Die beiden Gebäude in der Hafenstraße 16 und 18 dürfen vorerst nicht abgerissen werden. Das stellt die Stadtverwaltung in einer Stellungnahme klar: "Entgegen der Eigendarstellung des Planers Bernd Moll sind die Voraussetzungen eines Abbruchs zum derzeitigen Zeitpunkt nicht erfüllt", schreibt die städtische Pressestelle als Reaktion auf den gestrigen SÜDKURIER-Artikel „Häuser in Hafenstraße vor Abbruch?“.
Die Stadt widerspricht damit dem Stockacher Architekten Bernd Moll, der im Gespräch mit dem SÜDKURIER auf eine rechtskräftige Abbruchgenehmigung vom 30. Oktober 2018 verwiesen hatte. „Seit 29.10.2018 waren die Bauvorlagen vollständig, so dass aus rein baurechtlicher Sicht einem Abbruch seit 30.11.2018 nichts entgegensteht“, bestätigt zwar auch die Stadtverwaltung Dies habe die Baurechtsbehörde gegenüber dem Bauherrn auch bestätigt.
Hafenstraße liegt im Sanierungsgebiet "Stadteingang West"
Allerdings pocht die Stadt bei der geplanten Bauvorhaben auf sanierungsrechtliche Grundlagen. Sie verweist darauf, dass gemäß Paragraph 59, Absatz 6, der Landesbauordnung „innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiet" vor Baubeginn bzw. vor einem Abbruch die hierfür erforderlichen Genehmigungen vorliegen müssten. Und die Gebäude in der Hafenstraße 16 und 18 liegen eben in einem solchen "förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet" – in diesem Fall im Sanierungsgebiet „Stadteingang West“. Dieses wurde im Oktober 2014 vom Gemeinderat beschlossenen und reicht vom Uferpark der Landesgartenschau bis zum Mantelhafen. Es umfasst die aktuelle Baustelle des Parkhauses Therme und bis zum Stadtgraben auch die übrigen Gebäude nördlich der Bahnhofstraße, ab dem Bad-Hotel nur die Quartiere südlich von Christoph- und Münsterstraße.

Der Abbruch bedürfe somit zusätzlich zur baurechtlichen Kenntnisgabe der sanierungsrechtlichen Genehmigung gemäß Paragraph 144 Baugesetzbuch, teilt die Stadt mit. Tatsächlich wirkt sich dies auch auf die geplante, noch nicht beschlossene Veränderungssperre im Bereich Hafenstraße aus. Nach dem reinen Baurecht gelte eine solche zwar nicht für bereits genehmigte Maßnahmen. Ausgenommen sind hier nach Satz 4 allerdings „förmlich festgelegte Sanierungsgebiete“.
Sanierungsrecht ist kein Thema im Ausschuss
Dass das Sanierungsrecht die Bewertung des Vorhabens und die Genehmigungsgrundlagen entscheidend verändert, davon war in der aktuellen Sitzung des Bauausschusses allerdings nicht die Rede. Auch nicht auf die Nachfrage von Stadtrat Günter Hornstein (CDU), der wissen wollte, ob die Veränderungssperre auch für den Abbruch gelte. Lediglich mit einem leisen „Ja“ kommentierte dies Baubürgermeister Matthias Längin – ohne jegliche Ergänzung.

„Wir beraten die Aufstellung des Bebauungsplans öffentlich vor, weil wir hier ein allgemeines öffentliches Interesse festgestellt haben, nachdem ein Baugesuch eingegangen ist“, hatte Längin der Beratung vorweggeschickt. Unerwähnt ließ der Baubürgermeister indessen, dass über dieses Baugesuch schon rund ein Jahr lang mit dem Vertreter des Antragsstellers verhandelt worden war und inzwischen schon der zweite Stadtplaner sich damit befassen muss. „Ich war schon im Gespräch mit Herrn Gorgol und Herrn Schmal“, erklärte Architekt Bernd Moll gegenüber dem SÜDKURIER, „und wir waren uns am Ende weitgehend einig.“ Auf ausdrücklichen Wunsch des für die Denkmalpflege zuständiger Ansgar Schmal habe er auf der Dachfläche in der zweiten Reihe noch eine Gaupe herausgenommen.
Die sanierungsrechtlichen Argumente der Stadt erwähnte allerdings auch der Architekt nicht. Moll habe im Antragsformular „ausdrücklich bestätigt, dass er alle für den Abbruch erforderlichen Genehmigungen beantragt hat und dass ihm bekannt ist, dass die vorliegende Kenntnisgabe diese Genehmigungen nicht ersetzt und mit den Abbrucharbeiten vor Erteilung der Genehmigungen nicht begonnen werden darf“, betont die Stadt in ihrer Stellungnahme. Die erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung sei bislang jedoch „weder beantragt, noch ausgesprochen“ worden. Insofern gehe Herr Moll „fehl in der Annahme, dass 'vielleicht morgen schon die Bagger anrollen'“. Dies werde die Stadt Überlingen, „falls erforderlich, auf Grundlage des Sanierungsrechts verhindern“.
Kommt jetzt ein Ensembleschutz für die Altstadt?
In der Vergangenheit hat der Gemeinderat einen denkmalpflegerischen Ensembleschutz der Altstadt abgelehnt. Dieser würde die Erhaltung einer Gruppe von Gebäude auf Dauer sichern. Wie hat sich die Einstellung der Fraktionen angesichts der aktuellen Diskussion entwickelt. Der SÜDKURIER hat bei den beiden größten Fraktionen im Gemeinderat, CDU und LBU/Grüne, nachgehakt:
- LBU/Grüne: „In der Tat ist es angesichts der derzeitigen Situation richtig, die Frage nach einem Gesamtensembleschutz der Altstadt verstärkt zu stellen“, schreibt Bernadette Siemensmeyer, die für die LBU/Grüne im Bauauschuss sitzt. „ Angesichts des derzeit zunehmenden Baudrucks auf die Altstadt ist ein Ensembleschutz ernsthaft in Erwägung zu ziehen.“ Sie selbst halte es „zunehmend für richtig und dringlich, die Überlinger Altstadt durch einen Ensembleschutz besser vor irreversiblen Schäden zu schützen“. Mehrere akute Fälle wie auch das Bauvorhaben in der Hafenstraße zeigten, dass das Baurecht und die Altstadtsatzung nicht ausreichen, „um die Qualität und Baukultur der Überlinger Altstadt zu bewahren und in die Zukunft zu führen“. Es brauche einen umfassenderen Schutz der Altstadt. Dieser wäre durch den Ensembleschutz möglich. Die denkmalpflegerischen Grundlagen lägen vor und hätten sich auch nicht wesentlich geändert. „Und ich bin mir sicher, dass dies auch zum Vorteil der hiesigen Bewohner und Hausbesitzer der Altstadt sein wird.“
- CDU: „Angesichts der aktuellen, konkreten Entwicklung in der Hafenstrasse, aber auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Situation auf dem Immobilienmarkt insbesondere in Überlingen und den möglichen Eigentümerwechseln im gesamten Bereich der Altstadt halte ich es für dringend geboten, dass sich der Gemeinderat schnellst möglich über die Chancen, aber auch Risiken eines Ensembleschutz für die Altstadt informiert und berät“, teilt CDU-Fraktionssprecher Günter Hornstein mit. Er wolle die Diskussion dazu „sehr gerne ergebnisoffen“ angehen. (shi/mde)