„Du, Sabine, schau doch mal, das dort ist eine Rotkappe“, sagte ein etwa 70-jähriger Überlinger zu seiner Begleitung. „Rot ist er schon der Pilz, da haben Sie recht. Aber es handelt sich um einen roten Täubling“, klärte ihn Willi Müller auf, Schriftführer des Vereins Pilzfreunde Überlingen.
Der Verein möchte ebenso wie der Pilzkundliche Arbeitskreis dazu beitragen, das Wesen der Pilze einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln. „Wir stellen immer wieder fest, dass sich viele Menschen für Pilze interessieren und viele Fragen dazu haben“, sagte Müller bei der Präsentation auf der Landesgartenschau.

Pilzsammler verrät seine Plätze ungerne
„Einfach in den Wald gehen“, antwortete der Pilzexperte auf die SÜDKURIER-Frage, wo man hier rund um Überlingen Speisepilze am besten finde. „Jeder von uns hat bestimmte Plätzchen, die verrät man jetzt nicht unbedingt. Man muss einfach gucken. Wenn man lange unterwegs ist, findet man auch was.“ Darunter seien auch alle guten bekannten Speisepilze wie Steinpilze, Pfifferling, Krause Glucke, Hexenröhrling und Marone.

Apps sind für Anfänger nicht zu empfehlen
Dass es nicht ganz einfach sei, sich als Anfänger auf eine Pilzexkursion vorzubereiten, ließ Müller nicht außer Acht. „Es gibt eine Vielfalt von 3000 Arten in Mitteleuropa.“ Einfach in den Wald zu gehen, mit einem Pilzbuch, werde schwierig für einen Anfänger, weil er die Pilze so nicht erkennen könne. Auch Apps seien für einen Anfänger gar nicht zu empfehlen.

Wer sich beim Sammeln der Pilze nicht sicher sei, was er im Körbchen habe, solle vor dem Verzehr den fachlichen Rat der Pilzexperten einholen. Am besten sei es dann, ein bis zwei Exemplare des unbekannten Pilzes mitzubringen, der zuvor mitsamt seinem Stiel aus dem Erdboden gedreht worden sei.
Merkmale sitzen am Stielende oder Stiel selbst
Dadurch werde erst eine genaue Bestimmung des Pilzes ermöglicht, da viele wichtige Merkmale am unteren Stielende sitzen beziehungsweise am Stiel selbst vorhanden seien. „Aber bitte nicht einen ganzen Korb voller Pilze zum Pilzberater bringen“, fügte Elfriede Berwath an.

Wer mit einem Kenner in den Wald gehe und zu suchen beginne, lerne jedes Jahr ein oder zwei Arten neu hinzu, sagte Müller. „Er kennt dann nach 20 Jahren rund 20 bis 40 Arten. Das ist einfach eine Erfahrungsgeschichte.“ Eine gute Möglichkeit, Pilze kennen zu lernen, sei auch, einem Pilzverein beizutreten und gefundene Exemplare gemeinsam anzusehen und zu bestimmen. „Im Gespräch miteinander lernt man am besten die Merkmale der Pilze kennen.“

In den Wäldern um Überlingen gibt es Giftpilze
Gerade von Giftpilzen sollte man sich die Merkmale einprägen, denn die wachsen natürlich auch in den Wäldern rund um Überlingen. Darunter der Grüne Knollenblätterpilz, der die Leber zersetzt, und der Orangefuchsige Schleierling, dessen Gift die Nieren zerstört. Keinesfalls gäbe es einen Trick, giftige Pilze mit einem Silberlöffel oder einer Zwiebel beim Kochen zu erkennen. „Das ist alles Blödsinn“, sagte er in Bezug auf diese „Ammenmärchen“.

