Er trinkt offenbar gern Schwarztee und mag Salami. Besonders angetan hat es ihm eine Sorte Chai-Tee aus Lavendel, Haferblüte und Hibiskus. Das lässt sich zumindest durch die zerbrochenen Fensterscheiben des weißen Hondas deuten, der mehrere Monate lang an der L201 zwischen Salem und Mühlhofen stand. Mittlerweile befindet sich das Fahrzeug auf dem Bauhof Salem und soll bald auf Kosten von Steuerzahlern verschrottet werden. Vom Besitzer fehlt weiterhin jegliche Spur.
Von Schottland aufs europäische Festland
Das verlassene Auto hat zuletzt für großes Interesse bei den SÜDKURIER-Lesern gesorgt. Weiterhin sind viele Fragen rund um den Besitzer ungeklärt. Allen voran: Warum verschlägt es einen Menschen aus Großbritannien in die Bodenseeregion? Und warum lässt er hier dann sein Auto zurück?

Was bekannt ist: Der Besitzer ist kein deutscher Staatsbürger und hat vor seinem Verschwinden wohl in dem Auto gelebt, wie die Polizei auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigte. Klar ist auch, dass sein Auto in der schottischen Großstadt Edinburgh zugelassen ist und im Juli 2022 noch auf britischem Boden gewesen sein muss. Zu dem Zeitpunkt fand die letzte Tüchtigkeitsprüfung des Autos statt, wie sich über die Kennzeichen-Suche der britischen Regierung online herausfinden lässt.
Foto-Stop in Straßburg
Gegen Herbst 2022 könnte der Mann aufs europäische Festland übergesetzt haben, wie SÜDKURIER-Recherchen zeigen. Am 27. Oktober hat er in einem Fotoautomaten auf französischem Boden Passfotos anfertigen lassen. Auf diesen ist ein Mann, Alter etwa Ende 30, mit Vollbart zu sehen. Der Fotoautomat befindet sich an einer Raststätte in der Nähe von Straßburg. Diese liegt etwa auf dem Weg, wenn man von England an den Bodensee fährt. Wer in Fährstädten wie Calais oder Dünkirchen ankommt, fährt auf dem Weg an den Bodensee daran vorbei, zeigen Routen von Google Maps.

Aber warum machte der Mann Passbilder? Biometrische Bilder werden in der Regel für Personalausweise, einen Führerschein oder Reisepass benötigt. Und wer Passbilder machen lässt, plant wohl kaum, spurlos zu verschwinden. Doch was der Hintergrund in diesem Fall war – darüber lässt sich nur spekulieren.
Zusammenstoß mit Polizisten im Deggenhausertal
Anschließend muss er Richtung Bodenseekreis gefahren sein. Denn Anfang November kam er hier mit der Polizei in Kontakt, wie die Pressestelle des Polizeipräsidiums Ravensburg auf SÜDKURIER-Nachfrage erklärt. Er soll im Deggenhausertal einen Polizeibeamten angegriffen haben. Hintergrund war, dass der Mann zur Mittagszeit mit laufendem Motor in einem Waldstück nahe einer ehemaligen Kiesgrube stand und am Steuer schlief, so steht es im Polizeibericht vom 4. November. Die Beamten seien nach dem Hinweis eines Bürgers auf das Auto aufmerksam geworden.
Als die Polizisten den Mann kontrollieren wollten, sei dieser aggressiv geworden und habe versucht, einen der Beamten zu schlagen, steht im Polizeibericht weiter. Als sie ihm Handschellen anlegen wollten, habe dieser die Polizisten beleidigt und bedroht. „Aufgrund seines psychischen Ausnahmezustands wurde er in eine Fachklinik gebracht“, heißt es. Demnach handele es sich um einen 39-Jährigen – das passt auch zu den Passfotos.
Anzeige bei Staatsanwaltschaft Konstanz
Seit diesem Vorfall fehlt von dem Mann aber jede Spur. Wie Polizeisprecher Christian Sugg erklärt, suche die Polizei nicht aktiv nach ihm, da es keine Hinweise auf Fremd- oder Eigengefährdung bestehe. Auch eine Vermisstenmeldung liege nicht vor. Dennoch habe die Polizei nach dem Vorfall im Februar 2023 eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Konstanz erstattet. Ob diese auch einen Strafbefehl erlassen habe? Dazu gab es auf SÜDKURIER-Nachfrage bislang keine Auskunft.
Spur führt zu Loch Ness
Ungeklärt bleiben aber die Fragen: Was wollte er in der Region? Und was hat der „psychische Ausnahmezustand“ mit seinem Verschwinden zu tun? Darauf gibt es von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Ravensburg keine Auskunft. Antworten darauf geben höchstens einige Gegenstände, die sich durch kaputte Fenster des Autos erspähen lassen. Im Innenraum befinden sich beispielsweise ein Schlafsack, Arbeitshandschuhe, Gartenabfallsäcke und jede Menge Müll. Das Autoradio ist herausgerissen. Außerdem liegt in dem Auto eine Postsendung mit einer Adresse im Norden von Schottland darauf.
Konkret geht es um eine Region mit mehreren Nationalparks und schmalen Gewässern – sogenannte Lochs. Die Spuren führt zu einer Poststelle in einer Gemeinde in der Nähe von Loch Ness, wo das Paket in der Vergangenheit abgeholt wurde. Doch dort können mehrere Personen, die vom SÜDKURIER nach dem mutmaßlichen Empfänger gefragt wurden, keine Auskunft geben. Es scheint: Viele Fragen bleiben vorerst ungeklärt, außer der Mann taucht noch auf. In diesem Fall könnte ihn nach dem Vorfall im Deggenhausertal und den Kosten für das abgeschleppte Auto ernsthafte Konsequenzen drohen.