht

Was der Mensch nicht kennt, isst er nicht, lautet ein Sprichwort. So gehe es auch den Bakterien in der biologischen Stufe, erklärt Reinhold Dillmann anschaulich. „Was sie in der Evolution nicht gelernt haben, können sie nicht verarbeiten“, sagt er: „Die Bakterien kennen diese neuen Stoffe einfach nicht.“ Und davon gibt es immer mehr, die inzwischen zwar in geringsten Konzentration schon nachgewiesen werden können, sich jedoch im Seewasser auf Dauer anreichern und Schaden anrichten können.

Hier entsteht für rund 7,5 Millionen Euro die vierte Reinigungsstufe, mit der eine Vielzahl von Spurenstoffen durch Ozonierung zerlegt ...
Hier entsteht für rund 7,5 Millionen Euro die vierte Reinigungsstufe, mit der eine Vielzahl von Spurenstoffen durch Ozonierung zerlegt und mit Aktivkohle herausgefiltert werden sollen. Vor den Sommerferien soll sie als Pilotprojekt in der Region in Betrieb gehen. | Bild: Hanspeter Walter

Vierte Reinigungsstufe kostet 7,5 Millionen Euro

Auf die dritte Klärstufe, in der Phosphatverbindungen ausgefällt werden, um eine Überdüngung des Sees zu verhindern, wie sie in den 1970er Jahren gedroht hatte, folgt daher demnächst eine vierte Reinigungsstufe. Deren Bau ist bereits weit fortgeschritten und schlägt nach aktuellem Stand mit 7,5 Millionen Euro zu Buche, wird allerdings aufgrund des Pilotcharakters durch umfangreiche Zuschüsse des Landes gefördert.

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Neue Technik am See noch einzigartig

In der Kombination von oxidativer Beseitigung von Spurenstoffen durch Ozon und einer anschließenden Filtrierung über Aktivkohle ist diese Neuerung nahezu einzigartig und noch nirgends am See realisiert. „Allein die Aktivkohle für das Filtersystem kostet voraussichtlich rund 400.000 bis 500.000 Euro“, weiß Reinhold Dillmann. Doch das ist der Preis für eine zunehmende Menge an nicht abbaubaren chemischen Substanzen im Abwasser. Dazu gehören unter anderem Medikamente oder auch Kontrastmittel, wie sie in medizinischen Untersuchungsverfahren eingesetzt werden.

Vorher – nachher: Trinken will man auch das gereinigte Wasser (links) noch nicht, doch ist der Unterschied deutlich sichtbar.
Vorher – nachher: Trinken will man auch das gereinigte Wasser (links) noch nicht, doch ist der Unterschied deutlich sichtbar. | Bild: Hanspeter Walter

Acht Mitarbeiter kümmern sich ums Wasser

Acht Mitarbeiter sind im Klärwerk beschäftigt, einer hat nachts Rufbereitschaft. „Heute bin ich das“, sagt Andreas Herfurth, seit 19 Jahren hier tätig ist. Mehrfach täglich müssen er und seine Kollegen Proben des gereinigten Wassers entnehmen, die im Labor untersucht werden. Um genau zu wissen, was später zwischen Unteruhldingen und Meersburg über einen Auslauf in größer Entfernung vom Ufer in den See fließt.

Strom aus Klärschlamm deckt zwei Drittel des Eigenbedarfs

Aus den beiden Faultürmen mit Klärschlamm, der aus den festen Rückständen und Sedimenten der Becken besteht, gewinnt das Werk Methan zum Betrieb seiner Blockheizkraftwerke. Die wiederum produzieren damit mehr als 600.000 Kilowattstunden Strom und decken so im Moment rund zwei Drittel des eigenen Bedarfs. Noch mehr Strom könnte bald eine Photovoltaikanlage über den Nachklärbecken liefern, deren Installation im Moment geprüft wird. Besonderheit ist, dass hier eine mobile Anlage mit besonderer Falttechnik in Erwägung gezogen wird.

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