Die Offenlage für den geänderten Entwurf des Bebauungsplans Rauenstein Ost lief am Montag ab und damit die Möglichkeit, Anregungen und Bedenken geltend zu machen. Das Konzept umfasste anfangs vor allem den Bereich der derzeitigen Kleingärten. In der aktuellen Erweiterung kam in Richtung Osten der ehemalige Reitplatz auf dem unteren Teil der St.-Leonhard-Wiese als vermeintliche „Abrundung des Siedlungsbereichs“ dazu, wie es Baubürgermeister Thomas Kölschbach formuliert. Just jener Bereich, den die Stadt gemeinsam mit dem Naturschutz vor mehr als 20 Jahren als Landschaftspark St. Leonhard geadelt hatte. Der zwar keinen rechtlichen Status erhielt, aber einvernehmlich zu einem schützenswerten Naherholungsgebiet gekürt wurde.

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Erst vor wenigen Jahren hatte das Grünflächenamt auf der jetzt überplanten Fläche eine Blühwiese angelegt, später wurde der gesamte Hang als sogenannte Mähwiese ausgewiesen, die der Insekten- und Pflanzenvielfalt zugutekommen soll. Ja, der östlichste Teil bis zur Straße wurde zur ökologischen Ausgleichsfläche für das Baugebiet Südlich Härlen erkoren, wo einige wertvolle Biotope geopfert werden.

Naturschützer fordern Gutachten

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass der lokale Naturschutz massive Kritik an dem Vorhaben äußert, wie aus einer gemeinsamen Stellungnahme des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und des Naturschutzbundes (NABU) hervorgeht. Völlig unverständlich sei es, dass der Bebauungsplan Rauenstein Ost nach dem beschleunigten Verfahren auf den Weg gebracht worden war, das keine ausführliche Umweltprüfung erforderlich macht. „Auf Grund der vorhandenen floristischen und faunistischen Gegebenheiten ist ein fundiertes Umweltgutachten vor jeder weiteren Planung unumgänglich (voraussichtlich erhebliche Umwelteinwirkung)“, heißt es in der Stellungnahme der Verbände, die von Wolfgang Rauneker und Hartmut Walter unterzeichnet ist. „Wir werden das weitere Vorgehen genau beobachten und sobald die notwendigen Umwelt- und Klimagutachten vorliegen, eine weitere Stellungnahme verfassen.“

Hier legte das Grünflächenamt im Februar 2020 eine Insektenwiese an, die inzwischen mehrfach aufgeblüht ist. Just dieses Areal, das an ...
Hier legte das Grünflächenamt im Februar 2020 eine Insektenwiese an, die inzwischen mehrfach aufgeblüht ist. Just dieses Areal, das an die Kleingartenanlage angrenzt, soll nach der Erweiterung des Bebauungsplans Rauenstein Ost ebenfalls bebaut werden. | Bild: Hanspeter Walter Journalist-Texte-Bilder

Schon jetzt zeigten die Daten, dass „der Wiesenbereich ab dem Schuppen nach Osten der ökologisch wertvollste und sensibelste Bereich des Plangebietes“ ist. Es sei bemerkenswert, dass der nordöstliche Teil als Ausgleichsfläche zur Bebauung von „Südlich Härlen“ ausgewiesen werde. Dies unterstreiche nur deren hohe Wertigkeit. Weiterhin liege das überplante Gelände gemäß der Klimafunktionskarten im Bereich des Entstehungsgebietes für Kalt- und Frischluft. „Will die Stadt Überlingen einen ernsthaften und glaubwürdigen Beitrag zum Klima- und Artenschutz leisten,“ so das Fazit, „müssen solche Flächen von weiterer Bebauung ausgenommen werden.“

Die Wiese beim Reitplatz gehöre zu blütenreichsten Wiesen von Überlingen. Sie bilde zusammen mit den im Osten angrenzenden Wiesen die letzte größere und zusammenhängende Fläche – rund 8,5 Hektar, wo auf Überlinger Gemarkung noch Tagfalter und Wildbienen in nennenswerter Artenzahl vorkämen. Außerdem könne man in unmittelbarer Nähe noch Neuntöter, Wendehals und Nachtigall beobachten. Mäusebussard, Rotmilan, Turmfalke, Graureiher und Grünspecht fänden dort Nahrung. „Erst in den letzten Jahren wurde vom Grünflächenamt hinter dem Schuppen eine Blumenwiese angelegt und entlang der Straße mit Informationstafeln („Insektenwiese“) versehen“, erinnern die Naturschützer. „Außerdem ist die Fläche im Flächennutzungsplan als „Grünfläche“ festgesetzt. Mit der geplanten Bebauung werde auch der Rest der Wiesenfläche extrem entwertet.

Während die Naturschützer ihre Einwände auf eine Seite komprimiert und konkretisiert haben, füllte Anwohner Elmar Kindermann, Obere-St.-Leonhard-Straße, gleich 25 Seiten mit seinen Bedenken, die der Jurist im Ruhestand mit „gutachtliche Stellungnahme und Widerspruch“ überschrieb. Neben der persönlichen Bewertung, dass ein „Kasernen-Ensemble brachial in die auf die östliche Besiedlungsgrenze zulaufenden Grünzungen unseres Landschaftsschutzparks St. Leonhard erbarmungslos hineingezwängt“ werde, verweist er auf zahlreiche Schutzgüter und Festsetzungen im Flächennutzungsplan und Regionalplan.

Kindermann geht mit dem ganzen Burgberg und dem Geschosswohnungsbau ins Gericht und mit deren kleinklimatischen Auswirkungen. Umso weniger dürfe an der Rauensteinstraße die Frischluftzufuhr für die Innenstadt blockiert werden, argumentierte er. Unter anderem, weil diese durch die Dieselabgase des Schiffsverkehrs beeinträchtigt sei, schlägt der Kritiker einen recht weiten Bogen bis hin zur grundsätzlichen Verurteilung der städtischen Baupolitik und zur vermeintlichen Befangenheit von Stadträten. Wobei aus der Sicht Kindermanns allein der „Missbrauch des vereinfachten Verfahrens“ für die „Rauensteinstraße Ost“ zur Nichtigkeit des gefassten Aufstellungsbeschlusses führe.