Unverhofft kommt oft, heißt es. Die nach den letzten Wahlen dreiköpfige FDP-Fraktion im Gemeinderat wusste nicht, wie ihr geschah, als sie durch den Überlinger Unternehmer Gerhard Graf quasi über Nacht zum Quartett aufstieg. Graf hatte auf der Liste der BÜB+ kandidiert und war lange Zeit Gastgeber für deren Zusammenkünfte. Doch als er im November als erster Nachrücker am Ratstisch Platz nehmen durfte, schloss er sich prompt den Liberalen an – anstatt für jene Gruppe Politik zu machen, mit der er die Wählerstimmen geholt hatte.
Gerhard Graf will weiter bei der FDP bleiben
Für die FDP will er auch bei den nächsten Kommunalwahlen in den Ring gehen, kündigte Graf an, als er von den beiden SÜDKURIER-Gesprächspartnern Raimund Wilhelmi und Ingo Wörner per Mobiltelefon quasi live zugeschaltet wurde. Die Zustände bei der BÜB+ seien immer „unzumutbarer“ geworden, ließ Graf verlauten. Und als „frei denkender Mensch“ könne er sich nur der FDP anschließen.
Zu den Kandidaten sind noch alle Fragen offen
Auch die Wortführer Wilhelmi und Wörner wollen wieder antreten. Wer darüber hinaus für die FDP auf Stimmenjagd gehen wird, steht noch nicht fest. Klarer sehen könnte die Partei nach der nächsten Mitgliederversammlung Ende Juli. Auf jeden Fall nicht dabei sein wird der amtierende Vorsitzende Gabriel Kiefer, der mit Wirkung zum 27. Juli seinen Rücktritt angekündigt hat. Er sehe keine Möglichkeit mehr, teilt er auf der Homepage des Ortsvereins mit, „meine beruflichen und politischen Ambitionen unter einen Hut zu bringen“. Da auch Stellvertreter Reinhard Weigelt seinen Rücktritt erklärt habe, seien Neuwahlen des ganzen Vorstands erforderlich.
Ingo Wörner: „Viele schlaue Frauen auf der Liste“
„Wir werden beide für den Vorstand kandieren“, kündigen Wilhelmi und Wörner schon mal an. Auch für die nächsten Wahlen sind die beiden Mandatsträger zuversichtlich – in jeder Hinsicht – und hoffen, dass sie den überraschenden Zugewinn stabilisieren können. Eine Frau saß für die Liberalen seit langem nicht mehr am Ratstisch. Doch auch hier sind sie optimistisch. „Wir werden viele schlaue Frauen auf der Liste haben“, versprach Ingo Wörner.
Raimund Wilhelmi lobt Ingo Wörner
Was war für die FDP die wichtigste Weichenstellung in der aktuellen Legislaturperiode? Wozu haben sie selbst etwas beigetragen? Diese Frage beantworten Wilhelmi und Wörner bereits mit dem Wunschtreffpunkt zum Gespräch: dem Kramer-Areal. Hier werde praktisch Überlingens Zukunft gebaut, sind beide überzeugt. „Ohne Ingo wäre das gar hier nicht so weit gekommen“, sagt Raimund Wilhelmi. Ähnliches gelte auch für den „Löwen“ in Deisendorf.
„Wir haben uns auch für den Tourismus, die Gastronomie und das Gewerbe eingesetzt“, betont Wilhelmi. „In der Innenstadt geht‘s im Moment ganz schlecht.“ Manche Einzelhändler beklagten massive Umsatzeinbrüche. „Viele Leute kommen gar nicht mehr“, sagt Wörner. „Wir werden immer unangenehmer für Gäste und Kunden, weil wir schwieriger erreichbar sind.“
FDP kennt die Existenzängste der Geschäftsleute in der Innenstadt
Auch Wilhelmi diagnostiziert Existenzängste bei den Geschäftsleuten in der Innenstadt. Wer eigene Räume besitze, könne überleben, ergänzt Wörner. Wer viel Pacht bezahlen müsse, höre einfach auf.„Geld regiert die Welt“, klingt Wörner zwischen realistisch und resignativ.
Vor diesem Hintergrund macht ihnen das Verkehrskonzept für die Innenstadt Sorgen. „Es muss unangenehm sein, durch die Stadt zu fahren und seine Runden zu drehen“, gesteht Ingo Wörner durchaus zu. „Aber die Stadt muss erreichbar sein – ohne Poller.“
Auch Kultur soll Platz auf Kramer-Areal haben
Was ist das wichtigste Thema für die nächsten Monate bis zur Kommunalwahl? Dito, das Kramer-Areal, für das demnächst die ersten Vorentscheidungen fallen werden. „Da entsteht ein ganz neuer Stadtteil“, sagt Ingo Wörner. Ob die Kramerhalle erhalten bleiben sollte, da ist er eher skeptisch. Wenn man sich vorstelle, dass mehrgeschossige Gebäude drumherum stehen, sei von der Optik der Halle ja nichts mehr zu sehen. „Für Wohnen, Kultur und Gewerbe bietet das künftige Quartier gleichermaßen Raum“, freut sich Wilhelmi. Allerdings könne man der Kultur nichts kostenlos zur Verfügung stellen. Da sei nicht realistisch. Ein kleines Kino oder einen kleinen Konzertsaal könne er sich dennoch vorstellen, sagt der Stadtrat.
Grunstücksverkauf an Diehl sei gerechtfertigt
Mit der Entwicklung im Gewerbegebiet ist Ingo Wörner schon jetzt zufrieden. Die Grundstücke im neuen Areal seien inzwischen alle vergeben und würden einheimischen und neuen Betrieben einen Standort bieten, der auch Arbeitsplätze verspreche. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt er den Verkauf der ehemaligen Straßenmeisterei an den Diehl-Konzern. Auch das sichere Arbeitsplätze und sorge für Steuereinnahmen.
Eines geht den beiden Liberalen allerdings zu weit, auch wenn sie Freunde der Kultur seien. „Das aktuelle Konzept für die Kapuzinerkirche ist einfach zu teuer“, sagt Ingo Wörner. „Mit dem, was wir noch vor der Brust haben, wie Schulen, Feuerwehr und Betriebshof.“