Ein Kilogramm Sammelmenge nicht überschreiten
Da viele Wildpilzarten in Deutschland unter Naturschutz stünden, dürften sie lediglich für den Eigenbedarf und in geringen Mengen gesammelt werden. „Ein Kilogramm sollte nicht übertroffen werden“, sagte Müller mit Verweis auf so manchen sammelwütigen Zeitgenossen. Der Verein verwies auf den Rat der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, nur einmal pro Woche Wildpilze zu essen, da sie zum Teil mit Schwermetallen wie Blei, Quecksilber oder Cadmium belastet seien.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rate, nicht mehr als 250 Gramm Pilze pro Woche zu essen. Mit dieser Menge sei man – auch was die Strahlenbelastung als Folge des Reaktorunglücks in Tschernobyl im April 1986 angehe – auf der sicheren Seite. „Denn die radioaktive Belastung gibt es immer noch“, sagte Müller in Bezug auf die Fähigkeit der Pilze, dem Boden radioaktives Cäsium zu entziehen und zu speichern.

Strahlenrisiko ist gering, aber noch vorhanden
Diesbezüglich arbeite man mit der Hochschule Fulda zusammen und habe in den beiden zurückliegenden Jahren Pilzfruchtkörper eingeschickt, um sie auf ihre radioaktive Belastung untersuchen zu lassen. Mit dem Ergebnis, dass alle unter dem Grenzwert von 600 Becquerel Gesamt-Cäsium pro Kilogramm lagen. „Allerdings haben wir auch eine Marone gefunden, die nah am Grenzwert war“, erläuterte Müller.
Sein Fazit: „Man spürt Tschernobyl immer noch bei uns. Aber bedrohlich ist es nicht, wenn man nicht jeden Tag gerade mehrere Kilo Pilze isst.“ Mit anderen Worten: Eine gelegentliche Pilzmahlzeit birgt heute kein nennenswertes Strahlenrisiko mehr.

Übrigens: Am Samstag, 25. September, ist „Europäischer Pilztag“. Der Aktionstag für die Pilze ist von der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Der Tintling“ initiiert worden und wird an jedem vierten Samstag im September gefeiert. Ziele des Pilztags sind unter anderem, die Beliebtheit von Pilzen zu steigern, das Wissen über Pilze zu vertiefen und Pilze als Hobby für Jugendliche zu fördern.
Das nächste Treffen der Pilzfreunde Überlingen findet statt am Donnerstag, 7. Oktober, ab 18.30 Uhr in der Wagnerei des Gasthaus Storchen, Aachstraße 15, in Oberuhldingen.
Einige Regeln für Pilzsammler
- Nur Pilze essen, die man sicher kennt – auch in deren verschiedenen Altersstadien.
- Nur vollständig erhaltene Pilze sammeln. Pilze schneidet man mit einem scharfen Messer sorgfältig ab, damit das Pilzmyzel nicht beschädigt wird. Sollen die Pilze zu Hause bestimmt werden, vorsichtig mit der gesamten Stielbasis aus der Erde drehen. Pilze keinesfalls ausreißen.
- Nur frische, am besten junge Pilze sammeln. Auch gute Speisepilze können insbesondere bei Überalterung oder bei Befall mit Maden oder Schimmel ungenießbar werden.
- Maßvoll sammeln: Viele Speisepilze stehen unter Naturschutz und dürfen nur in kleinen Mengen für den Eigenbedarf gesammelt werden. Richtgröße sind ein Kilogramm pro Sammler und Tag.
- Giftige Pilze nicht zerstören. Auch sie haben wichtige Aufgaben im Wald.
- Pilze nur in luftdurchlässigen Körben sammeln. Keinesfalls Plastiktüten verwenden: Wegen des verminderten Luftaustausches fangen die Pilze dann an zu „schwitzen“.
- Sorgsam säubern. Pilze gleich im Wald putzen, waschen vermeiden.
- Pilze unverzüglich zubereiten, da sie keine längere Aufbewahrung vertragen. Ist das nicht möglich, Pilze flach ausbreiten, kühl und luftig lagern.
- Richtig zubereiten: Die am häufigsten angewandte Garmethode ist das Schmoren in Fett.
- Im Zweifelsfall Pilzberater in Anspruch nehmen.