Not macht erfinderisch und besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Diese beiden Sprüche haben in der momentanen Zeit Hochkonjunktur und der Chor Millyards der Singgemeinschaft Mühlhofen hat sie in die Praxis umgesetzt. Es ist den Chöre nach wie vor verboten zu proben, geschweige denn Konzerte zu geben. Doch die Millyards erproben neue Wege.
„Als die Verordnung erlassen wurde, war für uns das Singen erledigt“, erzählt Dirigent Eberhard Graf, der seit Ende 2019 die Millyards leitet. Als er sich aber neulich im Netz umschaute, bekam er mit, dass es tatsächlich Chorproben über das Internet gibt. „Das fand ich so interessant, dass ich mich da eingearbeitet habe“, erklärt Eberhard Graf, der sonst als Alleinunterhalter sein Geld verdient. „Da ich momentan keine Engagements habe, hatte ich ja Zeit“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Jeden Freitag treffen sie sich abends in Zoom
Und die Umsetzung war tatsächlich gar nicht so schwer wie gedacht. Mittlerweile probt der Chor ganz normal jeden Freitag. Die etwa 20 Sängerinnen und Sänger treffen sich in einer Zoom-Konferenz und proben ihre Stücke. „Für mich bedeutet diese Art zu proben einen etwas größeren Aufwand“, sagt Eberhard Graf. „Das Einsingen und die einzelnen Stimmen sind eigentlich wie sonst auch.“ Er mache oder singe etwas vor und die Chormitglieder machen oder singen es nach.
„Der Nachteil an der Online-Probe ist, dass individuelle Korrekturen kaum möglich sind“, bedauert der Chorleiter. „Das liegt daran, dass mich zwar jeder hört, der Ton bei den Sängerinnen und Sängern aber ausgeschalten sein muss.“ Wenn es dann darum geht, gemeinsam zu singen, spielt Eberhard Graf ein selbst erstelltes Play-back ab, damit alle hören, was gesungen wird. „Ich habe die Tenor- und Bassstimme selbst eingesungen und spiele die Sopran- und Altstimme auf dem Klavier, damit sich jeder orientieren kann.“ Und das funktioniert erstaunlich gut.

Mitglieder werden an das Proben zuhause gewöhnt
In dieser Art zu proben sieht Eberhard Graf sogar Vorteile für die Zeit nach Corona: „Momentan steht der Spaß am Singen natürlich im Vordergrund, wobei wir schon anspruchsvolle Stücke singen. Es sind auch alle mit Feuereifer dabei.“ Durch die Proben lerne jeder, auch zuhause zu singen und zu üben. „Vielleicht hilft das auch für später, dass in den eigenen vier Wänden noch etwas mehr geprobt wird“, hofft der Chorleiter. „Außerdem werden die Sängerinnen und Sänger an das Arbeiten mit dem Computer gewöhnt, was auch im Singen nicht unwichtig ist.“
Was alles möglich ist, hat Eberhard Graf seinen Millyards bereits bewiesen. Denn die einzelnen Sänger nahmen mit dem Playback-Kopfhörer ihre jeweilige Stimme mit dem Handy auf. Diese Aufnahme schickten alle an ihren Chorleiter, der anschließend das große akustische Puzzle zusammensetzte.
Das erste Stück des Online-Chors Millyards ist bereits fertig
Herausgekommen ist ein erstes Stück des Online-Chors Millyards. „Das Ganze steht und fällt natürlich mit dem Play-back“, erklärt Eberhard Graf. „Hier müssen die Stimmen und vor allem der Rhythmus passen, damit alle vom Tempo her gleich singen.“ Dann sei das Zusammensetzen der jeweiligen Stimmen kein großes Hexenwerk mehr.
Natürlich sei das gemeinsame Singen von Angesicht zu Angesicht nicht zu ersetzen. Mit dieser Online-Variante einer Probe sei aber angesichts der aktuellen Situation eine durchaus praktikable Option gefunden, sagt der Chorleiter. „Natürlich hat sich das Prozedere geändert. Ich koordiniere viel mehr und bin so etwas wie ein Alleinunterhalter.“ Aber genau da kennt sich Eberhard Graf ja besten aus.