Das Staunen der Spaziergänger ist groß über die mächtige Krone der 190 Jahre alten Buche im Badgarten. Deutlich jünger sind die beiden großen Linden im neuen Uferpark. Gemeinsam ist den Baumriesen, dass sie in den letzten Jahren zusehends an Vitalität verloren haben. „Das liegt zum einen an der zunehmenden Bodenverdichtung“, sagt Michael Brantner vom Grünflächenamt der Stadt. Mit der Belastung und Nutzung durch die Menschen geht vor allem den Wurzeln der Bäume quasi die Luft zum Atmen aus. Zudem nimmt der Nährstoffgehalt der Böden immer mehr ab, wenn mit dem fallenden Laub die wichtige organische Substanz – anders als in den Wäldern – jeden Herbst zu einem großen Teil entzogen wird. „Fast jedes Blättchen wird praktisch entfernt, dass der historisch geschützte Park auch ordentlich aussieht. Das erwarten die Bürger“, erklärt Brantner vom Amt für Grünflächen und Forst der Stadt. Zudem zersetze sich das Buchenlaub besonders schlecht beziehungsweise langsam.
Mangel zeigt sich dem Experten in der Krone

Damit fehlen dem Organismus neben dem Wasser auch wichtige Huminsäuren, die sonst regeneriert werden können. Schon vor 2018 sei zu beobachten gewesen, dass die Buche jährlich abbaue, sagt der Baumexperte, „das kann man regelrecht sehen“. Häufiger Astbruch ist die Folge, wie in diesem Frühjahr. Die Krone wird zusehends lichter, auch wenn dies aus der Distanz nicht jedem ins Auge fällt. Doch ohne die Buche aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wäre der Badgarten ärmer.
Insgesamt 370 Luftkanülen angelegt
Mit einer außergewöhnlichen Aktion hauchte das Grünflächenamt in Zusammenarbeit mit dem Baumpflegeteam Bodensee den Böden unter den Baumriesen nun quasi neue Luft, Nahrung und damit neues Leben ein. „Die Wurzeln eines Baumes reichen mindestens so weit wie seine Krone“, weiß Michael Brantner, „und der wichtigste Bereich, wo Nährstoffe und Wasser aufgenommen werden, das ist der äußerste Traufbereich.“ Mit Holzpflöcken markierte das Grünteam in regelmäßigen Abständen unter der gesamten Krone zahlreiche Punkte, um später eine flächendeckende Durchlüftung und damit Verbesserung des Bodens zu erreichen. Bei den Linden waren es rund 90 Punkte, bei der Buche im Badgarten alleine 280. Mit einer Rohrlanze und hohem Druck wird zunächst der Boden aufgebrochen und die Öffnung durch eine Spezialmischung aus Kieselalgen und Nährstoffen befüllt.
Vorgezogene Maßnahme für die Bäume vorteilhaft
„Wir hatten das ursprünglich nach der Landesgartenschau geplant“, sagt der Baumexperte. „Doch durch die Verschiebung konnten wir die Maßnahme nun vorziehen.“ Wenn im kommenden Jahr die Besucher der Landesgartenschau unter den Linden des Uferparks flanieren oder schon in diesem Sommer unter der Buche im Badgarten lagern, so haben die Riesen wieder etwas Luft geholt und halten die Belastung besser aus. „Für die Bäume ist das ein Vorteil, dass wir die Maßnahme jetzt durchführen können“, erklärt Brantner.
Lanze mit rund acht bar in den Untergrund gerammt
„Melioration des Bodens“ nennt Marcus Pietruschinski vom Baumpflegeteam Bodensee den Eingriff in die Wurzelbereiche der Bäume. „Diese Technik gibt es inzwischen seit einigen Jahren“, sagt der Spezialist. „Doch man musste zunächst mal beobachten, ob es auch funktioniert.“ Im ersten Schritt wird der verdichtete Boden mit der wenige Zentimeter breiten Lanze aufgebrochen, die mit rund acht bar in den Untergrund gerammt wird. Um dies zu erleichtern, wurde der Untergrund mehrere Tage zuvor intensiv gewässert.
In die Röhren wird Mischung eingebracht

Man kann es regelrecht spüren, ja fast sehen, wenn sich die Oberfläche leicht hebt. In die entstandene Röhre wird eine Mischung aus Kieselalgengranulat, Bodenverbesserern, Perlhumus und Langzeitdünger eingefüllt – insgesamt rund ein Kilogramm in jede Öffnung. „Wichtig ist, dass das Kieselalgengranulat zwar viel Wasser speichern und langsam wieder abgeben kann, aber nicht aufquillt und strukturstabil ist“, erklärt Michael Brantner. Dadurch bleiben die hergestellten Luftkanülen im Boden dauerhaft erhalten. Die 65 Zentimeter lange Lanze reicht dafür aus, da die Nährstoffe mit dem Wasser auch in größere Tiefen diffundieren. Brantner: „Das sind quasi viele kleine Schnorchel, die ins Erdreich hinunterreichen und den Boden luftdurchlässig erhalten.“