Über eine halbe Stunde lang war es mucksmäuschenstill im Saal der Franz-Sales-Wocheler-Schule. Augen und Ohren der Schüler waren auf die 28-jährige Luna Al-Mousli gerichtet, die aus dem Büchlein über ihre Kindheit in Damaskus vorlas.

Auf Deutsch und Arabisch im Wechsel las Luna Al-Mousli (28) aus ihrem ersten Büchlein "Ein Lächeln. Eine Träne. Meine Kindheit in ...
Auf Deutsch und Arabisch im Wechsel las Luna Al-Mousli (28) aus ihrem ersten Büchlein "Ein Lächeln. Eine Träne. Meine Kindheit in Damaskus". Die Kinder lauschten aufmerksam und waren fasziniert. | Bild: Hanspeter Walter

Die gebürtige Österreicherin, die nahezu die erste Hälfte ihres Lebens in der syrischen Hauptstadt zugebracht hatte und heute in Wien zu Hause ist, drehte und wendete dabei ihr Büchlein immer wieder, sprang von vorn nach hinten und zurück, um die geschilderten Szenen zunächst auf Deutsch und dann noch einmal auf Arabisch vorzutragen. Das kam nicht nur einigen Jungen und Mädchen zugute, sondern auch den anwesenden Müttern, denen die geduldigen Zuhörer anschließend den zweiten Teil eines besonderen Wortmenüs verdankten – mit optischen Leckerbissen und orientalischen Aromen.

Schüler sind konzentriert mit dabei

"Das ist wie Musik, wenn ich die arabische Sprache höre", hatte sich Rektorin Anja Neumaier schon über den besonderen Klang der lebendigen Lesung aus dem Büchlein "Eine Träne. Ein Lächeln. Meine Kindheit in Damaskus." geäußert. Die Schüler hatten nicht nur konzentriert zugehört, sie konnten es auch kaum erwarten, noch einige Fragen zu stellen. Schnell schossen die Hände in die Höhe. "Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben?", wollte Adriana aus der ersten Reihe gleich wissen.

So kam die Autorin zum Schreiben

Dazu muss man wissen, dass sich Luna Al-Mousli das Schreiben zunächst gar nicht zugetraut hatte. Sie hatte Grafik-Design studiert und war auf der Suche nach einem Inhalt, den sie für eine Abschlussarbeit optisch umsetzen konnte. "Eigentlich habe ich nach einem Doppelgänger gesucht", sagte sie. Den fand sie lange nicht und aus Zeitdruck musste sie die Texte schließlich selbst schreiben.

Die Kinder spendeten der Autorin Applaus.
Die Kinder spendeten der Autorin Applaus. | Bild: Hanspeter Walter

Wenn ihr ein Gedanke gekommen sei, habe sie diesem auf Post-It-Zetteln festgehalten und überall hingeklebt. Erinnerungen an die Schulzeit, in der politische Bildung, Mathematik und Arabisch am wichtigsten gewesen seien. "Ich lernte alles auswendig, doch ich verstand nichts", liest Al-Mousli und berichtete von Schlägen, wenn man nicht das vorgeschriebene Halstuch der Baath-Partei trug. Am "Lehrertag" mussten die Schüler ihre Lehrer beschenken. "Die Auswahl war sehr wichtig", erinnert sich die Autorin: "Die Lehrerin lächelte, wenn sie mit dem Geschenk zufrieden war. Oder sie beschimpfte die Schüler, wenn es aus ihrer Sicht zu einfallslos war."

Bereits Fortsetzung ihres ersten Buchs auf dem Markt

Doch sie hat auch freudige Erinnerungen. Unter anderem um die Musik- und Tanzbegeisterung der syrischen Teenager geht es in der Fortsetzung mit dem Titel "Als Oma, Gott und Britney sich im Wohnzimmer trafen – oder Der Islam und ich", den sie nahezu druckfrisch mitgebracht hatte. Dabei musste Al-Mousli erfahren, wie schnelllebig die junge Musikszene ist und dass viele Schülerinnen Britney Spears gar nicht mehr kennen, zu deren Hits sie selbst mit Freundinnen vor 15 Jahren für die eigene Oma getanzt hatten – wenn die Eltern aus dem Haus waren.

Hühnchen mit Erbsen und Reis nach syrischer Art.
Hühnchen mit Erbsen und Reis nach syrischer Art. | Bild: Hanspeter Walter

Zerrissen zwischen den Ländern ist nicht nur Luna Al-Mousli selbst, die sich zur Hälfte als Syrerin, zur Hälfte als Österreicherin fühlt. Ihre ganze Familie ist es. "Die Großeltern und einige Tanten wohnen noch in Damaskus", erzählt sie: "Viele sind jedoch auch geflüchtet." Bei der Übersetzung ihrer eigenen Antworten, musste die Autorin bisweilen kurz innehalten. "Moment, ich muss kurz mein arabisches Gehirn einschalten," sagte sie, ehe sie aufs Neue loslegte.

Auf Deutsch und Arabisch im Wechsel las Luna Al-Mousli (28) aus ihrem ersten Büchlein "Ein Lächeln. Eine Träne. Meine Kindheit in ...
Auf Deutsch und Arabisch im Wechsel las Luna Al-Mousli (28) aus ihrem ersten Büchlein "Ein Lächeln. Eine Träne. Meine Kindheit in Damaskus". Ihr zweiter Band hat den Titel "Als Oma, Gott und Britney sich im Wohnzimmer trafen". Die junge Autorin lebt in Wien und gestaltet ihre Bücher als Grafik-Designerin selbst. | Bild: Hanspeter Walter

Zu verdanken hatte die Schule den Auftritt einer Idee von Buchhändlerin Karen Lambertz-Zalitatsch, bei der die Al-Mousli am Abend zuvor zu Gast war. "Wäre das nichts für Ihre Schule?", hatte sie schon im Verlauf der Planung die Schulleitern gefragt und zur Lesung gleich Verlegerin Anya Schutzbach mitgebracht. "Das ist für uns eine riesige Freude", sagte Anja Neumaier: "Denn wir haben hier Kinder aus der ganzen Welt. Einige Schüler kommen ursprünglich auch aus Syrien." Dass vier syrische Mütter mit Unterstützung der Schüler ein Buffet mit arabischen Speisen gestaltet hätten, nannte die Schulleiterin "wahnsinnig" und war hell begeistert.