Es ist ein außergewöhnliches Erlebnis, das mehrere Schulkassen genießen durften: An Bord des Hamburger Forschungsschiffs Aldebaran erkundeten die Fünft- und Sechstklässler von Überlingen aus den See, um Gewässerproben zu nehmen, Plankton, Muscheln oder Mikroplastik zu sammeln und anschließend an Land zu untersuchen.

Die Klasse 5e des Offenburger Schiller-Gymnasiums mit ihren Lehrerinnen an Bord der Aldebaran.
Die Klasse 5e des Offenburger Schiller-Gymnasiums mit ihren Lehrerinnen an Bord der Aldebaran. | Bild: Jürgen Baltes

So erfuhren sie zum Beispiel, dass die quirligen „Hüpferlinge“ die meistverbreitete Plankton-Art im See sind, oder wie die Quagga-Muschel derzeit die Zebramuschel verdrängt, die ihrerseits in den 1960er-Jahren die einst heimischen Bodensee-Muscheln verdrängt hatte. Oder wie die Bodensee-Wasserversorgung mit Kupferkörben versucht, ihre Rohre davor zu schützen. „Das ist total spannend“, sagt eine Fünfklässlerin.

Kinder aus vier Schulen mit an Bord

Mit dabei sind dieses Mal Schülerinnen und Schüler des Meersburger Gymnasiums, der Gemeinschaftsschule Schreienesch in Friedrichshafen, des Schiller-Gymnasiums in Offenburg sowie der Schule Schloss Salem. Letztere ist neue Kooperationspartnerin des Projekts, ebenso wie die Heinz-Sielmann-Stiftung. Die 14 Meter lange Aldebaran, vollgestopft mit Hightech, gehört zur Deutschen Meeresstiftung aus Hamburg, die von dem aus Schramberg stammenden Biologen und Umweltschützer Frank Schweikert gegründet wurde. Erstmals mit Schülern am Bodensee war das Schiff 2016, maßgeblich unterstützt von der Baden-Württemberg-Stiftung, der die interdisziplinäre Forschung und Bildung zum Umwelt- und Klimaschutz sehr am Herzen liegt.

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Bodensee-Safari mit Landgang

Dieses Mal reicht das Projekt namens Bodensee-Safari weiter. Im zweitägigen Programm erkunden die Schüler zudem die Demeter-Höfe Rengo und Höllwangen sowie den Überlinger Weltacker, lernen den Sielmannweiher in Billafingen kennen oder sammeln Müll im Überlinger Uferpark. Im Anschluss an die Bodensee-Safari verbringen Zwölftklässler der Schlossschule Salem noch einige Tage ihren Biologie-Unterricht auf dem Schiff. Die Schule hat die Aldebaran in den Kreis ihrer Förderprojekte aufgenommen und will kräftig dafür werben. „Ein tolles Projekt, das wunderbar zu uns passt“, sagt Gesa Meyer-Wiefhausen, unter anderem für Marketing und Fundraising der Schule zuständig.

Unter Anleitung von Bastian Suhr (hinten links) untersuchen die Kinder Krebse und Muscheln.
Unter Anleitung von Bastian Suhr (hinten links) untersuchen die Kinder Krebse und Muscheln. | Bild: Jürgen Baltes

Insgesamt bleibt die Aldebaran jedes Jahr rund sechs Wochen am See. Auch für 2024 sind die Termine im Frühjahr dank der Unterstützer bereits gesichert. Schulen können sich bereits jetzt bei der Deutschen Meeresstiftung formlos für die Teilnahme am Forschungsprojekt bewerben.

Über Rhein und Elbe zurück in den Heimathafen

Unterdessen werden Frank Schweikert und seine Crew Ende Mai die Heimreise von Überlingen nach Hamburg antreten. Das 14 Tonnen schwere Aluschiff, das per Lkw an den See kam, wird dann nach Kehl verfrachtet, von wo es über Rhein und Elbe nach Hause segeln wird – an Bord ein Forscherteam, das Gewässerproben des Rheins sammeln wird. Den Sommer über forschen an Bord dann Schülergruppen im Rahmen des Meereswettbewerbs der Meeresstiftung in Nord- und Ostsee.

Frank Schweikert hat die Fahrten der vergangenen Tage aufgezeichnet.
Frank Schweikert hat die Fahrten der vergangenen Tage aufgezeichnet. | Bild: Jürgen Baltes

Eigens Anleger in Überlingen umgebaut

Für den 59-jährigen Frank Schweikert ist es „eine Freude“, mit seinem Schiff, das er vor 30 Jahren selbst mit umgebaut hatte, wieder „in der Heimat“ zu sein. Zwischenzeitlich war die Aldebaran bis nach Belize oder zur Klimakonferenz nach Paris gesegelt. Er freut sich vor allem über die vielfältige Unterstützung, ob vom Limnologischen Institut in Konstanz oder den Bodensee-Schiffsbetrieben, die eigens den Anleger an der Überlinger Segelschule umgebaut haben. Oder ein ganzes Team ehrenamtlicher Helfer, die jedes Mal bereitstehen, wenn die Aldebaran an den See kommt.

Die Hightech-Navigation an Bord
Die Hightech-Navigation an Bord | Bild: Jürgen Baltes

Am Bodensee ist die Welt noch „ziemlich in Ordnung“

Und was sagt der Umweltexperte zum Zustand des Bodensees? Im Vergleich zur Ostsee etwa sei hier „die Welt noch ziemlich in Ordnung“ – etwa was den Nährstoffgehalt angehe oder die Mikroplastik-Verschmutzung. Die größte Gefahr sieht Schweikert in der Quagga-Muschel. 2016 habe man erst vereinzelte Besiedelung gefunden. Doch mittlerweile gebe es „fast überall größere Teppiche“ – und zwar „bis weit in die Tiefe“. Das sei nicht nur für die Wasserversorgung ein Problem, sondern für das gesamte Ökosystem. Denn Muscheln filtern das Wasser, so Schweikert. Im Extremfall könnte es dadurch so sauber werden, dass die Muscheln selbst keine Nahrung mehr hätten. „Dann sterben die Muscheln und es entstehen wieder Nährstoffe – ein ewiger Kreislauf.“ Und heute könne niemand sagen, „wie dieses Abenteuer am See ausgeht“.

Auf dem Bord-Monitor ist der Teufelstisch zu sehen – übersät mit Quagga-Muscheln.
Auf dem Bord-Monitor ist der Teufelstisch zu sehen – übersät mit Quagga-Muscheln. | Bild: Jürgen Baltes

Überhaupt müssten die Ökosysteme unter Wasser noch viel mehr erforscht werden. Schließlich würden gut 70 Prozent des Sauerstoffs, den wir verbrauchten, nicht in den Wäldern, sondern den Ozeanen gebildet. Und 93 Prozent unserer fossil erzeugten Wärme vom Wasser aufgenommen. „Wir wissen noch viel zu wenig, was in diesen Systemen genau passiert“, sagt der Umweltforscher, der ich dies zur Lebensaufgabe gemacht hat.

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