Bitte anschnallen! Der Rundflug durch Raum und Zeit in die Vergangenheit geht los. Reiseleiter beziehungsweise Chrononaut, wie er sich nennt, ist Viktor Valerian Voyage (alias Jonathan Skawski), der die „Chers Voyageurs“ begrüßt und auf die Zeitreise einstimmt. Seine Zeitmaschine heißt Chronoflux und beamt die Mitreisenden zurück zu wichtigen historischen Stationen. Bereits bei der Premiere an Pfingsten vergnügten sich Einheimische und Gäste bei der zweistündigen Tour d‘ Horizon durch die Überlinger Geschichte.
Sie beginnt an der Hofstatt mit einer Rückblende auf einen bevorstehenden Besuch von Kaiser Barbarossa im Jahr 1186. Die Zuschauer erleben die fiktiven Vorbereitungen des Bürgermeisters für ein Gastmahl mit, bei denen sich zwei Überlingerinnen zunächst in bester Mundart angiften – um mit Blick auf den hohen Besuch doch noch einen Burgfrieden zu schließen. Die sprunghafte Zeitreise endet nach einem Akt des Exorzismus, bei dem der Heilige Gallus Fridiburga, die Tochter des Grafen Gunzo, von ihren Dämonen befreit, mit dem Fest zum mittelalterlichen Stadtjubiläum im Rosengarten, das zu Beginn angekündigt worden war. Ein außergewöhnlicher Ausflug in die lange Überlinger Geschichte, der ebenso kurzweilig wie spannend ist.
Grund genug für Oberbürgermeister Jan Zeitler und Kulturchef Michael Brunner, in einem Pressegespräch noch einmal auf die außergewöhnliche Zeitreise aufmerksam zu machen. Der Salemer Schauspieler und Theaterpädagoge Jonathan Skawski hat sie in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt entwickelt und mit Amateuren aus Überlingen und Umgebung einstudiert. „Wer passt hier am besten in welche Rolle?“ nennt der Regisseur eine wichtige Vorentscheidung. Die ihm bei dem aktuellen Projekt bestens geglückt ist. Am 17. und 18. Juni haben Einheimische und Gäste noch zwei Mal Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Beginn ist jeweils um 17 Uhr an der Hofstatt.
Im bunten Strauß der Veranstaltungen zum Überlinger Stadtjubiläum ist diese Zeitreise eine ganz besondere Blüte. „Das Stationentheater im öffentlichen Raum ist einer der Höhepunkte in unserem Jubiläumsjahr“, betont OB Zeitler. Ihm sei wichtig, dass das Thema „1250 Jahre Stadt Überlingen“ auf unterschiedliche Weise beleuchtet werde. Neben den wissenschaftlich fundierten Vorträgen solle auch die unterhaltende Dimension nicht zu kurz kommen. Wobei man auch bei der kurzweiligen Zeitreise einiges dazulernen könne.
Für den städtischen Kulturchef Michael Brunner liegt ein besonderer Reiz bei der Inszenierung im öffentlichen Raum. Auch wer als Feriengast oder Passant zufällig in eine Station hineinstolpere, werde schnell eingefangen. „So etwas Unerwartetes bleibt oft am längsten in Erinnerung“, sagt er. Vielleicht die beiden Frauen, die im Tschakebrunnen am Pflummernplatz ihre Wäsche waschen. Und nebenbei von den Maurern, die an der Stadtbefestigung arbeiten, von der Verleihung des Stadtrechts an Überlingen erfahren. Vor dem Stadtarchiv unterhalten sich zwei missmutige Burschen an einem Wirtshaustisch über ihre Schwierigkeiten mit der Frauenwelt. Ein nicht gerade Vertrauen erweckender Mönch hat für die beiden einen zwielichtigen Rat: Könnte es nicht sein, dass diese Frauen mit dem Teufel im Bunde stehen und Hexen sind? Tatsächlich stehen in der Spitalgasse gleich mehrere Verdächtige am Pranger.
Vor den Angriffen des General Horn muss die Reisegruppe in die Franziskanerkirche fliehen. Dabei platzen sie in die Predigt des charismatischen Geistlichen Stanislaus Sauerbeck. Dieser ist nicht gerade erfreut. Als er jedoch von den Angriffen erfährt, wächst er zu heroischer Größe an und weiß genau, was zu tun ist. „Es ist ein besonderes Erlebnis, einen Schauspieler auf der historischen Kanzel zu erleben,“ betont Michael Brunner. Zur Schauspielertruppe gehört auch Musiker Bernhard Legte, der mit der Laute den Weg durch die Altstadt begleitet. Am Schwertletänzerbrunnen gelingt es ihm, die Reisegruppe zu einem Kanon zu animieren.