Zuerst spürte sie einen Knoten in der Achsel. Der Frauenarzt beruhigte, doch der Knoten wuchs. Dann kam die Diagnose: Brustkrebs und Metastasen in der Leber. Operationen, Chemotherapie, Reha – die schwere Erkrankung und ihre Folgen stellten das Leben von Veronika Ecke und ihrer Familie 2017 von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Die junge Mutter musste ihren Job aufgeben und zog mit Mann und Kindern an den Bodensee in die Nähe ihrer Eltern. Dort erfuhr sie auch von der Beratungsstelle „Hand in Hand“ und dem speziellen Angebot für Kinder krebskranker Eltern.

Kindern die Diagnose erklären
„Krebs ist immer eine Familiendiagnose“, erklärt Petra Drossel. Die Leiterin des Rosa-Wieland-Kindergartens engagiert sich ehrenamtlich bei „Hand in Hand“. Die erkrankten Mütter oder Väter stünden vor der Frage, wie sie ihre Kinder altersgerecht in die Diagnose einbeziehen können. Genau hier setzt die 2013 von Petra Drossel und zwei weiteren selbst von Krebs betroffenen pädagogischen Fachkräften gegründete Initiative mit ihrer Beratung an.
„2011 kam ich nach meiner eigenen Brustkrebs-OP in die Reha und war überrascht, wie viele junge Mütter dort waren“, erinnert sich Drossel. Die Lage zuhause und die Frage, wie man es dem Kind sagen soll, seien während der Reha aber gar nicht in den Blick genommen worden. Drossel begann zu recherchieren und stieß auf die Arbeit des Vereins Flüsterpost in Mainz.
Seminar als Initialzündung für Initiative
Der Verein hat ein umfangreiches Unterstützungsangebot für Kinder krebskranker Eltern entwickelt. „Ich habe dort ein Seminar besucht, das war die Initialzündung für unsere Initiative“, schildert Drossel. Sie und ihr Team bilden sich dort seither regelmäßig fort und stehen in engem Kontakt mit den dortigen Fachkräften. „Wir haben in Deutschland inzwischen 70.000 neue Brustkrebsfälle pro Jahr. Jetzt muss man überlegen, wie viele Kinder davon betroffen sind“, macht Drossel ihre Motivation deutlich.
Seit zehn Jahren bieten Petra Drossel und ihre Kolleginnen Gisela Kohlmann und Sandra Nissen mittlerweile über „Hand in Hand“ ihre ehrenamtliche Unterstützung für krebskranke Eltern und deren Kinder an. Seit einem Jahr wird die durch Spenden finanzierte Beratungsstelle als eigenständige Gruppe der Frauenselbsthilfe Krebs geführt und arbeitet vernetzt mit der Gruppe Frauenselbsthilfe Krebs in Meersburg.
Das Team hilft mit persönlicher Beratung und Begleitung sowie verschiedenen Kreativ-Workshops für Kinder beim Umgang mit den Themen Krebs, Krankheit und in manchen Fällen auch Tod. „Jede Familie ist anders und geht unterschiedlich mit der Diagnose Krebs um“, ist Drossels Erfahrung. Problematisch sei, wenn in der Familie nicht darüber gesprochen werde. „Die Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt, und geben sich die Schuld.“ Das könne zu ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten führen.

„Wenn man nicht über die Krankheit spricht, beunruhigt es die Kinder noch mehr und lässt ihnen Spielraum für eigene Sorgen.“Veronika Ecke, Mutter
Veronika Ecke ging von Anfang an offen mit ihrer Erkrankung um: „Ich habe den Kindern und auch den betreuenden Personen gesagt, dass ich Krebs habe.“ Auch als vor eineinhalb Jahren bei ihr ein Hirntumor festgestellt wurde, sprach sie mit ihren drei Kindern darüber. „Die Kinder wussten, dass der Krebs im Kopf war und dass er wegoperiert wurde“, sagt sie und ist überzeugt: „Wenn man nicht über die Krankheit spricht, beunruhigt es die Kinder noch mehr und lässt ihnen Spielraum für eigene Sorgen.“
Seit dreieinhalb Jahren nehmen Veronika Eckes Kinder regelmäßig an den Workshops teil, die das „Hand in Hand“-Team gemeinsam mit verschiedenen Fachkräften an ein bis zwei Nachmittagen im Monat in den Räumen des Rosa-Wieland-Kindergartens in Nussdorf anbietet. „Ob es die Zirkus AG ist oder das Töpfern, die Kinder freuen sich immer auf die Nachmittage“, erzählt Veronika Ecke. „Hier dürfen sie einfach Kinder sein. Sie verbinden das gar nicht mit meiner Krebserkrankung.“
„Kinder finden ganz spielerisch zu sich selbst“
An diesem Nachmittag ist im Turnraum des Kindergartens Zirkus AG. Veronika Eckes siebenjährige Tochter Lisanne übt gerade das Balancieren auf der Laufkugel, der dreijährige Andrej hopst fröhlich über die liegende Leiter. „Die Kinder finden hier ganz spielerisch und mit Freude zu sich selbst. Und nur wenn sie bei sich sind, klappt es auch mit dem Sitzen und Laufen auf der Kugel“, erklärt Zirkuspädagogin Lis Geiger.
„Zurzeit kommen acht Kinder zwischen drei und elf Jahren aus drei Familien zu unseren Kreativ-Nachmittagen“, berichtet Petra Drossel. Den Einzugsbereich westlicher Bodenseekreis könne man momentan gut abdecken. „Wir möchten den Kindern vermitteln, dass sie auch weiterhin Spaß am Leben haben dürfen“, sagt Drossel.