Überlingen – Nach dem Bestattungsgesetz, das in der Hoheit der Länder liegt, sind Gemeinden verpflichtet, Friedhöfe anzulegen, zu unterhalten und zu erweitern, "wenn hierfür ein öffentliches Bedürfnis vorliegt“. Weitergehende Dienstleistungen rund um das Begräbnis eines Verstorbenen gehören zu den freiwilligen Angeboten einer Kommune und werden meistens von gewerblichen Firmen erbracht.
Vermischung seit 2010 rechtlich nicht mehr zulässig
Viele Jahre hatte die Stadt quasi alles aus einer Hand angeboten. Diese Vermischung war nach einem gerichtlichen Vergleich schon seit 2010 in dieser Form nicht mehr zulässig und in einer neuen Organisationsform weder wirtschaftlich noch personell zu realisieren, wie es aus der Verwaltung hieß. Sie empfahl aus diesem Grund nun, den Bestattungsdienst aufzugeben. Dies beschloss der Gemeinderat mit großer Mehrheit, bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Der Rechtsstreit hatte die Stadt zuletzt gezwungen, zwei unabhängige Abteilungen zu etablieren und dafür auch eine räumliche Trennung vorzunehmen. Damit sei das übliche Vier-Augen-Prinzip nicht mehr möglich und weiteres Personal erforderlich gewesen. Das hatten Rolf Geiger, Leiter der Abteilung Grünflächen, und der für die Friedhofsverwaltung zuständige Martin Widmann erklärt.
"Leiter dürfen sich nicht gegenseitig vertreten"
„Die jeweiligen Leiter dürfen nicht im jeweils anderen Bereich tätig werden und dürfen sich auch nicht gegenseitig vertreten“, erläuterten sie. „Die Vertretung kann nur durch nachgeordnete Mitarbeiter erfolgen. So mussten ab diesem Zeitpunkt zwei Leitungsfunktionen sowie zwei Vertretungen vorgehalten werden.“ Die neue organisatorische Konstruktion habe der Arbeit zugleich die wirtschaftliche Basis entzogen. Zudem kollidiere die Rufbereitschaft mit der Höchstarbeitszeitregelung.
OB Zeitler: Kenne Angebot von keiner anderen Gemeinde
„Wir geben eine Freiwilligkeitsleistung auf“, erklärte Oberbürgermeister Jan Zeitler. Zuletzt habe dafür nicht nur das Personal gefehlt. Er kenne dieses Angebot ohnehin von keiner anderen Gemeinde. „Es ist auch sehr schwierig, hierfür gutes Personal zu bekommen“, bekräftige Rolf Geiger. „Wir hatten in den letzten Jahren sehr häufige Wechsel und keine guten Leute bekommen.“
Die Sorge von Stadtrat Roland Biniossek (Linke), dass diese Dienstleistungen in den Niedriglohnsektor ausgelagert würden, wollte die Verwaltung nicht gelten lassen. Mitarbeiter, die bei der Stadt gekündigt haben, hätten an anderer Stelle sofort einen Arbeitsplatz gefunden. Dafür sei die Leitung des Bestattungsdienstes schon seit Juli 2018 vakant gewesen. Auch Stadtrat Lothar Thum (ÜfA/FWV) fand die Einstellung des Bestattungsdienstes „bedauerlich“. Schließlich habe das kommunale Angebot für eine gewisse Preisregulierung gesorgt, die jetzt wegfalle. Dennoch sei die Begründung der Verwaltung für diesen Schritt plausibel. Diese Position teilte auch Michael Wilkendorf (SPD).
Ulf Janicke (LBU/Grüne): Tangiert einen sehr persönlichen Bereich
Für Ulf Janicke (LBU/Grüne) war die Argumentation der Verwaltung zwar „nachvollziehbar, aber nicht ausschlaggebend“. Die Bestattung von Verstorbenen tangiere einen sehr persönlichen Bereich. Das Leistungsangebot sei eine wichtige Alternative und stehe der Stadt gut zu Gesicht, begründete Janicke seine Ablehnung. Günter Hornstein (CDU) erklärte dagegen: „Es geht einfach nicht.“ Wenn die Stadt dieses Geschäftsfeld besetzen wolle, müsse sie es wenigstens kostendeckend betreiben.
Selten kommunal
Die Verwaltung der Friedhofsflächen ist qua Gesetz eine hoheitliche Aufgabe, die Dienstleistungen rund um die Bestattung haben einen privatwirtschaftlichen Charakter. Deshalb sind kommunale Bestattungsdienste eher selten und allenfalls in größeren Städten zu finden, wie der erste stellvertretende Landesinnungsmeister Ralf Homburger aus Singen betont. „Mir fallen auf Anhieb nur Stuttgart, Ulm und Freiburg ein.“
Grundsätzlich seien kommunale Bestattungsdienste rechtlich zulässig, allerdings müssten diese von den hoheitlichen Aufgaben der Kommune sauber getrennt sein. „Das muss einfach fair zugehen“, betont der Singener. „Den privaten Anbietern dürfen keine Wettbewerbsnachteile entstehen.“ Allerdings sei dies in der Branche sonst kein virulentes Thema. Oft sei es umgekehrt, dass Kommunen die Dienste der Bestatter für Arbeiten auf dem Friedhof in Anspruch nähmen. Keine Bedenken hat Ralf Homburger hinsichtlich einer Preisregulierung. Es gebe genügend Anbieter, dass man dies dem „freien Spiel des Marktes“ überlassen könne.