Noah Halbauer (17) ärgert sich. Der Zwölftklässler des Gymnasiums Überlingen ist an diesem Morgen in Überlingen-Andelshofen zugestiegen und muss sich nun zwischen anderen Schülern in den Gang quetschen. Der Schulbus, der zuvor in Owingen und Bambergen gehalten hat, ist längst voll: Auch der letzte Platz ist belegt. Platz für Sicherheitsabstand? Fehlanzeige.


„Es ist höchste Zeit, dass sich hier was ändert“, meint Zwölftklässler Noah Halbauer. „Es bringt nichts, Corona-Abstandsregeln aufzustellen, wenn hier im Bus kein Platz ist.“ Am Schulzentrum strömen er und hunderte weitere Schüler schließlich in den Unterricht. Die meisten Busse, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen, sind zu dieser Uhrzeit überfüllt.“

Ähnlich sei die Situation auch mittags, meint David Matt aus Frickingen. „Auf dem Heimweg kann man die Abstandsregeln kaum einhalten“, sagt der 15-Jährige von der Jörg-Zürn-Schule. Der Zehntklässler meint: „Mehr Busse wären gut, um Abstand und Sitzplätze zu schaffen.“
Vor allem bei den Bussen, die durch Ortschaften fahren, herrsche das Problem, sagt ein Busfahrer, der für ein Privatunternehmen im Verkehrsverbund Bodensee-Oberschwaben fährt. Aus Sorge vor Konsequenzen möchte er aber nicht namentlich genannt werden. Er erklärt: „Kinder wollen immer in den ersten Bus, der kommt. Diese sind dann überfüllt.“ Durchsagen seien dann sinnlos. Mehr Busse? „Es mangelt vor allem an Fahrern“, entgegnet er.
Kein Platz und keine Luft zum Atmen
Die aktuelle Situation in den Überlinger Bussen verärgert Dominique Grensing, Gesamtelternbeiratsvorsitzende der staatlichen Überlinger Schulen. Sie sagt: „Es ist eine Katastrophe, wie es in Sachen Schulbussen in Überlingen zugeht.“ Als Mutter kriege sie „fast einen Vogel“, wenn sie mittags die vielen Schüler sehe, die an Haltestellen wie der Lippertsreuter Straße in die Busse strömten.
„Ich verstehe nicht, warum die Stadt oder das Land es nicht schaffen, dass es mehr Busse gibt.“ Laut ihr regten sich zu viele Erwachsene über Schüler auf, die sich nicht an die Corona-Regeln hielten. „Aber wie sollen sie sich unter diesen Umständen in den Bussen an die Regeln halten?“, fragt sie. „Irgendwie müssen sie zur Schule und wieder heimkommen.“

Laut Magdalena Stoll, Elternbeiratsvorsitzende des Gymnasiums Überlingen, machten sich auch viele andere Überlinger Eltern Sorgen um die Situation auf dem Schulweg. „Teilweise ist es in den Bussen so warm, dass sie unter den Masken kaum noch atmen können“, berichtet sie von Kindern anderer Eltern. Sie wundert sich vor allem, dass in den Überlinger Schulen viele Maßnahmen getroffen werden, um eine Ansteckungen zu verhindern. „Aber in den Bussen sind die Kinder dagegen meist 15 bis 30 Minuten dicht aneinandergedrängt.“

Das Problem sei auch bei den Überlinger Schulleitern angekommen, bestätigt Hans Weber, Schulleiter des Gymnasiums Überlingen. „Wir haben das im Kreis der kommunalen Schulleiter als relevantes Thema für Eltern und Schüler identifiziert. Mit Elternvertretern stehen wir in Kontakt.“ Doch mit Forderungen an die Schulträger hält er sich zurück. „Ich sehe auch, dass die Kapazitäten bei Busunternehmen endlich sind.“
OB Jan Zeitler mischt in hitziger Facebook-Diskussion mit
Eine intensive Diskussion ist zu diesem Thema zuletzt auch zwischen Überlingern und Oberbürgermeister Jan Zeitler auf Facebook entbrannt. Auf die Forderung eines Nutzers nach mehr Bussen antwortet der OB in einem Kommentar: „So einfach ist die Welt leider nicht: Es fehlen Busfahrer!“
Dort gab der Oberbürgermeister die gleiche Auskunft, die auch die Stadtverwaltung und das Landratsamt Bodenseekreis dem SÜDKURIER mitteilten: Es mangele an Bussen und Busfahrern, nicht einmal alle verfügbaren Busse im Landkreis seien für den Schüler- und Linienverkehr geeignet. Bei Überlastungen können auf bestimmten Strecken mit Verstärkerbussen punktuell mehr Kapazitäten geschaffen werden.

