Wer sich bei Kunst auf Ästhetik und Kreativität beschränken und politische Aspekte am liebsten ausgeklammert wissen will, ist bei Peter Lenk an der falschen Adresse. Sollte er dazu noch das Glück haben, mit dem Bodmaner Bildhauer durch eine Ausstellung oder seinen Skulpturengarten schlendern zu dürfen, der muss gut zuhören und ganz tapfer sein.

„Christen sagen nein“, hält die Frau im Vordergrund hoch. Ein vermeintliches Wimmelbild, das bei näherer Betrachtung trocken ...
„Christen sagen nein“, hält die Frau im Vordergrund hoch. Ein vermeintliches Wimmelbild, das bei näherer Betrachtung trocken schlucken lässt. Dieser Teil des Lenk-Kunstwerks zu S21 zeigt den brutale Polizeieinsatz gegen die Demonstranten im September 2010 mit dem die schwarz-gelbe Regierung Mappus gegen das Grundgesetz verstieß – wie das Stuttgarter Verwaltungsgericht 2015 feststellte. | Bild: Hanspeter Walter

Denn es zeichnet Lenk aus, dass er der weltlichen und der geistlichen Macht nur allzu gerne den Spiegel vorhält und sie dabei gleich in verschiedener Hinsicht entblößt. Wie bei der Konstanzer Imperia, die längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Doch es trifft auch mal die Möchtegern-Guten, wenn sie am Ende bei genauerer Betrachtung doch mit den Mächtigen und Lobbyisten kuscheln und kungeln, wie es Bildhauer beim Verfahren um Stuttgart 21 auf seine Art diagnostiziert hat.

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Landeshauptstadt wollte den Lenk‘schen Laokoon nicht

Alle Städte hätten ihn gerne, den Lenk, nur das stolze Stuttgart nicht. Schon beim temporären Aufstellen des Laokoon Kretschmann im Kampf mit den bösen Folgen von Stuttgart 21 zierte sich die Landeshauptstadt. Noch mehr bei der am Ende erfolglosen Suche für einen dauerhaften Standort. Nun steht das neun Meter hohe Trojanische Pferd, mit dem Lenk den Schwäbischen Laokoon als Opfer von Stuttgart 21 vergleicht, in seinem Garten in Bodman. „Über 5000 Besucher waren schon da“, grinst der Bildhauer: „Ich habe zwar keine Zeit zum Zählen. Aber mein Nachbar tut es.“

Unerbittlicher Kampf der Staatsmacht gegen den Widerstand. Beim Polizeieinsatz wurden Demonstranten schwer verletzt. Ein Mann verlor ...
Unerbittlicher Kampf der Staatsmacht gegen den Widerstand. Beim Polizeieinsatz wurden Demonstranten schwer verletzt. Ein Mann verlor fast sein ganzes Augenlicht. | Bild: Hanspeter Walter

Nun also eine erste Ausstellung, bei dem der politische Streitfall im Mittelpunkt steht. „Warum ausgerechnet in Überlingen?“ tönt nach dem Rundgang eine Frage aus dem Off. Auch um spontane Antworten ist Peter Lenk nie verlegen. „Weil die mich gefragt haben“, lautet Lenks lapidare Antwort. Ob es tatsächlich die letzte Ausstellung sei, die er selbst kuratiere. „Was heißt hier kuratieren?“ kontert er in typisch lässiger Lenk-Manier. „Wir sind mit dem Lastwagen gekommen und haben die Dinger hier abgeladen.“

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Dass es bei der Gestaltung der Skulpturenschau dennoch einiger Anstrengungen bedurfte, hatte Kulturreferent Michael Brunner mit einer kleinen Laudatio auf Armin Klotz, den Ausstellungsspezialisten vom städtischen Betriebshof, zuvor schon deutlich gemacht. Beim Pressetermin mit dabei auch Bürgermeister Thomas Kölschbach, der bei der heutigen Vernissage die Festrede halten wird und sich von Lenk einiges näher bringen ließ.

