Klappe, die vierte. Nach drei absolvierten Jubeljahren, die aufgrund der Pandemie nicht ganz ungetrübt waren, nähert sich Überlingen langsam dem Zeitpunkt, an dem sich nach neuesten geschichtswissenschaftlichen Interpretationen das Datum einer ersten Erwähnung des Ortes „Iburinga“ zum 1250. Mal jährt. Grund genug, mit dem diesjährigen Kultur- und Veranstaltungsprogramm zum „großen Finale“, wie es Oberbürgermeister Jan Zeitler beim Pressegespräch nannte, noch einmal eine Schippe draufzulegen und endlich auch einmal „unbeschwert“ feiern zu können.

Als würdigen Auftakt bezeichnete Zeitler das Museumsfest, das am morgigen Sonntag bereits um 10 Uhr beginnt und einige Überraschungen zu bieten hat. Inhaltlich vertieft wurde die Vorschau auf das Veranstaltungsprogramm von Kulturamtsleiter Michael Brunner und Stadtarchivar Walter Liehner, der im Moment mit der Redaktion einer umfangreichen Stadtchronik neuer Art befasst ist. Mit einem vielfältigen Programm – von ernst bis heiter – wolle man ein möglichst breites Publikum ansprechen, betonte Oberbürgermeister Jan Zeitler bei der Vorstellung. Dazu gehörten unter anderem Lesungen und Literatur, Musik und Theater.

Den ersten Kulminationspunkt erreicht das vierte und letzte Jubiläumsjahr am 9. August. Historiker Peter Erhart aus St. Gallen, dessen neuer zeitlicher Einordnung Überlingen die ausgedehnten Feiern quasi verdankt, hatte schon zum Auftakt am 16. Januar 2020 erstmals öffentlich über die Urkunde und deren Datierung referiert. Exakt zum 1250. Jahrestag der Unterzeichnung dieses schmalen Schriftstücks habe Erhart einige weitere neue Erkenntnisse seiner Forschungsarbeiten angekündigt. „Der Termin liegt zwar in den Sommerferien und manche werden nicht da sein“, entschuldigte sich Jan Zeitler. Doch habe die Stadt unbedingt dem exakten Datum Rechnung tragen wollen, auf dem das ganze Jubiläum schließlich fuße.

Buchtaufe im November

Als zweiten großen Höhepunkt nannte Jan Zeitler die Buchtaufe der neuen Stadtchronik am 26. November in Kursaal. Eine erste Buchtaufe wird es auch morgigen Sonntag im Museum mit der Schriftstellerin Verena Roßbacher geben, wie Michael Brunner erläuterte. Die Vorarlberger Autorin sei mittlerweile zu einem Shootingstar geworden, sagte der Kulturamtsleiter. Wenige Tage nach der Verleihung des Bodensee-Literaturpreises in Überlingen sei Roßbacher in Wien schon mit dem österreichischen Buchpreis geehrt worden.

Neu im städtischen Museum ist die Ausstellung „Überlinger Köpfe“, mit der Michael Brunner zum einen eine bislang völlig unbeachtete interessanten Menschen in den Mittelpunkt rücken will, zum anderen aber auch unbekannte Seiten namhafter Persönlichkeiten. Als Beispiel nennt er Stadtpfarrer Franz Sales Wocheler, den Stifter der Leopold-Sophien-Bibliothek. Der habe sich im Revolutionsjahr 1848 den Umstürzlern zugewandt, womit er im konservativen Überlingen seinen guten Ruf verspielte und was so gut wie nie erwähnt werde: „Frauen kommen bis 1920 fast gar nicht vor in der offiziellen Geschichtsschreibung“, sagt Brunner. Einige interessante Beispiele mutiger und selbstbewusste Frauen hat er bei seiner Recherche entdeckt.

Wobei er manche Beispiele aus einem kurzen Text auf einem Gemälde entwickelte. Flankiert werden die beschriebenen Gallus-Nonnen von aktuellen Digitalbildern, die von Claudia Vogel mit künstlicher Intelligenz entwickelt wurden und in denen man teilweise verstörende Elemente entdecken kann. Eine neue Aufnahme von bisher nicht bekannter Qualität hat Brunner von dem Stifterpaar der Goldbacher Kapelle erstellen lassen, deren Identität erst vor wenigen Jahren geklärt werden konnte.

Rund 700 Seiten stark werde die Überlinger Chronik, kündigte Stadtarchivar Walter Liehner an. Ein chronologischer lexikalisches Werk sei dabei nicht vorgesehen. „In Anlehnung an die gehaltenen und noch ausstehenden Vorträge werden 21 Autoren wichtige Aspekte der Stadtgeschichte vorstellen“, sagt Liehner. Davon werden einige bereits gehaltene Vorträge ab Mai noch einmal wiederholt, im Herbst kommen noch einige neue dazu. „Wir haben dabei das große Glück, dass in den letzten Jahren im Stadtarchiv einige Dissertationen entstanden sind,“ erklärte Liehner. Sie hätten auch bislang weniger bekannte Aspekte der Stadtgeschichte beleuchtet und einige neue Erkenntnisse gebracht.

Es werde jedoch auch einige größere Beiträge mit rund 40 Seiten geben, die die wichtigsten Epochen der Stadtgeschichte beleuchteten. Dazu gehörten unter anderem die Blütezeit der freien Reichsstadt, aber auch der Dreißigjährige Krieg. Erscheinen werde die Chronik im Gmeiner-Verlag. Die Stadt sichere sich zunächst 200 Exemplare, die sie für 30 Euro verkaufen wolle.

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