Zu Thema Nahverkehr tagte am Ende November auch der Kreisrat. Neue Beschlüsse wurden dort zwar nicht gefasst, aber Rupert Mayer, Mitarbeiter im Amt für Kreisentwicklung, erklärte dort das Vorgehen im Nahverkehr.
Seit Ende der Sommerferien werden im Bodenseekreis insgesamt 40 zusätzliche Fahrten im Schülerverkehr angeboten. Im Großraum Überlingen erfolgt dies jeweils zwei Mal morgens auf den Linien 7377 von Bonndorf und die Linie 7378 von der Gemeinde Wald aus nach Überlingen.
Zur Finanzierung der Verstärkerfahrten gibt es ein Landesprogramm, das einen Teil der Kosten übernimmt. Wenn Sitzplätze in normalen Linienbussen regelmäßig nicht ausreichten und mehr als 20 Prozent der zulässigen Stehplätze regelmäßig belegt seien, würden Zusatzbusse angefordert, „sofern bei den Unternehmen entsprechende Kapazitäten vorhanden sind“, hieß es in der Sitzungsvorlage. Wann ein Bus überfüllt sei, werde nach konkreten Kriterien bewertet. Mayer glaubt daher auch, dass überfüllte Busse manchmal ein „subjektives Gefühl“ seien.
Landratsamt: Verstärkerbusse lassen sich nicht aus dem Füllhorn schütten
Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamts Bodenseekreis, stellt in Aussicht, dass vereinzelt noch mehr Verstärkerbusse im Landkreis hinzukämen, ob diese aber in Überlingen zum Einsatz kommen würden, bleibt unklar. Schwarz weiter: „Mehr Busse kann man nicht aus dem Füllhorn schütten. Das wäre sowohl finanziell als organisatorisch unrealistisch.“
Es sei auch „absolut unrealistisch“ zu erwarten, dass in einem Verkehrsmittel jeder Fahrgast drei Quadratmeter Platz bekomme. „Das sind die physischen Gegebenheiten, mit denen wir aktuell leben müssen. Aber dafür gibt es ja die Maskenpflicht in den Bussen.“
Was ist die „perfekte“ Lösung?
Bereits jetzt – so lässt sich nach Schulschluss am Schulzentrum beobachten – holen Eltern ihre Kinder mit dem Auto ab. Auf diese Weise, so scheinbar der Gedanke vieler Eltern, entgehen ihre Kinder einer möglichen Ansteckung in den Bussen. Fahrgemeinschaften seien laut Grensing aber keine Lösung. „Das sind meist mehr als zwei Haushalte, die dort aufeinandertreffen.“ Um die Menge an Schülern, die in der Öffentlichkeit unterwegs sind, zu reduzieren, müssten Schulen wieder einen geteilten Unterricht einführen.“

Gemäß der Beschlüsse der letzten Bund-Länder-Konferenz, müssen Klassen nur ab Klasse acht in Corona-Hotspots ab einer Inzidenz von 200 Infektionen geteilt werden. Im Bodenseekreis liegt sie bislang darunter. „Hybrid-Unterricht können wir machen“, meint Hans Weber, Schulleiter des Gymnasiums Überlingen. Diesen Weg halte er, solange nicht absolut notwendig, aber für pädagogisch falsch.
„Geteilter Unterricht ist zwar eine Entlastung des öffentlichen Nahverkehrs, aber dafür eine Belastung für die Familien.“ Für die Schüler sei es effektiver, in ihrer vertrauten Klassengemeinschaft zu lernen. „Für das soziale Miteinander, die Entwicklung der Schüler und ihren Lernzuwachs ist es das Beste.“
Auch zu einem anderen Lösungsansatz nimmt er klar Stellung: „Die Idee, die Unterrichtszeiten zeitversetzt zu beginnen, funktioniert nicht. Besonders die Fachlehrer müssen zwischen den Stunden hin- und herwechseln. Das bedarf eines vollständigen neuen Stundenplans.“ Bei dem Thema Schulbusse sieht er die unterschiedlichen Interessen der Konfliktparteien, sagt aber auch: „Eine perfekte Lösung wird es hier vermutlich nicht geben.“