Würdigte die Arbeit des „technischen Ausstellungsleiters“ Armin Klotz (rechts): Kulturchef Michael Brunner.
Würdigte die Arbeit des „technischen Ausstellungsleiters“ Armin Klotz (rechts): Kulturchef Michael Brunner. | Bild: Hanspeter Walter

Angela Merkel soll angeblich „herzlich gelacht“ haben

Viele der Exponate hat Lenk als Detail des Gesamtwerks eigens für die Ausstellung in Originalgröße separat angefertigt – sei es den alles überragenden Ministerpräsidenten Kretschmann – oder die Charakterköpfe des Vorgängers „Schnappus“ und des engagierten Streitschlichters Heiner Geißler. Der braven Kanzlerin Angela Merkel, die hier die Alternativlosigkeit von Stuttgart 21 predigt, bringt der Bildhauer durchaus Respekt entgegen. Ja, beim Betrachten einiger seiner Skulpturen habe sie „herzhaft gelacht“, habe ihm „ein Professor“ berichtet.

Er benenne die Figuren ganz bewusst nicht, betont Lenk. Die Identifikation überlasse er gerne den Betrachtern und Betroffenen. Was manchmal offensichtlich ist, manchmal etwas rätselhafter. Der in Berlin düpierte Springerchef Döpfner habe ihn schon verklagen wollen, erinnert sich der Bildhauer. Doch als dessen Anwalt seinem Mandanten klar gemacht habe, er müsse sich vor Gericht selbst mit der Figur identifizieren, habe der lieber darauf verzichtet. Derlei kleine Triumphe genießt Lenk gerne.

Auch andere bekannte Werke sind im zweiten Raum auf deckenhohen Abbildungen als Hintergrund von einzelnen Skulpturen zu sehen – wie der nackte Mainaugraf Lennart Bernadotte (1909 bis 2004) mit Schmetterlingsflügel, der im Pfullendorfer Seepark zu sehen ist. Ob der Graf von Wisborg nicht verschnupft oder gar beleidigt gewesen sei? „Nein, überhaupt nicht“, sagt Peter Lenk. Gerne sei der kunstverständige Graf mit ihm Kaffee trinken gegangen.

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Kleine Anekdoten packt Peter Lenk am Fließband aus

Der Schopfheimer Bürgermeister habe ihn vor 20 Jahren gefragt, ob seine Plastik zur Badischen Revolution tatsächlich sieben Meter lang werde. „Nein, auf keinen Fall“, habe er ihm geantwortet. Tatsächlich ist sie 20 Meter lang und bescherte der kaum bekannten Kommune plötzlich großes Besucherinteresse. Kleine Anekdoten packt Peter Lenk am Fließband aus.

Gleiches gilt für die Gemeinde Emmingen-Liptingen und ihren Schelmenbaum. Wenn ein Bürgermeister nicht nur seine Wünsche äußert, sondern diese laut Lenk gleich mit einer Überweisung von 50.000 Euro untermauert, gewinnt er bei dem Bildhauer aus Bodman schnell an Glaubwürdigkeit.

Peter Lenk als gefragter Interviewpartner an der Promenade.
Peter Lenk als gefragter Interviewpartner an der Promenade. | Bild: Hanspeter Walter

Was für ihn Satire sei, fragt eine TV-Journalistin an der Promenade, als Lenk für die Kamera seinen Mundschutz abgenommen hat. „Das ist mir zu komplex“, reagiert der Schelm vom Bodensee, der sonst um Antworten nicht verlegen ist. Auch bei der Vernissage müsse er sich zurückhalten und die zahlreichen Menschen weitgehend meiden, da er vor einer schweren Schulteroperation stehe und sich auf keinen Fall eine Infektion holen dürfe. Allenfalls einige Freunde wolle er vor dem Kursaal begrüßen.