Die Bürger haben lange vergeblich darauf gewartet, um einen Einblick in die Zukunftspläne für das ehemalige Kramer-Areal am See zu bekommen. Denn die Begehrlichkeiten sind allenthalben groß, entsprechend schwierig und sensibel ist das Tauziehen um die Entwicklung. Das attraktive Gelände ist im Eigentum der Wacker Neuson AG, einige Gebäude sind teilweise vermietet, einige Hallen derzeit als Winterlager für Boote genutzt. Die Planungshoheit liegt bei Stadt und Gemeinderat, die gerne ein Häppchen des Filetstücks für eigene Wünsche nutzen wollen. In diesem Spannungsfeld laufen hinter den Kulissen bereits seit mehreren Jahren Gespräche und Verhandlungen zwischen den Beteiligten, um einen fairen Ausgleich zu erzielen. Auch im Gemeinderat liefen die Beratungen bislang nicht öffentlich.
Nun wollen sich Eigentümer und Stadt erstmals in die Karten schauen lassen. „Wir sehen die Notwendigkeit für eine Einwohnerversammlung“, erklärte Oberbürgermeister Jan Zeitler. Diese beschloss der Gemeinderat nun für Mittwoch, 1. März, von 18 bis 21 Uhr. Ein entsprechender Wunsch der Bevölkerung, über den Sachstand informiert zu werden, sei in den letzten Monaten mehr als deutlich geworden, sagte Zeitler. Zuvor werde der Gemeinderat in der nächsten Sitzung am 8. Februar über den städtebaulichen Vertrag entscheiden, berichtete Fachbereichsleiter Manfred Schlenker: „Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Einwohnerversammlung.“
Den Ablauf des geplanten Abends hinterfragte Stadtrat Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne). „Ist das eine reine Informationsveranstaltung, die relativ trocken ist?“ wollte er wissen. „Gibt es auch ein Gespräch oder eine Gruppenarbeit?“ Für die Akzeptanz wäre es sicher gut, sagte Dreiseitl, „wenn das etwas lebendig ist.“ OB Zeitler trat hier schon mal vorsichtig auf die Bremse. „Wir orientieren uns hier an der Gemeindeordnung“, sagte er. „Das soll ja nur der erste Aufschlag sein.“ Zunächst gelte es, einen gemeinsamen Wissensstand herzustellen. Eine intensivere Bürgerbeteiligung sei explizit im späteren Wettbewerbsverfahren vorgesehen. Wobei Anfragen von Einwohnern durchaus möglich sind – und auch Anregungen, die anschließend in den Gremien beraten werden müssen. „Die Einwohnerversammlung ist kein beschließendes Organ und hat auch keine wirkliche Entscheidungskompetenz. Sie hat vielmehr eine beratende Funktion“, heißt es in der Gemeindeordnung: „Der Gemeinderat soll, als zuständiges Gemeindeorgan, die Vorschläge und Anregungen der Einwohnerversammlung innerhalb einer Frist von drei Monaten behandeln.
Das Unternehmen, seine Geschichte und der heutige Eigentümer
- Was ist das Kramer-Areal? Das ehemalige innerstädtische Fabrikgelände direkt am Bodenseeufer misst sechs Hektar. Von 1940 bis 2019 wurden hier Traktoren sowie Mäh- und Baumaschinen und Motoren produziert. Ende 2006 entschied der Konzern Wacker Neuson, die Werke nach Pfullendorf zu verlegen. Zwischen 2008 und 2019 produzierte MTU/Tognum (heute Rolls- Royce Power Systems) für die Motorenproduktion. Aktuell stehen große Teile der einstigen Produktionshallen leer, teilweise werden sie als Abstellplatz für Schiffe und Autos genutzt.
- Wer steckt hinter der Firma Kramer? 1925 gründeten die Brüder Anton, Hans und Karl Kramer in Gutmadingen ihr Unternehmen und starteten mit der Produktion von Kleinschleppern für die Landwirtschaft. Das Unternehmen entwickelte sich zu einem führenden Hersteller von Traktoren. 1952 wurde der Hauptsitz nach Überlingen verlagert. Im Jahr 2000 kaufte das Unternehmen Neuson Baumaschinen die Kramer-Werke.
- Wem gehört Kramer? Kramer ist mittlerweile Teil der Wacker Neuson Group, ein Unternehmen mit Sitz in München. Unter dem Namen Kramer werden weiterhin Radlader, Teleradlader und Teleskoplader verkauft. 2007 wurden die Kramer-Werke durch die Fusion der Unternehmen Wacker Construction Equipment und der Neuson Kramer Baumaschinen Teil der Wacker Neuson Group, sie ist Eigentümerin des Geländes.
- Wann begann die Diskussion um die Nutzung? Ursprünglich hatte Überlingen im Gebiet Langäcker ein Areal erschlossen, um Kramer dem Umzug vom Seeufer weg zu ermöglichen. Als das 2005 spruchreif war, begann auch die öffentliche Diskussion über die Nachnutzung des Geländes. 2006 entschied sich Neuson Kramer für die Standortverlagerung nach Pfullendorf. Als zwei Jahre später MTU (heute Rolls-Royce Power Systems) mit einer Motorenproduktion in die Hallen ging, verstummte sie wieder. 2016 kam die Diskussion über die Nutzung des Areals wieder auf. In den letzten Jahren machten sich Gemeinderatsfraktionen und Oberbürgermeister Jan Zeitler für die Schaffung von Wohnraum stark. Ob die Stadt das Grundstück kaufen wird, ist bislang nicht geklärt.