Dass Corona keine Grenzen kennt, ist nicht nur in Europa bekannt. Auch in Kenia wurde das öffentliche Leben wegen des Virus heruntergefahren. Genau das sorgt für tiefe Sorgenfalten auf der Stirn von Franz Seehuber aus Überlingen, denn er hat intensive Verbindungen in den afrikanischen Staat.
Zum einen lebt seine Adoptivtochter Ruth Wanjiro-Seehuber dort, zum anderen managt sie die „Lakewood Green Olive High School“, die vom Verein „Green Olive“ maßgeblich finanziert wird. Als der Überlinger, der aus Oberbayern stammt, den Verein 2006 mitgegründet hat, war der Aufbau dieser Schule das Ziel. Mittlerweile werden dort etwa 150 Schüler im Internat unterrichtet.

Alles lief in den vergangenen Jahren nach Plan. Die Schule wuchs Jahr für Jahr. Das Lebenswerk des 72-Jährigen hat sich mittlerweile einen guten Ruf weit über Tezo im Distrikt Kilifi hinaus erarbeitet. Es sei eine der besten Privatschulen, die es in der Region gebe. „Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Franz Seehuber. „Wir helfen vor allem mit Geld und mit Know-how. Die Schule bauen und unterhalten müssen die Kenianer.“ Nur so würden die Einheimischen auch geschult, Verantwortung zu übernehmen. Das Konzept gehe seit fast 15 Jahren auf.
„Keiner wusste, wie es weitergehen soll“
Doch dann kam Corona. Der 15. März war auch für die Lakewood Green Olive High School ein schwarzer Tag. „Wir mussten an diesem Tag die Schule schließen“, berichtet Ruth Wanjiro-Seehuber per Skype. „Wir standen alle vor dem Nichts. Keiner wusste, wie es weitergehen soll.“ Die Lehrer und Angestellten hatten Zukunftsängste, da sie von heute auf morgen nichts mehr zu tun hatten. Doch genau in dieser Situation war der Verein „Green Olive“ da.

„Wir haben umgehend gesagt, dass die Lehrer ihren Lohn ganz normal bekommen, auch wenn kein Unterricht stattfinden kann“, erklärt Seehuber. „Wir wollten in der ganz schwierigen Zeit der Unsicherheit wenigstens etwas Sicherheit geben.“ Und diese wurde dankend angenommen. „Wir haben einen wirklich hoch emotionalen Dankesbrief von den Lehrern erhalten, das unterstreicht, wie schwierig die Situation in Kenia ist“, berichtet Seehuber.

Eigenes Hygienekonzept entwickelt
Auch Ruth Wanjiro-Seehuber sagt dankbar: „Die Hilfe aus Deutschland war vor allem Mitte des vergangenen Jahres unglaublich wichtig.“ Der Lohn biete nicht nur Sicherheit. Die Mitarbeiter seien hoch motiviert, die Schule für die Zukunft aufzustellen. „Wir haben alle sehr hart daran gearbeitet, dass möglichst bald wieder alle Schülerinnen und Schüler zurückkommen können“, erklärt die Managerin.
„Wir haben in den vergangenen Monaten ein eigenes Hygienekonzept aufgestellt und unter anderem dafür eigens einen Wasserturm gebaut und Leitungen verlegt.“ Außerdem wurden zahlreiche Desinfektionsspender und zusätzliche Waschbecken angebracht. Zur Standard-Ausstattung gehören mittlerweile Mund-Nasen-Schutz-Masken.

Der Einsatz hat sich gelohnt. Seit November wird die Abschlussklasse wieder in der Lakewood Green Olive High School unterrichtet. Und seit dem 4. Januar sind sogar alle Schüler zurück. Aber nicht nur für den Unterricht gibt es konkrete Pläne: „Wir wollen in diesem Jahr eine Krankenstation bauen“, betont Ruth Wanjiro-Seehuber. „Es soll ein zweistöckiges Gebäude entstehen, in dem Schülerinnen und Schüler, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behandelt werden können.“
Bisher wurde das Schullabor zum Behandlungsraum
Ganz besonders wichtig seien die Räume, wenn die beiden Schirmherren, Professor Kilian Mehl, Leiter der Klinik Wollmarshöhe in Bodnegg, und der Überlinger Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Dr. Markus Korte vor Ort sind. Sie kommen jedes Jahr und bieten kostenlose Behandlungen an. Bislang wurde beim Besuch der Schirmherren das Schullabor kurzerhand zum Behandlungsraum umgebaut. Allerdings konnten hier alle zuschauen. Diskretion war nicht möglich. „Wir sind zuversichtlich, dass wir diesen Bau in diesem Jahr trotz Corona realisieren können“, sagt Ruth Wanjiro-Seehuber optimistisch.

Die einzige Schule im Distrikt mit Computerunterricht
„Die Disziplin der Schüler und der Mitarbeiter ist wirklich beeindruckend“, betont Franz Seehuber, der zuletzt vor etwa einem Jahr in Kenia vor Ort war. „Die Ausbildung ist für afrikanische Verhältnisse überdurchschnittlich.“ In der Lakewood Green Olive High School gibt es nicht nur Unterricht in Mathematik, Englisch und der Landessprache Swahili, sondern auch in Physik, Chemie, Biologie, Geografie und Ethik.
Selbst ein Computerraum mit zehn neuen Rechnern wurde eingerichtet. „Es ist die einzige Schule im nördlichen Distrikt Kilifi, die überhaupt einen Computerunterricht anbietet“, berichtet der Überlinger. „Dieses Angebot soll in Zukunft auch noch ausgebaut werden.“

Genau dieser Unterricht sei sehr wichtig, erklärt Ruth Wanjiro-Seehuber. „Dadurch lernen die Schüler, sich für die Zukunft zu rüsten.“ Auf der einen Seite wird so das Moderne gelehrt, ohne aber auf der anderen Seite das Grundlegende zu vernachlässigen, denn auf dem Schulareal wird ein Teil der Nahrungsmittel, die verbraucht werden, selbst angebaut, gepflegt und geerntet.

„Green Olive hat in den vergangenen Jahren viel erreicht“, sagt Franz Seehuber. „Wenn man die glücklichen Gesichter in Tezo sieht, geht einem wirklich das Herz auf.“ Es zeige, dass man mit einem Verein, der rein auf Spendenbasis arbeite, durchaus eine ganze Menge erreichen kann. Das Motto für die nächsten Schritte laute: „Fortschrittliche Entwicklungshilfe heißt, Probleme zu lösen und nicht nur zu diskutieren.“ Und genau deshalb macht der Überlinger mit seinem Lebenswerk auch weiter und wirbt für Spenden für den Verein.
Auch Ruth Wanjiro-Seehuber blickt zuversichtlich in das neue Jahr. „Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu arbeiten“, sagt sie. „Und vielleicht schaffe ich es dann auch mal wieder nach Deutschland zu kommen.“ Denn ihre Zieheltern in Überlingen hat sie vor zehn Jahren das letzte Mal am Bodensee besucht.